Warum, haben wir uns gefragt, hatten wir eigentlich Osttirol noch nie so recht auf dem Zettel? Liegt es am Fame des großen italienischen Dauerbrenners Südtirol? Oder am Umstand, dass Osttirol eine Exklave, abgetrennt vom restlichen, österreichischen Nordtirol ist? Und – ist es in Zeiten zunehmend übervoller Outdoor-Spots nicht vielleicht sogar von Vorteil, im Verborgenen zu blühen? Höchste Zeit, der ganzen Sache mal auf den Grund zu gehen. Hier kommt unser Spot-Check Osttirol!
E-MTB Osttirol – die Blüte im Verborgenen
Osttirol, oder wie es im schönen Amtsösterreichisch heißt, der „Bezirk Lienz“, liegt durch einen manchmal kaum 30 km breiten Streifen Salzburger Land getrennt vom restlichen Bundesland Tirol eingebettet zwischen dem Alpenhauptkamm mit Großglockner und Großvenediger im Norden und den Dolomiten im Südwesten. Es ist mit gut 2000 km² der flächengrößte Bezirk Tirols. Zur deutschen Grenze fährt man 130 km – ebenso weit wie nach Slowenien; hinunter nach Italien nur runde 50.
Lienz, Hauptstadt und Namensgeberin
Die Stadt Lienz ist der Ausgangspunkt unserer Recherche. Hier leben knapp 12.000 der 48.818 Einwohnern Osttirols. Gelegen am Zusammenfluss von Drau und Isel findet man hier Unterkünfte, Einkaufsmöglichkeiten, hübsche Ecken zum Verweilen, jede Menge kulinarische Angebote – und E-Bike-Verleiher!
- Beste Pizza Aurora, Pizzeria da Renzo
- Bestes Wiener Schnitzel Adlersstüberl oder Kirchenwirt
- Bester Kaffee Mocafé Kaffeerösterei
Samstag – Bikepark Lienz
Der Lienzer Bikepark wurde aus Mitteln des Tourismusverbandes gebaut und ist von der Lienzer Bergbahn betrieben. Er bringt es auf gut 800 Höhenmeter sowie gut 14 Trailkilometer. Seine Besonderheit ist, dass die Nutzung grundsätzlich kostenlos ist: Lediglich wer die Seilbahnen benutzen möchte, benötigt hierfür ein Ticket.
Wer hingegen gern selbst oder mit Motorunterstützung den Berg hinauf möchte, kann das auf verschiedenen schön gelegenen Panoramastrecken erledigen.
Am Samstag begleiten uns Andrea und René – Andrea ist 38 Jahre alt und arbeitet an der Bike-Bar des Bikeparks. Sie ist gelernte Köchin und Verkäuferin und fährt seit zwei Jahren MTB und E-MTB. René ist nicht nur der Chef-Shaper des Bikeparks, er arbeitet zugleich als Guide und Fahrtechniktrainer – und er vermietet Euch bei Dolomite Bikes den korrekten fahrbaren Untersatz sowie Schutzausrüstung für Eure Ausflüge auf die Trails. Kurz: An René führt beim Biken in Lienz kaum ein Weg vorbei.
An der Verleihstation direkt bei den Bergbahnen stellt uns René schnell die Bikes ein und erklärt uns, was uns heute erwartet.
Wir schnappen uns also unsere E-MTB und fahren zunächst mit der Bergbahn zwei Stationen hoch zur Sternalm. Eigentlich hätten wir nicht übel Lust, gleich auf der Alm in der Sonne mit ein paar kühlen Drinks zu versacken, aber gleich in Sichtweite erinnert uns das Holzschild am Anfang des Peter Sagan Trails daran, dass wir ja zum E-Mountainbiken hier sind. Also fahren wir mal schauen, was René und seine Mannen im Hang so an Trails für uns am Start haben.
Bikepark Lienz – die Trails
Der Bikepark richtet sich ausdrücklich an jedermann und -frau: Die Beherrschung grundlegender Fahrtechniken auf dem E-MTB sollten dennoch mitgebracht – oder vor Ort in einem entsprechenden Fahrtraining erlernt werden. Die Trails sind in bekannter Manier farblich nach Schwierigkeit sortiert: Von der Hochalm aus hat man die Wahl zwischen dem roten „Peter Sagan Trail“ und dem schwarzen „Welcome to the Jungle“. Wir nehmen für heute den mittelschweren, roten Trail. Der ist zwar manchmal ein wenig steil, aber alle Features lassen sich ohne große Aufregung auch langsam fahren bzw. überrollen.
