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Bike Tourismus
Der Kampf ums Überleben

Freiburg statt Finale? Geisskopf statt Lenzerheide? Eselsweg statt Transalp? Wie wird unser Bike-Sommer 2020 aussehen? Werden wir die Heimat neu entdecken? Werden wir das Flair der Ferne vermissen? In Sachen Tourismus gehen die Wochen der Unsicherheiten weiter. Wir haben länderübergreifend mit Betroffenen aus der Bike-Tourismus-Industrie gesprochen und Stimmen aus den Hochburgen zusammengetragen – von Finale bis Winterberg via Südtirol, der Schweiz und Bayern.

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Deutschland

Samerberg: Der Weg aus der „Vollkacke“

Peter Brodschelm hat 1999 im Chiemgau seine Reise-Agentur und Fahrtechnik-Schule Fahrtwind gegründet. Zehn Jahre später folgte der Bikepark Samerberg. Beides steht aktuell komplett still.

# Peter Brodschelm von Fahrtwind
Diashow: Bike Tourismus: Der Kampf ums Überleben
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„Bei Fahrtwind steht so ziemlich alles auf Null“, sagt Peter, „aber zu tun haben wir total viel, weil wir die Stornos handeln müssen. Wir schuften und es bringt keinen Euro. Das ist echt frustrierend.“ Allein im April hat er 18 Fahrtechnikkurse und zwei Fernreisen abgesagt. Jetzt folgt das Kerngeschäft. Fahrtwind sitzt im südbayerischen Samerberg und ist seit über 20 Jahren der wohl wichtigste Anbieter für Transalp-Touren. „Im Mai hätten wir 12 Guides im Einsatz. Jetzt sind es Null. Für die Betroffenen ist das die Vollkacke. Wir haben Gott sei Dank auch innerdeutsche Touren, aber 90 % unserer Sachen führen eben nach Italien.“

Peter ist allerdings auch Ex-Profi-Athlet und sucht stets nach der Lücke, um Gas zu geben. „Wir stocken schon auf und verschieben Termine auf Spätsommer, Herbst. Alternativ bieten wir aktuell 1-zu-1-Trainings. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Was Fahrtwind aktuell „einen kleinen Teil des Hinterns“ rettet, ist eine Idee, die Peter seit Jahren mit sich trägt und nun umgesetzt hat. Über einen Online-Shop vertreibt er lässige Fahrtwind-Streetwear „und das läuft echt gut an. Das lenkt auch von den ganzen Problem-Emails ab. Wenn da zwischendrin eine Bestell-Email aufpoppt, tut das echt gut.“

Als Betreiber vom Samerberg Bikepark muss er allerdings gleich wieder Luft holen, um Frust loszuwerden. Die Werkstatt ist offen und wird gut genutzt, aber „ohne Bikepark ist kein Leben am Samerberg. Die Leute haben inzwischen auch schon kein Verständnis mehr für den Stillstand.“ Und keiner weiß, was kommen mag. „Die Gemeinde ist zwar bemüht, aber das hilft nicht viel. Ich habe mit allen gesprochen, vom Landratsamt bis zum Staatsministerium – keiner traut sich, was zu sagen. Der Herr vom Gesundheitsamt meinte, er vermittelt mich weiter und nach zwei Stunden bin ich wieder zurück im Landratsamt gelandet. Es ist ein Scheiß. Wir hätten gern eine Einzelfallbetrachtung. Wir sind doch kein Hallenbad. So ist halt alles total ungewiss – wie eben die ganze Corona-Phase im Allgemeinen ungewiss ist.“

Update: Inzwischen ist klar – der Bikepark Samerberg öffnet bereits am 11.05.2020 seine Pforten!

Winterberg: Trails in Schuss

So gut gepflegt waren die Trails im Bikepark Winterberg noch nie. Betreiber Nico Brinkmann wartet auf das Go und versucht in der Zwischenzeit, dem Gesundheitsamt das Biken zu erklären.

