Shimano Steps E8000 im Test: bisher wurde der E-Bike-Markt von einigen wenigen Anbietern im Motoren- und Batteriensegment dominiert. Die meisten Bike-Hersteller mussten feststellen, dass das Hauptproblem darin besteht, dass Sie an die „idealen“ Motor-Systeme gebunden sind, welche von den Produzenten vorgegeben werden. Mehr Wettbewerb auf diesem Markt würde mehr Innovation und Verbesserung für den Endverbraucher schaffen.
Vorhang auf für das neue E-Sledge+ von Stevens: Shimano Steps E8000-Antriebssystem und Shimano XT Di2-Schaltung werden hier in einem Bikes kombiniert. Wir haben uns das Design in Kirchberg bei den Eurobike Mediadays etwas genauer angesehen und fuhren das Bike in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit Probe.
Spezifikationen
Stevens hat für das E-Sledge einen High-End Aufbau mit hochwertigen Komponenten und Plus-Bereifung spezifiziert. Der Lenkwinkel liegt bei 65,5 Grad – was Standard bei vielen herkömmlichen Enduro-Bikes ist. Kombiniert wird der Lenkwinkel mit kurzen Kettenstreben (436 mm), die nur wenig länger sind als die von herkömmlichen Enduro-Bikes. Der Sitzwinkel liegt bei 75,6 Grad, der Reach wird mit 435 mm (18″ Rahmen) angegeben – damit wäre der Fahrer auch ohne Motor gut in der Lage bergauf zu pedalieren. Zusätzlich sollte diese Geometrie für ein sicheres Gefühl auf Abfahrten sorgen. Bergauf und bergab in Kurven fährt sich das Bike sehr wendig, das Bike gibt aber gleichzeitig in Abfahrten ein sicheres Gefühl. Mehr dazu weiter unten.
Zum Vergleich der Geometriedaten: das Specialized Enduro 650B (ebenfalls Größe Medium) hat einen kürzeren Reach und minimal kürzere Kettenstreben; die Kettenstreben des Santa Cruz Nomad sind auch wenige Millimeter kürzer und der Reach ist ebenfalls kürzer. Stevens hat mit dem Sledge rund um den Shimano-Antrieb eine Geometrie gewählt, die im Vergleich zu vielen Konkurrenzprodukten mehr sportliches Fahrverhalten in Kurven und Abfahrten setzt.
Das Herzstück eines jeden E-Bikes ist das Antriebssystem. Um Shimano war es in diesem Bereich in den letzten Jahren sehr ruhig und man hatte die Motorentwicklung anderen überlassen. Erst im Mai hat Shimano dann mit dem Shimano Steps E8000 ihr eigenes E-Bike-Motorensystem auf dem Bike-Festival in Riva Del Garda vorgestellt. Die ersten Eindrücke am Messestand machen es schwer, das System entsprechend zu beurteilen – aber nachdem wir mit dem Stevens-Bike mit dem Shimano Steps E8000 auf dem Trail waren, wird klar, warum sich die Shimano-Entwickler so viel Zeit genommen haben.
Auf dem Trail
Wir möchten noch hinzufügen, dass wir einen finalen Prototypen des Stevens E-Sledge testen konnten. Das Team baute am Vorabend des Events ein erstes Produktionsmuster des Shimano Antriebs ein, welches kurz vorher angekommen war und man hatte damit das Bike komplettiert – #justintime.
Uphill
Die Teststrecke begann direkt mit dem Verlassen des Festivalgeländes und einem Anstieg von rund 1000 Höhenmetern. Zunächst ging es auf Schotterstraßen bergauf, später wählten wir technische Singletrails für den weiteren Anstieg. Das Stevens bringt einen in die Position, wie man sie von den meisten Enduro-Bikes kennt: Mit einem zentralen Schwerpunkt kann man bequem den Berg hinaufpedalieren. Sobald es auf den technischen Trail geht, wird besonders bei E-Bikes die Körperposition wichtiger – der Fahrer muss für die Traktion genug Gewicht auf dem Hinterrad halten, gleichzeitig darf das Vorderrad nicht zu leicht werden, damit weiterhin gesteuert werden kann. Auf dem Stevens konnten wir diese Position problemlos finden und eine gute Balance aus Traktion und Kontrolle halten. Das Bike war agil genug, um enge Spitzkehren durchfahren zu können – das zusätzliche Gewicht hatte keinen Einfluss auf unsere Kletterfähigkeiten, was ein gutes Zeichen für die Qualität der Geometrie ist, die so für die meisten Fahrer gut funktionieren sollte.