Wer keine Lust auf Sprünge hat, springt halt einfach nicht. René zum Beispiel hat große Lust auf Sprünge – Andrea nicht. Viele schön gebaute Anliegerkurven und kleinere Elemente sorgen auch so für reichlich Spaß, und die Aussicht ins Tal ist wirklich beeindruckend. Die wenigen anderen Biker*innen, die wir an diesem Samstag treffen, fahren umsichtig und rücksichtsvoll, sodass wir uns auch auf unseren zahlreichen Stopps für noch ein Foto und NOCH ein Foto stets sicher fühlen können.
Ab der Mittelstation bringt uns dann der „Flow Family Trail“ (Blau!) mit seinen 340 Tiefenmetern auf 4 km Länge weiter talwärts. Der hat insgesamt einfach weniger Gefälle und liefert spaßige Features, Anliegerkurven und (auch hier easy umfahrbare) Sprünge jeder Größe noch und nöcher. Auch hier: Erstaunlich wenig Betrieb. Wir treffen andere Bikende, fühlen uns aber nie bedrängt, haben meist komplette Ruhe und können unser individuell angenehmes Tempo ohne surrende Freiläufe am Hacken entspannt selbst wählen.
Speisen mit Aussicht – die Sternalm
Wirt Karl trägt das Herz auf der Zunge und macht mit seinem Team, neben zünftigen Jausen („Den Speck musst Du aber dünner schneiden, so ist das ja geradezu ein Frevel!“), knusprigen, goldgelben Schnitzeln und einem fantastischen Salat auch verdammt leckere Kuchen für seine Gäste.
Sonntag – Anna Schutzhaus
Am Sonntag treffen wir bei bestem Wetter Natalie und Dominik, zwei befreundete Lehrer aus Lienz, für einen Ausflug in den südöstlichen Berghang des Lienzer Talkessels. Nach ein paar entspannten Kilometern entlang den Ufern der Isel Richtung Süden machen wir uns an unsere eigentliche Aufgabe: Den Aufstieg zum Ederplan. Das wunderschöne Anna Schutzhaus wird von den bezaubernden Schwestern Johanna und Regina bewirtschaftet und liegt mit 1992 m über Meereshöhe knapp 1400 Meter höher als die Stadt Lienz. Und obwohl es aus der Stadt nur knapp 18 km dorthin sind, ist der Trip nur Menschen mit sicherer Beherrschung grundlegender Fahrtechniken auf dem E-MTB, einem üppigen Akku und solider Grundkondition empfohlen: Die einzig mögliche Anfahrt über die Zufahrtsstraße zur Hütte ist durchgängig steil und besonders im letzten Teilstück stellenweise knifflig, während die Höhenmeter Eure Stromvorräte schmelzen lassen wie Schlagobers in der Sonne.
Auf unserer Tour gehen wir genau dies dann auch etwas zu euphorisch – nämlich im Turbo – an, worauf wir dann auch prompt unter dem steilsten, letzten Teilstück zur Hütte mit leerem Akku liegen bleiben. Hätten wir doch besser nicht nur den Unterstützungsmodus mit maximaler Leistung genutzt, sondern auch mal einen mit weniger Power. Beim nächsten Mal sind wir hier sicherlich schlauer, denn wir merken uns: Hier muss Strom gespart werden, wenn man entspannt oben ankommen will. Zum Glück kann das Dominik nicht davon abhalten, das leere gar-nicht-mehr-so-Turbo Levo einfach mit Muskelkraft den restlichen Weg hoch zu rackern. Wow!
Die 1882 erbaute, hölzerne Berghütte liegt nur wenige Meter unterhalb des Gipfelkreuzes des Ederplan und hat einen grandiosen Blick über das Tal und die Lienzer Dolomiten.
Auf der Hütte
Oben angekommen müssen erst einmal die E-Bikes abgestellt, Helme und Rucksäcke abgenommen werden. Die Sonne brennt ganz ordentlich in dieser Höhe.
„Erstmal was gegen den Durst!“, begrüßt uns eine strahlende Regina. Wir haben Glück, sind relativ früh dran und können uns so von den noch zahlreich freien Tischen den mit der aller-allerbesten Aussicht aussuchen. Unseren Bärenhunger stillen wir mit – natürlich – einer Brettljause, einer unverschämt käsigen Stahlpfanne voller Käsespätzle und dem Knödeltrio. Soll nochmal jemand sagen, E-MTB fahren mache nicht hungrig! Auf der Anna wird trotz der ortsbedingt etwas komplizierten Versorgungslage nach Möglichkeit regional und ökologisch – und unübersehbar mit viel Liebe – gekocht und gebacken.