# Immerhin: Die Trails können in diesen Zeiten überarbeitet und gepflegt werden.
# Doch Trails ohne Biker sind natürlich nicht besonders sinnvoll.
# Deswegen hofft der Bikepark Winterberg natürlich, bald öffnen zu können.

Winterberg war schon im Winter gebeutelt, denn der war bekanntermaßen denkbar schlecht für Skifahrer. Nico Brinkmann betreibt neben dem Bikepark auch den Erlebnisberg Kappe – im Winter mit Skiliften, im Sommer mit Rodelbahn und Kletterwald. „Wir hatten bei den milden Temperaturen eigentlich auf einen guten Start in die Bike-Saison gehofft und waren schon früh dabei mit Streckensanierungen. Am 03. April wäre der Starttermin gewesen – aber hätte hätte Fahrradkette …“

Die Zeit der Sperrung haben sie in NRW auf jeden Fall optimal genutzt: „Unsere Bike-Strecken sind noch nie so gut gepflegt gewesen“, meint Nico. „Wir haben auch die North Shore-Strecke erneuert, Holzelemente ausgetauscht, alles auf Vordermann gebracht und Joscha Forstreuter hat unseren Pumptrack wieder top instandgesetzt. Wir sind also bereit.“

Doch den Startschuss geben andere. Auch Nico hat Kontakt zum Gesundheitsamt aufgenommen, das wiederum Empfehlungen an die Landesregierung weitergibt. „Die wissen vielleicht, was ein Kinderspielplatz ist, aber einen Bikepark muss man eben erst einmal erklären. Wir haben betont, dass es an der frischen Luft stattfindet, dass wir die Sesselkapazitäten nicht voll auslasten werden und auch sonst klar signalisiert, dass wir bei einer Lockerung absolut verantwortungsvoll handeln würden.“

Für diesen Sommer ist Nico auf so ziemlich alles vorbereitet. „Es kann auch sein, dass es noch Reiseverbote gibt und wir inländisch einen Boom erleben. Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass der Bikesport langfristig von dieser Zeit profitieren wird. Die Menschen werden sich vermehrt draußen bewegen – und aufs Wandern hat auch nicht jeder Lust. Das Biken wird einige packen!“

Italien

Südtirol: Rückbesinnung auf den Bikesport

Michaela Zingerele ist Geschäftsführerin der BikeHotels Südtirol und generell eine der prägenden Bikerinnen der Region. Im Lockdown hat sie viel gelitten – und viel gelernt.

Seit dem 10. März steckte Südtirol wie das restliche Italien im kompletten Lockdown. Erst am 27. April wurde die 200 Meter-Regel (weiter durfte man sich nicht von Haus/Wohnung wegbewegen) aufgehoben. Nun darf man wieder Sport an der Natur treiben und sogar Fahrrad fahren – was Michaela Zingerle nun täglich ausgiebig tut.

# Makke ist einer der Trailbuilder in Südtirol und endlich wieder im Einsatz.

„Das war bei uns wortwörtlich ein Feiertag. Da saß keiner der Hoteliers und Guides mehr am Schreibtisch.“ Michi ist in der Nähe von Bruneck am Kronplatz zu Hause. In den Isolationswochen suchte sie über eine spontan angesetzte Interview-Videoserie Kontakt nach außen und übte im Garten das Hinterradversetzen. Ihr Mann Markus Irschara ist der legendäre Trail-Bauer vom Kronplatz. Seit dem 04. Mai darf er nun seine Strecken herrichten.