Bergab
Die Kombination von steifer Gabel, kurzen Kettenstreben und etwas breiteren Reifen sorgt für ein sehr sicheres Fahrgefühl. Mit einem Testrahmen in Größe M konnten wir sehr schnelle Richtungswechsel vornehmen und dabei hohe Geschwindigkeiten zuverlässig beibehalten. Zu keinem Zeitpunkt gab uns das Rad ein Gefühl von Instabiliät oder Traktionsverlust. Der breite Lenker und kurze Vorbau waren ideal für technische und schmale Abschnitte mit Wurzeln. Die breiteren Reifen und der niedrige Schwerpunkt hielten das Rad auch auf hängenden Kurven in der Spur.
Das zusätzliche Gewicht behielt den Schwung gut, an das Bremsverhalten muss man sich allerdings gewöhnen, falls man noch nie mit einem E-Bike gefahren ist. Aus unserer Sicht würden wir immer Vier-Kolbenbremsen am Vorderrad bevorzugen. Die Hände ermüden einfach schneller beim Bremsen von schwereren Rädern, speziell wenn mit mit schwachbrüstigeren Bremsen unterwegs ist.
Kurvenfahrt
Mit der Stevens/Shimano E8000-Kombination konnte man den kürzeren Hinterbau richtig ausfahren und wir würden behaupten, dass dies das unser erstes getestetes E-Bike ist, das Kurven so scharf nimmt und extrem schnellere Richtungswechsel zulässt. Die Fox 36 hilft mit ihrer Steifigkeit auch in diesem Punkt: Wir konnten ohne Probleme unser Gewicht auf dem Vorderrad halten. Die breiteren Reifen gaben auch noch wesentlich mehr seitlichen Halt. Das Rad gab uns das generelle Gefühl eines spielerischen Handlings, auch wenn der Trail sehr kurvenreich war.
Federung
Der „Trunnion“-Dämpfer ermöglicht einen niedrigeren Druck, welcher der Theorie nach und dem Design folgend ein besseres Ansprechverhalten ermöglicht. Die Fahrt fühlte sich sehr „plush“ an und die Kombination mit der 36-Frontgabel, lassen das Rad voll trail-tauglich wirken. Wie mit allen schwereren Fahrrädern lohnt es sich die Zeit zu nehmen und die Federung korrekt und passend zur Körperposition einzustellen. Der Federweg bei der Gabel sollte ebenfalls auf das veränderte Bremsverhalten eingestellt werden. Die Fox 36 hat eine sehr gute Unterstützung im mittleren Bereich, so dass es leicht war die Federung in kurzer Zeit einzurichten.
Antriebssystem Shimano E8000
Alle bisher genannten Elemente an einem E-Bike sind stark vom eingebauten Antriebssystem abhängig. Die Shimano E8000 ist leicht und ermöglicht eine kürzere Kettenstrebe, was sich bemerkbar auf die Kurvenlage auswirkt, besonders im Vergleich zu anderen getesteten E-Bikes. Das Bergauffahren mit der Tretuntersützung des E8000 gab uns einen der „normalsten“ Eindrücke beim Pedalieren. Die Motorisierung ist sehr stabil und treibt nicht zu sehr voran, so dass man nicht das Gefühl hat, nichts zu leisten. Shimano hat es geschafft, eine vergleichbare Batterieleistung mit weniger Gewicht im Vergleich zu der Konkurrenz einzubauen und am Ende unserer 2-stündigen Tour mit 1100 Höhenmetern blieben noch zwei von fünf Balken im Display übrig.
Die unterschiedlichen Leistungsstufen sind leicht einzustellen und in jedem der vier Modi (von 0 bis Boost) gibt es merkbare Unterschiede. Wir haben den Boost-Modus am häufigsten genutzt und zwischendurch in den Trail-Modus geschaltet. Leider war der Unterschied zwischen diesen beiden Modi etwas groß für unseren Geschmack – allerdings sind wir nicht komplett in die Tiefen des Systems gegangen, um herauszufinden, ob man mit einem angeschlossenen Computer (vergleichbar zum Di2) die Parameter der einzelnen Stufen verändern kann. Die Schaltsteuerung ist normal und einfach zu bedienen. Wenn man den oberen Shift-Hebel drückt und hält, aktiviert man den Walk-Modus, welchen wir aber nicht genutzt haben.
Shimano verwendet ein normal großes Kettenblatt, lässt aber genügend Spielraum, so dass auch andere Größen eingebaut werden können. Die Integration mit dem Di2 wirkt gelungen – anders als gerüchteweise zu hören war, wird nicht automatisch geschaltet – auch ging der Motor nicht automatisch in einen Ruhezustand, wenn geschaltet wurde. Das Schalten ist schnell und ruhig und wir hatten nicht das Gefühl, dass ein Ausschalten des Motors nötig wäre, um den Gang zu wechseln. Der Freilauf des Motors war sauber und ruhig. Das ganze Zusammenspiel war problemlos und in den Abfahrten mussten wir nicht übermäßig in die Pedale treten, um einen Antriebsschub vom Motor zu erhalten. Das System reagierte jederzeit auf den Fahrer, so dass wir es in der gleichen Weise wie ein normales Rad fahren konnten.
