Wir hatten diesen Sommer die Möglichkeit, das Specialized Hauptquartier in Kalifornien zu besuchen. Dabei sind wir neben jeder Menge Firmengeschichte auch auf jemanden gestoßen, von dem viele von euch möglicherweise noch nie gehört haben, der aber an vielen Entwicklungen der Bikebranche beteiligt war: Specalizeds Konzeptbike-Designer Robert Egger. Wir haben die Gelegenheit gleich für ein kleines Gespräch über seine Arbeit genutzt. Seid jedoch gewarnt, Roberts Gedanken sind teilweise so komplex wie seine Konzepte! Viel Spaß mit dem Interview.
Ein Besuch in der Specialized Zentrale ist an sich nichts Ungewöhnliches und auf der “To Do”-Liste eines jeden Mountainbike-Journalisten. Es startet damit, dass man ankommt und versucht, heraus zu finden, zu welchem ihrer vielen beeindruckenden Gebäude auf dem Campus-artigen Firmengelände man überhaupt muss, um seinen Ansprechpartner zu treffen. Hat man das geschafft, meldet man sich an, nimmt seinen Wifi-Code entgegen und bekommt eine Flasche Wasser angeboten. Dann setzt man sich einfach hin und wartet, bis der Kontaktmann eintrifft und einen abholt – in unserem Fall war das Sean Estes, der MTB Marketing-Manager von Specialized. In der Zwischenzeit kann man auch in ihrem Museum herumwandeln und etwas Fahrrad- und Firmengeschichte aufschnappen. Zum Beispiel über die Anfänge des Unternehmens, was an sich schon ziemlich interessant ist, denn Specialized startete als eine Ein-Mann-Firma. Damals hat Mike Sinyard Fahrradkomponenten mit einem Bike und Anhänger in der Stadt ausgeliefert – nun ist es eine der größten Fahrradmarken auf dem Globus!
Was hat das alles mit Robert Egger zu tun? Na ja, während unserer Tour hatten wir das Glück, ihm über den Weg zu laufen, als er sich grade eine Tasse Kaffee machte. Er lud uns gleich in sein sonst sehr geheimes Testlabor ein, um uns seine Arbeit zu zeigen und uns etwas über die Zukunft der Branche zu erzählen.
Specialized Museum
Robert Eggers Labor
“Ich denke, dass ich den besten Job der Welt habe – ich mache Spielzeuge!”
Der Kontext, in dem unsere Unterhaltung im Labor stattfand, war ziemlich künstlerisch angehaucht. Robert Egger arbeitete an einem Projekt und während er das tat, spielte er mit vielen Ideen über E-Bikes, wo sie herkamen und was er grade tat. Dazu nutzte er viele Referenzen – zum Beispiel Motocross-Bikes, die kalifornische Surf-Kultur, seine frühen Erfahrungen mit Bikes und wie die Industrie heute dasteht. Im Prinzip ist er ein Künstler, der sich selbst durch seine Bikes ausdrückt. Wir starteten unsere Unterhaltung mit ihm, als er grade über das Konzeptrad auf seinem Schreibtisch vor ihm redete. Er beschrieb dabei Teile davon, wie sie funktionieren, was das Fahrrad für die Menschen tun könnte und einige andere Gedanken, die ihm dazu in den Sinn kamen.
Robert sah unser Aufnahmegerät und lud uns dazu ein, seine Arbeit aus nächster Nähe anzuschauen – allerdings waren keine Fotos gestattet, weshalb er die Dinge anfing zu beschreiben.
eMTB-News.de: Wie hat deine Arbeit mit E-Bikes angefangen?
Robert Egger: Es war 1994, damals habe ich mit E-Bikes rumprobiert. Es nannte sich Electro Glow – das war, bevor die Firma Electra überhaupt diesen Namen hatte.
Erzähl uns doch mal was zu deiner Arbeit vor dir …
Das ist im Prinzip ein Motocrossbike mit einem E-Motor. Ich kann euch keine Bilder machen lassen, aber wir können darüber reden. Das ist das beste Mountainbike der Welt: Es hat eine Variostütze – der Sattel ist aus einem Stück, kann sich aber ausfahren. Das ist nicht für sehr ernsthafte Mountainbiker, es ist für den Kerl auf der Couch, mit einem Bauch, der gerne Motocross oder Supercross guckt. Vielleicht ist es etwas für Ricky Carmichael, falls er mal Radfahren gehen will.