Die Unsicherheit unter den Südtiroler Bike Hoteliers ist noch immer groß. Sie stehen in den Startlöchern, doch wie die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften schließlich aussehen werden, ist ihnen unbekannt. „Zudem wird sich in Südtirol für viele die Frage stellen, ob es sich überhaupt rentiert, aufzusperren“, sagt Michi. „Unter den BikeHotels spüre ich eine große Lust aufzumachen. Einfach auch, weil der Bewegungsdrang und die Freude auf die Gäste so riesig sind. Aber es hängt einfach viel davon ab, ob die Grenzen öffnen werden oder nicht und ob die Regelungen rentables Arbeiten zulassen können.“

Was den Bikesport an sich betrifft, rechnet Michi mit einem Einstellungswandel. „Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft anders unterwegs sein werden. Deutlich bewusster. Ich denke, wir werden runterkommen, bzw. wegkommen von dem Trophäensammeln: Es muss nicht der Trail sein oder der Gipfel oder die Tour – es geht einfach wieder ums Biken. Um den Genuss, durch den Wald zu fahren, draußen zu sein.“ Die Tour-Gestaltung wird sich auch deshalb ändern, weil wohl weniger geshuttled wird. „Ich bin mir sicher, wir werden unsere Umgebung und den Bike-Sport wieder ganz neu entdecken und erleben.“ In diesem Punkt sei sie positiv gestimmt – und resümiert mit einem Anflug von Lächeln: „Wenn du mal so weit unten bist, kann es nur aufwärtsgehen.“

Toskana: Traktor statt Trails

Arianna Hutmacher führt mit ihrer Schwester Alice und Vater Ernesto die Bike-Station Massa Vecchia in der Toskana. In den letzten Wochen hat sich die Familie dem Wein zugewandt – das allerdings, weil sie ein Agriturismo aufbauen.

# Ari und Alice

„Wir sind alle gesund, uns geht es gut“, ist das Erste, was Arianna Hutmacher betont. Ari ist Co-Chefin der Massa Vecchia, einem der Bike-Hot-Spots in der Toskana. Auch wenn die Region um das kleine Mittelalterstädtchen Massa Marittima vom Virus kaum betroffen war, so war sie es doch von den strikten Ausgangsbeschränkungen.

„Massa Vecchia ist leer“, sagt Ari. Sie vermisse die Menschen. Aber sie habe die zwei Monate mit ihrer Familie auch genossen. „Am Anfang war ich frustriert und traurig. Dann habe ich gelernt, es zu akzeptieren und nach vorne zu schauen. Wir hätten dieses Jahr das beste Jahr erleben können. Wir waren von Februar bis November ausgebucht, auch all unsere Events. Jetzt wird es sicher das schlechteste Jahr in unserer Geschichte. Aber nur finanziell.“

Arianna, ihre Schwester Alice, Ziehbruder Francesco und Vater Ernesto haben dieses Jahr sowieso ein großes neues Projekt gestartet. Unweit des Massa Vecchia Grundes haben sie einen uralten Hof samt Grund erstanden. Aus La Colombaia soll in den nächsten Monaten ein kleiner Agriturismo entstehen. „Es gibt 13 Zimmer und wir werden Olivenöl und Wein anbauen.“ So sitzt Ari auf dem Traktor statt dem Bike und lernt „so viel über die Landwirtschaft.“ Das Biken und die Gäste vermisst sie dennoch: „Ich bin nicht jeden Tag stark. Ich bin einen Tag traurig, einen Tag dankbar. Aber ich habe gemerkt, dass mich nur positive Gefühle weiterbringen.“

# Dieser Hof soll bald ein Agriturismo werden.
# Hier sollen Gäste unterkommen und es sollen auch Wein und Oliven angebaut werden.

Wie die Lage sich in den kommenden Monaten gestalten wird, kann sie nicht einschätzen. Ob zumindest im Herbst oder Winter wieder Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kommen? „Ich weiß es nicht. Wir werden sehen. Aber ich will endlich meine Gäste zurückhaben und nur noch auf dem Bike sitzen.“

Finale: Plan A, B, C, D, E …

Marco Power ist einer der drei Gründer von Ride On Noli, die in Finale Ligure seit 2012 guiden, shutteln und generell das Trail-Dasein im Hinterland prägen.

