Wenn dein Telefon klingelt und Wade Simmons am anderen Ende der Leitung völlig wahnsinnig davon spricht, mit dir gemeinsam nach Riva heizen zu wollen, dann entstehen genau die Geschichten, die du später einmal deinen Enkelkindern erzählen wirst. Dennis Stratmann war mit am Start und wartet nicht, bis er Opa ist. Er erzählt uns heute schon die Geschichte, wie er gemeinsam mit Wade und ein paar E-Bikes von Bozen nach Riva cruist.
Wie alles begann …
Yo Dennis, whazz up, this is Wade. Are you goin to Riva this year? I will – by e-bike. Hahahaha … Wanna join me?
Bitte was? Ich starre wie versteinert auf mein Handy. Es ist 3:00 Uhr in der Nacht. Ich raff gar nix. Wer ist da und was will der von mir? Ich lege auf, mach das Phone aus und dreh mich um.
8:00 Uhr – der Wecker klingelt. Mund auf, Wasser rein, dann putz ich mir die Zähne. Kaffee hinterher. Mal schnell die Mails checken. Bing. Posteingang. Wade Simmons: „We bike to Riva!“ – ähm, was ist los? Jetzt erinnere ich mich …
Nun raff ich es und kann es doch nicht so ganz fassen. Aber im Laufe des Tages klärt sich das Bild langsam auf und schon um 14:00 Uhr habe ich erneut einen völlig wahnsinnigen Wade in der Leitung.
Dennis, ich hab 8 E-Bikes von Rocky und wir fahren damit nach Riva zum Bikefestival! Kein Witz. Pack Deine Sachen, ruf noch 2 – 3 Kumpels an und los geht’s!
Well I am still in Vancouver, but I will land in Frankfurt tomorrow and we can start immediately.
„Wade, wo bist Du morgen? In Frankfurt?“ frage ich. Wade hat von seinem Arbeitgeber Rocky Mountain tatsächlich 8 brandneue Powerplay zur Verfügung gestellt bekommen, um mit ner lässigen Truppe über coole Trails nach Riva zu fahren. Ob Wade weiß, dass es von Frankfurt bis Riva gute 900 Kilometer sind?! Nein, er weiß es nicht. Also stricken wir mit ganz heißer Nadel, dass wir die Strecke ein klitzekleines Bisschen verkürzen und ab Bozen starten. Von da sollte es in 3 Tagen machbar sein und wirkliche Trail-Highlights sind auf dieser Route auch garantiert.
Die Jungs und Mädels von BikeAction werden uns unterstützen, indem sie unser Gepäck befördern und ab und zu auf einer Hütte die Ladegeräte platzieren. Yes. Das klingt nach Luxus und einer tollen Tour.
Von Bozen nach Riva
Tag 1
Als wir uns in Bozen aus den Hotelbetten schälen, leuchtet die Sonne schon am Horizont. Der immer gut gelaunte Simmons flirtet bereits die 84-jährige Hoteleigentümerin an, um an den fünften Cappuccino zu kommen. Und dann geht alles ganz schnell, denn alle sind heiß darauf, die Trails zu finden, die uns Richtung Gardasee bringen sollen.
Eine kurze Einweisung an den Arbeitsgeräten und unser Guide Gregor gibt die Pace an. Wir radeln gemütlich an Weingütern vorbei und schrauben uns gemächlich den Hang hinauf. „Hier kam früher die lokale DH-Piste runter. Die wurde aber vor 3 Jahren verboten. Daher kommt uns garantiert keiner entgegen,“ sagt Gregor lächelnd und biegt in den höllisch steilen Pfad ein.
Wir – die meisten absolute E-Novizen – gucken uns fragend an. Da hoch? Turbo rein und ab die Post. Und ja tatsächlich, es geht. Die Piste ist zwar wirklich steinig, geröllig und unheimlich steil, aber die meisten Passagen fahren wir tatsächlich einfach hoch. Wahnsinn. Über 1000 hm schrauben wir uns in derbstem Gelände hoch zum Mendelpass. Und dort wartet auf uns schon die erste Rast. Die Ladegeräte stehen in Reih und Glied. Was ein Service. Obwohl manche wirklich sparsam gefahren sind und noch gut 40 % in ihren Batterien haben, verzichtet keiner auf den Luxus, bei Panini und Cappuccini dem Surren des Ladegeräts zu lauschen. Herrlich!
Ab hier geht es dann eher gemütlich über Schotterpisten weiter gen Süden, bis wir an unserem ersten Nachtlager ankommen. Rechtzeitig zum Feierabendbier und mit noch genug „Balken“ im Akku sitzen wir happy in der Abendsonne.
Tag 2
Der nächste Tag beginnt wieder mit lustigen Kaffeemanövern unseren „Reiseleiters“ Wade. Er ist mittlerweile eingefleischter E-Biker. Der Spaß, dem ihm diese Maschine bringt, sei fast grenzenlos, meint er lachend. Und das aus dem Mund eines Froriders und des Gewinners der ersten Rampage. Das will schon etwas heißen.
Unser nächstes Ziel heißt Andalo und befindet sich auf der Paganella-Hochebene. Hier gibt es einen der anspruchsvollsten Bikeparks Europas und auch der Weg dahin soll gespickt sein mit wahren Trailhighlights. Leider macht uns der harte Winter zuvor einen Strich durch die Rechnung. Die oberen Kammwege und spannenden Trails liegen alle noch teils meterhoch unter Schnee begraben. Gregor, unser Guide, ist bemüht, uns gute Ausweichrouten herauszusuchen, doch leider fahren wir sehr viele Schotterpisten. Dank Wades unermüdlicher Top-Laune bleibt das Stimmungsbarometer aber weit oben, und aus unserem Guide Gregor ist nun offiziell „Gravel Greg“ geworden.