Zum Ederplan
Wer sich einmal zur Anna Schutzhütte hochgekurbelt hat, sollte von dort unbedingt noch die siebzig letzten Höhenmeter zum Gipfelkreuz des Ederplan aufsteigen. Die E-MTB müssen wir dafür an der Hütte stehen lassen; es ist weder erlaubt noch ratsam, den sehr schmalen und stellenweise arg steilen Pfad zu befahren. Zur Belohnung für die Kraxelei gibt es dann ein wunderschönes, historisches Gipfelkreuz und ein 360-Grad-Panorama über die Lienzer Dolomiten, das seinesgleichen sucht. Nach einem Schwung lustiger Gipfel-Fotos machen wir uns wieder an den kurzen Abstieg zu unseren Bikes. Auf diesem Weg ist Trittsicherheit und festes Schuhwerk von Vorteil.
Lustiges Detail: Während die Anna noch in Osttirol liegt, befindet man sich am Gipfelkreuz bereits in Kärnten. Etwa auf halber Strecke überquert man die Grenze zwischen den beiden Bundesländer Österreichs.
Zurück ins Tal
Zurück an der Anna rödeln wir uns wieder in unsere Bikesachen und machen uns an die Abfahrt. Dafür geht es ausnahmslos knackig den Forstweg bergab bis ins Tal, unterbrochen von kurzen Pausen, um die Bremsen ein wenig abkühlen zu lassen.
Unten angekommen müssen wir nun noch die acht Kilometer flussaufwärts in die Stadt zurück pedalieren. Am Hotel zum goldenen Fisch angekommen müssen dringend Durstlöscher und Dusche her, den Staub und die Hitze loswerden. Erschöpft, aber glücklich schlurfen wir zum Abendessen unter dem uralten Kastanienbaum und wenig später Richtung Bett. Morgen schon müssen wir weiter. Servus, Osttirol!
Anreise nach Osttirol
Mit dem Auto
Von München aus überquert man Richtung Innsbruck die Grenze, täuscht zunächst kurz auf den Brenner an und folgt dann ab Kufstein der Beschilderung Richtung Kitzbühel und Felbertauern. Vorsicht: Auch für das kurze Stück Autobahn wird eine Vignette benötigt. Die 120 € Bußgeld sind deutlich besser in Wiener Schnitzel investiert. Über St. Johann und Kitzbühel geht es dann hoch zum Felbertauerntunnel und durch diesen zwischen Großvenediger und Großglockner unter dem Alpenhauptkamm durch. Über die neue Felbertauernstraße geht es dann durch Matrei weiter nach Lienz. Für die 220 km ab München sollte man mit mindestens drei Stunden Fahrtzeit rechnen.
Mit der Bahn
Lienz verfügt über einen zentral gelegenen Bahnhof, die Fahrt dauert ab München ab ca. 5 1/2 Stunden.
Meinung @eMTB-News
Der E-MTB-Spot Lienz hält, was er uns verspricht: Abgeschiedenheit, Ruhe, beeindruckende Natur und wirklich jede Menge fantastischer Bergabenteuer für jeden Geschmack. Hier können Bikende auch mit sehr unterschiedlichem Leistungsniveau gemeinsam viel Spaß auf Trails und Touren erleben. Abgerundet wird das Paket von einem breiten Angebot kulinarischer Möglichkeiten. Für die E-Urlaubenden hat der Tourismusverband Osttirol seine E-Bike Angebote sukzessive ausgebaut: Dank der mittlerweile umfangreichen Infrastruktur mit etwa 600 Kilometern beschildertem Wegenetz, Leih-E-Bikes und zahlreichen Ladestationen, stehen nahezu unbegrenzt attraktive Touren zur Verfügung.
Lienz ist sicher nicht die ideale Destination für Party- und Shopping-Enthusiasten; wir begreifen das als enormen Vorteil.
Im Hinterkopf sollte man in Osttirol jederzeit behalten, dass man sich im Hochgebirge befindet: Persönliche Kondition, Fahrtechnik und Akkureichweite müssen für die Planung einer gelungenen Tour unbedingt berücksichtigt werden.
Kennt Ihr Osttirol schon? Wart Ihr dort bereits mit dem E-MTB oder auf Skiern unterwegs?
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