# Biken in Vor-Corona Zeiten

„Ich bin größtenteils zuversichtlich und optimistisch, aber es gibt auch viele Momente des Zweifels“, sagt Marco an dem Tag, an dem er das erste Mal wieder auf dem Bike sitzen darf. „Es ist wie ein übler Sturm auf hoher See. In dem steckt jetzt die ganze Welt. Manche haben gute Boote, manche schlechtere. Wir sind eine kleine Firma, wir haben nicht so viel Investition, aber sollte im Herbst eine zweite Welle kommen, werden wir es wohl nicht schaffen.“

Marco sagt, man bräuchte aktuell einen Plan A, B, C, D und E, „speziell bei uns in Ligurien, wo die Politiker gern reden und dann nicht handeln oder morgen wieder etwas anderes sagen.“ Trails konnten sie in den letzten Monaten natürlich auch nicht bauen. Dafür aber haben sie eine Vereinigung vorangebracht, in der sich rund 50 lokale Unternehmen organisieren: Shuttle-Services, Unterkünfte, Guides und Restaurants. Gemeinsam wollen sie neue Konzepte entwickeln, um den Outdoor-Sport in Finale voranzubringen. „Zu dieser Jahreszeit sind wir normalerweise ja super eingespannt. Jetzt hatten wir Zeit, Ideen weiterzubringen und Strukturen zu organisieren.“ Der offizielle Launch von FOR (Finale Outdoor Region) ist für Mitte Mai geplant.

# Ab sofort muss Signore Power …
# … alleine radeln.

Jetzt dürfen sie auch wieder in den Wald zur Wegepflege. „Vielleicht wird der Sommer ja was, vielleicht der Herbst. Es ist unmöglich zu sagen. Aber im März blutete uns das Herz bei jeder Email: alles Stornierungen. Jetzt blüht unser Herz auf, wenn eine Email reinkommt, weil die Leute schon wieder nachfragen, wie es uns geht und dass sie kommen möchten, sobald es möglich ist. Wir sind auf jeden Fall bereit. Auch wenn die Dinge dann erst einmal anders laufen müssen, wir nicht mehr so viel shutteln dürfen und vielleicht mehr auf dem eMTB sitzen. Aber ich saß heute seit Monaten das erste Mal wieder auf dem Bike. Ich sage euch – heute überwiegt definitiv der Optimismus.“

Österreich

Nauders: Platz für alle trotz Grenzen

Manuel Baldauf, Geschäftsführer von Nauders Tourismus, hat im Dreiländereck den Bike-Sport schon vor zig Jahren ganz weit oben auf die Agenda gesetzt. Die nahe Zukunft liest er aktuell im Kaffee.

Wie ein Tiroler Keil schiebt sich Nauders am Reschenpass zwischen die Schweiz und Italien. Das Dreiländereck ist ein sensationelles Bike-Gebiet und gerade in seiner Internationalität ja auch etwas Besonderes. Jetzt sieht sich die Region durch die mehrfache Regierungsabhängigkeit vor spezielle Herausforderungen gestellt.

# Nauders hat sich einen Namen als Trail-Paradies gemacht.

Manuel Baldauf ist Geschäftsführer bei Nauders Tourismus, selbst fanatischer Biker und einer derjenigen, der in Nauders den Touren- und Trail-Ausbau schon seit Jahrzehnten anschiebt. Die letzten Wochen habe er mit Kaffeesatzleserei zugebracht „und damit, mir doch mal wieder bewusst zu werden, was wir hier eigentlich haben. Wir sind ein kleiner Ort, haben keinen Massentourismus, dafür aber das weitläufigste Gelände, das man sich nur wünschen kann. Wen es jetzt eher in die Weite zieht, der kommt zu uns, wo sich alles verliert und es sich nicht so dicht drängt – auch wenn wir vielleicht die Grenze nach Südtirol nicht überfahren dürfen.“ Das wäre schon ein historisches Ereignis, sollte an den legendären Panzersperren auf der Plamort Hochebene tatsächlich Schluss sein.

