Der Sommer steht unmittelbar vor der Tür und während viele Radsportler sich bereits ausgiebig mit der Auswahl des richtigen Fahrrades, Federgabel-Einstellungen und der Sattelposition auseinander gesetzt haben, wird die Kleidung manches Mal eher vernachlässigt. Dabei entscheidet – Hand aufs Herz – gute Bekleidung stärker über Freud oder Leid in den Bergen als die Farbe der Standrohre. In dieser ersten Ausgabe unserer Bekleidungsreihe: Tipps für die richtige Bekleidung beim Biken im Sommer. Tipps für tiefe Temperaturen und Nässe folgen in separaten Artikeln.
Das Ziel: Abkühlung, bitte!
Was kann, was darf man von Bekleidung bei hohen Temperaturen erwarten? Ziel ist – wie eigentlich immer – eine Steigerung des persönlichen Wohlbefindens. Bei Hitze heißt das: Abkühlung, bitte! Oder zumindest: einer Überhitzung vorbeugen.
Der Körper ist ja durch Schwitzen mit einem eigenen Kühlmechanismus ausgestattet, der so funktioniert: Die Haut wird feucht, der Schweiß verdunstet – das benötigt Energie, die in Form von Wärme aus der Haut stammt. Alles was wir tun müssen: trinken! Und natürlich die Verdunstung nicht behindern. Das kennt jeder: Mit luftdichter Bekleidung fühlt es sich an wie in den Tropen. Es entsteht ein feucht-warmes Mikroklima und man fühlt sich nach vielem – außer nach zusätzlicher sportlicher Betätigung. Die Sache mit dem Schwitzen funktioniert ganz ohne Kleidung gut; dennoch ist (nicht nur aus Gründen der gesellschaftlichen Norm) beim Mountainbiken zu Bekleidung zu raten.
Warum im Fall von Bekleidung mehr Lagen zu weniger Temperatur führen können: Zunächst einmal übernimmt Bekleidung die Funktion des Sonnenschutz. Das ist einerseits gut für die Haut. Andererseits kann helle Kleidung mehr Licht reflektieren als Haut – und damit den Wärmeeintrag in den Körper reduzieren. Wo weniger Wärme reingeht, muss auch weniger durch Schwitzen wieder raus. Doch noch ein weiterer Aspekt ist nicht zu vergessen: Schwitzen ist ein träges System, soll heißen: Das Schwitzen hinkt der Leistung hinterher, und so ist man häufig noch nassgeschwitzt, wenn man schon keine Leistung mehr bringt.
Bestes Beispiel: nassgeschwitzt oben am Gipfel angekommen will man entweder erst einmal Pause machen oder direkt in die Abfahrt stechen – in jedem Fall kühlt der Schweiß dann völlig unnötig weiter runter. Mit der richtigen Kleidung lässt sich dieser Effekt ändern, denn sie leitet den Schweiß von der Haut weg, die Haut trocknet. Trockene Haut fröstelt weniger, auf ein Umziehen am Gipfel kann im Idealfall verzichtet werden. Gleichzeitig soll die Bekleidung natürlich bei Höchstleistung angenehm kühl auf der Haut liegen, bei übermäßigem Fahrtwind aber nicht auskühlen. Viele Anforderungen also!
So geht’s
Wie schneidert sich die eierlegende Wollmilchsau? Viel Sonnenschutz, ein wenig Windschutz, gutes Feuchtigkeitsmanagement, dazu komfortabel … Dass es dann noch Klamotten von günstig bis teuer und in vielen verschiedenen Looks gibt, liegt natürlich an unterschiedlichen Geldbeuteln und Geschmäckern. Fakt ist aber: Gute Bekleidung entscheidet sich oft im Detail – beispielsweise bei der Nahtführung, der DWR-Behandlung, die Wasser und Schmutz einfach abperlen lässt und den verwendeten Reißverschlüssen. Reflektierende Logos können ihren Beitrag zur Sicherheit leisten, wenn es mal spät wird.
Obenrum
Hier können wir natürlich ein wenig je nach Einsatzbereich unterscheiden, in jedem Fall gibt’s hier nur eine Lage. Als zielführend haben sich Jerseys und Trikots erwiesen, bei denen die Vorderseite aus einem etwas dichteren Gewebe hergestellt ist. Der Vorteil ist hier der leichte Windschutz in der Abfahrt. Unter den Armen, an der Seite und im Rücken ist dagegen ein luftiges, stärker perforiertes und damit besonders luftdurchlässiges Material zu bevorzugen. So kann der Schweiß auf einer großen Oberfläche verdunsten und viel Luft zur Haut und ins Textil eindringen.