Geometrie Stevens E-Sledge+ | |||||
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Frame size | 16 | 18 | 20 | 22 | |
Tire size | 27.5 | 27.5 | 27.5 | 27.5 | |
Seattube length | 632 | 637 | 646 | 656 | |
Seattube length | 400 | 430 | 460 | 490 | |
Seattube length | 372 | 398 | 418 | 444 | |
Top tube length | 554 | 574 | 595 | 612 | |
Top tube horizontal | 573 | 593 | 616 | 633 | |
Headtube angle (°) | 65.5 | 65.5 | 65.5 | 65.5 | |
Seattube angle (°) | 75.6 | 75.6 | 75.6 | 75.6 | |
Wheelbase | 1174 | 1195.9 | 1220 | 1239 | |
Chainstay length | 436 | 436 | 436 | 436 | |
Headtube length | 95 | 100 | 110 | 120 | |
Bottom bracket drop | 25 | 25 | 25 | 25 | |
Bottom bracket height | 341 | 341 | 341 | 341 | |
Fork rake | 51 | 51 | 51 | 51 | |
Slope | 224 | 204 | 193 | 177 | |
Wheel radius | 366 | 366 | 366 | 366 | |
Standover height | 726 | 741 | 751 | 763 | |
Fork build height | 572 | 572 | 572 | 572 | |
Front wheel - bottom bracket | 739 | 761 | 785 | 804.6 | |
Seatpost diameter | 30.9 | 30.9 | 30.9 | 30.9 | |
Reach | 415 | 435 | 455 | 470 | |
Stack | 613 | 597 | 626 | 635 | |
Stack/Reach (1:x) | 1.48 | 1.37 | 1.38 | 1.35 | |
Stem length | 50 | 50 | 50 | 60 | |
Stem angle (°) | 6 | 6 | 6 | 6 | |
Handlebar diameter | 31.8 | 31.8 | 31.8 | 31.8 | |
Assembled spacers | 10+5+5+5 | 10+5+5+5 | 10+5+5+5 | 10+5+5+5 | |
Handlebar width | 760 | 760 | 760 | 760 | |
Cranklength | 170 | 170 | 170 | 170 |
Stevens E-Sledge+ ES
Parallel zum fahrbaren Muster aus Aluminium hatte Stevens auch ein schickes, aber ziemlich wackeliges, aus 3D-gedruckten Kunststoffteilen zusammengestecktes Muster des Bikes dabei, das der finalen Version des Stevens E-Sledge+ ES entsprach. So wird es aussehen:
Stevens Scope E+
Ein Hardtail mit Shimano E8000-Antrieb hatte Stevens ebenso am Stand, das Scope E+. Das Bike kommt wie das Stevens E-Sledge ebenfalls mit Shimano Steps E8000 Antrieb und kostet 3999 EUR. Neben der RockShox Reba Gabel werden Shimano XT Antrieb, Laufräder und Bremsen verbaut.
Fazit zum Shimano Steps E8000 im Stevens E-Sledge+
Bei unserer ersten Fahrt war nicht annähernd genug Zeit, um sich genauer mit dem neuen Shimano E8000-System zusammen mit dem Stevens E-Sledge zu befassen. Allerdings können wir nach diesen ersten Eindrücken auch sagen, dass das Shimano-System unser im Moment bevorzugte Motor ist.
Es vermittelt einem ein sehr natürliches Gefühl, das die Fahrweise unterstützt. Man hat trotz der Unterstützung durch den Motor das Gefühl, dass man selbst den Berg hoch tritt und einem nicht geholfen wird. Die elektronische Schaltung zusammen mit dem Motor ist eine Kombination, die wir wirklich schätzen. Betrieb und Robustheit des Systems scheinen ideal zu sein.
Stevens hat das Beste aus den Eigenschaften des E8000-Systems herausgeholt und einen Rahmen gebaut, der auf dem Trail sehr verspielt wirkt und trotzdem bei hoher Geschwindigkeit satt liegt. Näher an das Gefühl eines „normalen“ Mountainbikes als das Stevens kam bisher kein anderes von uns gefahrenes e-MTB heran.
Spaß hat das Stevens gemacht: es ist einfach zu bedienen, natürlich und reaktionsschnell auf dem Trail. Die Verwendung von Shimano als Antriebssystem kann als der neue Maßstab angesehen werden, an welchem sich alle E-Bikes messen müssen. Verbesserungen können natürlich immer vorgenommen werden, aber das E8000-System ist der Konkurrenz einen Schritt voraus. Das Stevens ist somit eine Nasenlänge voraus, falls man Enduro-Trails mit einem E-Bike fahren möchte.
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