Wir sollten nicht einfach nur Mountainbikes für Athleten machen, sondern für jeden! Ein Athlet kann das immer noch fahren, aber jemand, der nicht so die Fitnesse hat, kann damit losziehen und eine Menge Spaß auf einem Bike haben. Es gibt vermutlich hier im Gebäude niemanden, der das Rad sonderlich wertschätzen würde, aber es gibt haufenweise Leute auf der Couch, die all dieses Motorrad-Zeug gucken. Die werden kein Lycra anziehen oder einen komischen Fahrrad-Helm – die wollen ihre Motocrosssachen tragen! Daran sind sie gewöhnt, oder? Du kannst damit nachts auf die Trails, es hat Beleuchtung, es hat ein SWAT-System hier, da kannst du all deine Tools hinein packen … ich sag dir, es ist das beste Mountainbike der Welt!
Wir arbeiten in so einem kleinen Bereich der Fahrradindustrie, wir sind total konservativ, unsere Augen sehen nur ein konventionelles Mountainbike, ein konventionelles Rennrad. Das hier ist größer, das hier ist etwas anderes! Das ist designt, um all die Regeln zu brechen, die andere aufstellen – es hat keine Regeln!
Ich glaube, es gibt so viele verschiedene Arten und Weisen, ein Fahrrad zu fahren, wir grenzen uns aktuell selbst sehr auf ein schmales Segment dessen ein. Wir sollten das einfach alles wegwerfen und uns erinnern, dass das nur Spielzeuge sind. Ich denke, dass ich den besten Job der Welt habe, weil ich Spielzeuge mache. Ich finde, ich habe wirklich Glück gehabt, für so eine Firma wie Specialized arbeiten zu können. Hier haben wir tolle Leute, eine tolle Umgebung in Kalifornien und machen Spielzeuge für Menschen, die Spaß haben. Leute, die das hier fahren, werden ein Lächeln auf dem Gesicht haben.
Wie viele Spielzeuge machst du so?
Ich mache den ganzen Tag nur Spielzeuge, das ist alles, was ich mache. Mike Sinyard bezahlt mich dafür, dass ich Spielzeuge mache. Ich habe hier zum Beispiel das ultimative Rennrad … (zeigt uns ein weiteres Konzept-Bike, an dem er grade arbeitet)
Ja, das sieht tatsächlich beeindruckend aus …
Was es zum ultimativen Rennrad macht, ist, dass jeder Rennrad-Fahrer seine Fahrt macht und dann zum Café oder Bäcker geht und dort mit seinem wunderschönen Rad posiert – aber nur sehr wenige davon haben einen Ständer! Siehst du das, wenn du zum Café fährst, kannst du einfach den Ständer ausklappen und mit deinem Bike posieren. Das coole ist, dass es einen E-Motor hat. Man hat das Modul hier, das kommt raus und du hast Motor und Batterie – das kann in ein Rennrad, MTB, Commuter … sogar in ein Kinderrad sein. Das könnte was für Entwicklungsländer sein. Stell dir ein sehr utilitaristisches Bike vor, das in Entwicklungsländern zum Einsatz kommt und damit könnten sie ihr Haus mit Strom versorgen, wenn sie heimkommen oder eine kleine Maschine, ein Radio, ein elektrisches Werkzeug. Das ist eine lebensgroße Version dieses Bikes.
Hier (redet über das Aero-Bike) sind einige komplexe Lösungen integriert. Die Scheibenbremse ist in der Gabel drin, die ganze Bremse sitzt drin und ist geschützt. Andererseits sieht es aus wie eine Ducati – das sieht echt verrückt aus mit dem Schaltwerk und der Kette einfach in der Mitte irgendwo. Wenn man hinschaut, sieht man, dass es einen sehr tiefen Schwerpunkt hat.
Im Moment ist es so, wenn man ein Aero-Bike hat, mit Aero-Laufrädern, dann reicht eine Brise Wind, um einen umzuwerfen. Hier ist die Idee, dass man mit einem sehr tiefen Schwerpunkt dem entgegenwirkt.
Wo können wir eins bekommen?