Materialtechnisch gibt es hier eigentlich nur eine Wahl: Polyester, häufig garniert mit einer Portion Spandex oder Elastan für zusätzlichen Stretch. Daraus lassen sich luftige, dehnbare, schnell trocknende Klamotten machen. Einziger Haken: Sie riechen schnell. Daher gibt es noch eine Alternative, nämlich Mischgewebe aus Polyester und Merinowolle. Sie kombinieren die eben genannten Vorteile mit einem anderen Wärmemanagement (sie wärmen auch feucht noch, was aber im Hochsommer nicht nötig ist) und der angenehmen Eigenschaft, deutlich weniger stark zu riechen und somit beispielsweise auf einer Mehrtagestour Gepäck sparen zu können.
Untenrum
Wenn es ums Beinkleid geht, haben Cross Country-Fahrer leichteres Spiel: Sie tragen eine Bib-Short und gut ist. Die ist dünn, elastisch, schnell trocknend – Problem gelöst. Kunden können hier eigentlich hauptsächlich nach dem Sitzpolster entscheiden. Das sollte eher härter und stoßabsorbierend, dazu in sich flexibel sein. Dicke, weiche Polster bringen dagegen quasi nichts für den Sitzkomfort! In den letzten Jahren hat sich ein weiteres Merkmal als sehr nützlich etabliert: Taschen! Elastische Taschen auf Oberschenkeln und im unteren Rücken erlauben es, häufig auf den Rucksack zu verzichten und dennoch alles notwendige dabei zu haben.
Enduro-Fahrer und Trailbiker haben es hier einen Hauch schwieriger, denn die aus Stil- und Schutzgründen bevorzugten Baggy-Shorts bedeuten eine zusätzliche Lage, aka schlechtere Kühlung und größere Gefahr von Hitzestau. Das würde eigentlich niemand machen, aber ohne Sitzpolster sitzen sich lange Tage eben doch sehr unangenehm. Zum Glück ist auch dieses Problem erkannt und Lösungen inzwischen verfügbar: Besonders leichte, luftige Bib-Shorts, die im Grunde wie Unterwäsche funktionieren. Sie bieten die Funktion (Sitzpolster an Ort und Stelle halten, evtl. zusätzliche Taschen), ohne für zu viel Hitze zu sorgen.
Für die Short selbst gilt dann ebenfalls: Nicht dicker als nötig, eher etwas weit und im Zweifelsfall noch mit einer kleinen Perforation – und schon hält sich die Überhitzung in Grenzen. Ansonsten möchte ich hier noch auf den Bedarf nach Stretch hinweisen: Eine schön dehnbare Hose bedeutet ein erhebliches Plus an Komfort. Gute Bike-Shorts haben außerdem mit Reißverschluss verschließbare Taschen an der Seite und einen einstellbaren Bund, ansonsten möglichst wenige Nähte
Nicht zu vergessen sind Socken! Ich kenne viele Mountainbiker*innen, die keine speziellen Sommer- oder Winterschuhe benutzen; sondern im Sommer schwitzen und im Winter frieren. Das kann man machen, man kann sich aber zumindest mit unterschiedlichen Socken helfen. Denn schön dünne Kunstfaser-Socken bieten erst einmal weniger Isolation und mehr Luftdurchlass, aber eben auch einen besseren Feuchtigkeitstransport.
Und wenn’s doch mal kühl wird?
Die Windjacke ist im Sommer ein gern gesehener Gast. Ob früh morgens, spät abends oder doch nur, weil es wirklich mal unschön zugig bei der Pause zugeht: Eine dünne, leichte Windjacke ist immer dabei und passt sogar in die Trikot- oder Bib-Tasche. Weil sie winddicht ist, wird ein ungewolltes Kühlen aber effektiv verhindert.
Einen ähnlichen Einsatzbereich haben Armlinge und Beinlinge: Immer dabei und gerade für den Start früh morgens durchaus angenehm, um die Knie warm zu halten. Enduro-Fahrer*innen können hier nur müde schmunzeln, denn bei ihnen komplettieren die Knieschoner wahrscheinlich das Outfit und sorgen für ihre ganz eigenen Temperaturprobleme …
Zusammenfassung: Perfekt gekleidet durch den Sommer
Im Sommer sind Kunstfaser-Klamotten kaum zu schlagen. Inzwischen gibt es auch angenehm dünne Bib-Shorts und Hosen, die auch für Enduro-Fahrer einen Hitzestau vermeiden. Dann braucht es „nur” noch die richtige Kombination aus luftigem, dehnbarem Gewebe und richtig platzierten Taschen – und schon steht Biken auch bei hohen Temperaturen wenig im Weg. Sonnencreme, Windbreaker und Trinkflasche nicht vergessen!
Was sind eure Tipps für die richtige Klamotte im Sommer? Habt ihr Lieblingsstücke im Schrank?