Als wir in Andalo ankommen, ist es zwar hell, aber der gesamte Ort steckt noch voll im Winterschlaf. Unser Hotelier scheint (trotz Anmeldung) überrascht, so viele fremde Menschen zu sehen. Unserer Bitte nach Bier kommt er nach, indem er zwei verstaubte Pappkartons aus der Garage holt. Da drinnen etwas lauwarmes und abgelaufenes Hopfenartiges. Schmeckt! Danach wischen wir uns den Mund mit einer exzellenten Pizza ab und fallen müde in die kuscheligen Hotelbetten.
Tag 3
An Tag 3 geht es nun also bis Riva, ein kurzer Kartencheck zeigt deutlich, dass wir noch nicht einmal 2/3 der Strecke geschafft haben. Dazu kommt, dass unser Begleitfahrzeug heute direkt nach Riva durchfahren muss, denn dort werden die Jungs am Stand erwartet. Für uns heißt das, dass niemand mittags irgendwo mit Ladegeräten stehen wird. Da ich der „Depp“ mit der Fotoausrüstung bin und irgendwie schon so ein mulmiges Gefühl habe, packe ich mein Ladegerät gleich mit in den Rucksack und werf diese Info als universellen Tipp mal in die Runde. Nicht alle sollten das hören, und noch weniger wollten dem folgen …
Von Andalo aus gönnen wir uns erstmal die Westflanke des Tals. Hier müssen wir zwar gar nicht lang, aber Gravel Greg ist weiß, dass es da hammer Trails gibt. Ein Flowtrail-Festival mit Blick auf den Lago di Molveno entlohnt diesen Abstecher und lässt alle Schotter-Strapazen des Vortags vergessen. Danach heißt es endlich: weiter Richtung Süden, weiter Richtung Pizza, Pasta und Bike-Festival Riva. Also an der Ostflanke hinauf.
Der Weg ist gut fahrbar, aber zieht sich endlos. Es ziehen Wolken auf und es wird deutlich kälter. Erste Schneefelder erscheinen, aber zurück ist keine Option. Wir müssen über diesen Bergkamm! Es dauert nicht mehr lang, bis wir die Bikes durch knietiefen Schnee schieben und tragen. Der Weg ist kaum noch zu erkennen. Hier oben war dieses Jahr noch kein Mensch. Abenteuer-Feeling par excellence. Der Blick aufs GPS verrät, dass wir noch gar nicht weit gekommen sind. Unter uns schimmert immer noch schwach der Lago di Molveno. Fast so schwach wie unsere Akkuanzeige und unsere Beinchen, die ja nun auch schon seit 2 Tagen nonstop kurbeln.
Schier endlos schieben wir durch dichte, noch verschneite Tannenwälder. Es erscheint sinnlos. So schaffen wir es nie nach Riva, geschweige denn überhaupt wieder Richtung Zivilisation. Und gerade in dem Moment, an dem ich an der Sinnhaftigkeit einer fixen Idee (im April von Bozen nach Riva – in Luftlinie – zu fahren) stark zweifle, öffnet sich die Wolkendecke. Vor uns liegt eine wunderschöne Hochebene, die nur noch von einzelnen kleinen Schneefeldern bedeckt ist und tatsächlich kann man ganz weit weit am Horizont den markanten Hausberg von Arco erkennen. Und wir alle wissen ja, dass Arco / Riva nur ein „Steinwurf“ ist. Ähm, Moment … Die Silhouette des Berges ist echt weit weg … Die Gesichter derer, die kein Ladegerät im Rucksack haben, werden deutlich blasser, während die anderen breit schmunzeln.
Und nun beginnt eine Trail-Triade, die sich gewaschen hat. Man spürt, dass man dieses Jahr auf jeden Fall der Erstbefahrer ist. Durch knietiefes Laub surfen wir auf gardaseetypischem Geläuf gen Tal. Flowige Hohlwege, technische Serpentinen. Alles, was das Biker-Herz begehrt. Wir gröhlen und jauchzen und werden hier und da auch etwas leichtsinnig. Gravel Greg bezahlt dies mit seinem Garmin, als er an einer Felsplatte hängen bleibt und einen kapitalen Sturz nur mit gekonntem Bikeballet verhindern kann. Circa 20 km nördlich von Riva kommen wir in der Talsohle an und müssten nun „nur noch“ gen Süden rollen. Wären da nicht die leeren Akkus nach diesem intensivem Trailtag.
Also rein in die nächste Panini-Bar und alle verfügbaren Ladegräte rausgeholt. Der Wirt ist super motiviert und holt jede Menge Verteilerdosen. Nachdem wir etliche Male seine Sicherung heraus gejagt haben, haben wir aber ein guten Lademodus gefunden und genießen unsere Zwangspause bei Gelati, Panini und Kaffee. Dank der Schnellladegeräte können wir nach ca. 45 Minuten schon wieder starten. Eigentlich wollten wir gegen 14:00 Uhr am Stand von Rocky eintreffen. Nun ist es 18:30 Uhr. Egal. Fast alle sind happy und die Standparty, bei der das Freibier mal wieder in Strömen fließt, lässt den kleinen Verspätungsschmerz auch bei den letzten Skeptikern ganz schnell vergessen. Das war ein Abenteuer, und welche Abenteuer enden schon pünktlich?
Hallo Riva. Da sind wir endlich!
Wer von euch war schon mit dem E-Bike am Gardasee? Kennt ihr coole Routen in den Alpen?
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