Es ist mein Job, etwas um die Ecke zu denken. Ich kann dir gerne das Erste verkaufen, es ist aber sehr teuer!
Also, erzähl uns doch mal etwas über deine Sicht auf E-Bikes – werden sie die Welt übernehmen?
Vor fünf Jahren habe ich eine Ankündigung gemacht, ich habe gesagt:“Eines Tages wird jedes Bike, das Specialized herstellt, über einen E-Motor verfügen!” Jetzt hat Mike (Sinyard, Anm. d. Red.) meinen Satz gestohlen und nutzt ihn. Ich glaube, dass auf irgendeine Art und Weise jedes Bike, das wir produzieren, irgendwie über einen E-Antrieb verfügen wird – ob da nun eine kleine Einheit ist, die deine Lichter oder den Blinker antreibt, ein Generator oder eine Tretunterstützung. Wir werden über die alten Zeiten nachdenken, in denen wir alleine in die Pedale getreten haben und wir werden lachen …
Neulich haben wir beim Sea Otter Festival einen kleinen Stand von BSV gesehen, die zu BenQ gehören, die alle möglichen Elektro-Geräte herstellen …
Das sagt ja schon eine Menge aus – einfach nur verglichen mit letztem Jahr, habe ich beim Sea Otter viel mehr E-Bikes gesehen, es ist jetzt so ziemlich akzeptiert. Ich denke also, sie sind hier, um zu bleiben. Jeder, mit dem ich rede, der ein E-Bike fährt, hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Viele von uns Älteren wollen unter eigener Kraftanstrengung auf den Berg kommen und jetzt können wir das gleich 5 Mal machen, statt einmal.
Nachdem du das großartigste MTB der Welt gebaut hast – was ist dein nächstes Projekt?
Dann werde ich meine Füße hochlegen, auf eine verlassene Insel gehen und einfach rumhängen! Ich denke nicht, dass ich dann noch besser werden könnte. Es gibt kein perfektes Design, also habe ich, wenn ich ein Projekt fertig habe, mir schon eine Menge Gedanken gemacht, was das nächste sein könnte. Wenn man viel über diesen Kram nachdenkt, wird man mit den Designs sehr vertraut und findet Fehler. Es gibt Fehler in jedem Design, die einen dann auf neue Ideen bringen – also ist der Job niemals fertig!
Wie privilegiert fühlst du dich in deiner Position?
Ich denke, es ist eine sehr gute Position, keine privilegierte. Ich habe ziemlich hart gearbeitet, um in eine Position zu erreichen, in der ich die Möglichkeit habe, für diese Firma zu arbeiten. Ich nehme nichts für selbstverständlich, denn wir sind alle etwas komisch und wir haben die Möglichkeit gefunden, in der Bike-Industrie zu arbeiten, die wir nun Zuhause nennen. Ich glaube wirklich, dass das für mich als Designer eine Heimat ist. Ich bin dazu bestimmt, das zu tun und es befreit etwas in mir, darüber nachzudenken, was Bikes alles sein könnten. Ich denke, ich habe Glück gehabt, aber ich designe seit 50 Jahren Fahrräder – es hat schon angefangen, als ich 5 Jahre alt war und mein erstes Rad designt habe. Jetzt ziehe ich aus all den Jahren Erfahrung Vorteile.
Wie reagiert Mike Sinyard, der Gründer von Specialized, auf deine Designs?
Mike hat keine Ahnung von dem, was ich mache – ich bin hier mehr wert als woanders, deshalb behält er mich hier. Es ist eine sehr konkurrierende Umgebung, deshalb muss man jede Woche ein Rennen gewinnen, oder man fällt zurück. Ich arbeite immer so hart wie ich kann, um in dieser Position zu sein und zu bleiben. Es ist eine großartige Möglichkeit und es hat 50 Jahre gedauert, dorthin zu gelangen. Ich bin hier seit 30 Jahren, was echt lange ist – es ist eine harte Umgebung zum Arbeiten.
Was haltet ihr von Robert Eggers ganzen Ideen? Haben wir aktuell tatsächlich Scheuklappen auf den Augen?
Weitere Informationen
Website: www.specialized.com
Text & Redaktion: Alex Boyce | eMTB-News.de
Bilder: Alex Boyce
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