# Die Hochebene Plamort ist auch die Grenze zwischen Italien und Österreich.

Wie auch immer sich dieser Sommer gestaltet, das Biken wird sicherlich an Bedeutung gewinnen, glaubt Manuel. Dass dem Bikesport die Zukunft gehört, sieht man in Nauders auch an den vielen Jugendlichen und Kids, die hier immer auf den Trails unterwegs waren. Im vergangenen Jahr fanden erstmals die Father & Son Days mit Holger Meyer statt. Jetzt im Winter lief die Anmeldungen für die 2020er Ausgabe so gut, dass sie in kürzester Zeit ausgebucht war. Ob das Event nun im August stattfinden kann, ist – selbstredend – ungewiss.

Saalbach: Es rollt wieder

Walter Höll eröffnet sein Spielberghaus in Saalbach-Hinterglemm am 11. Juni. Tochter Vali trainiert und lernt fleißig – Ende Mai steht die Matura an, aber auf ihre Premiere in der Elite-Klasse muss sie warten.

# Das Spielberghaus ist der Place-to-be für Radfahrer in Saalbach.

„Wir hatten Zeit ohne Ende und konnten alles picobello sauber machen“ – manche Sätze aus Walter Hölls Mund klingen nach Auszeitgenuss. Dann schnauft er aber wieder tief durch und man spürt die Belastung. Das Spielberghaus liegt einsam oberhalb von Saalbach-Hinterglemm. Die kleine Hütte hat die Familie in den Jahren Schritt für Schritt renoviert. Statt Lager gibt es hübsche Zwei- bis Vierbettzimmer. Storniert wurde natürlich dennoch bei dieser Unsicherheit über die Öffnung der Grenzen.

# Ob es solche Szenen dieses Jahr noch geben wird?
# Hund und Huhn belastet die aktuelle Situation sicherlich weniger als den weltweiten Tourismus.

Am 30. April wurde nun verkündet, dass die Bergbahnen in Saalbach am 11. Juni wieder öffnen werden und somit auch das Spielberghaus. „Wir hatten zwei Monate Zeit, alles herzurichten, statt wie sonst gut zwei Wochen. Aber langweilig war es uns noch keine Sekunde. Wir waren viel wandern und radlfahren. Das war superschön und entspannend, aber sonst sind wir in dieser Zeit immer in Italien unterwegs. Das italienische Urlaubsflair geht uns schon ab, aber bei uns war es einfach sensationell.“

Walters Frau Bine übt sich zudem als Frau Lehrerin für den 8-jährigen Junior, während Tochter Vali auf ihre Matura / Abitur Ende Mai hinbüffelt. Ansonsten macht sie „viel Stabi-Training und Ausdauergeschichten. Das Downhill-Training geht ihr schon ab. Für die Athleten ist es schon auch schwer. Die Motivation ist voll da, aber du bist halt so ein Rennpferd, das nicht aus dem Stall darf. Vali will schon schauen, wo sie bei der Elite steht“, sagt Walter über seine Doppelweltmeisterin, die 2020 erstmals in der Elite-Klasse starten würde. „Aber wir sind gesund“, schiebt er hinterher. „Keiner muss hungern und keiner muss frieren.“ Jetzt fiebert zumindest das Spielberghaus auf seinen Saisonstart hin.

Sölden: Die Biker buchen

Simon Gstrein ist Bike-Hotelier in Sölden und sperrt schon allein deshalb auf, weil „ich die Biker wieder um mich haben will. Ein Sommer ohne Bike-Feeling – was Trostloseres kann ich mir nicht vorstellen.“

# Die Bergkulisse rund um Sölden zeigt sich wenig beeindruckt von irgendwelchen Viren - die Tourismusbranche vor Ort dagegen schafft fleißig, um sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Nicht nur in Italien sind die Regionen darin gefordert, ihre Hoteliers zu motivieren, überhaupt aufzusperren. Wie soll man Personal organisieren und bezahlen, laufende Kosten, Werbung bezahlen, wenn man eine minimale Auslastung erwartet? Lohnt sich der Aufwand? Werden die Grenzen geöffnet?

„Wir sperren definitiv auf“, sagt Simon Gstrein, der als „Bäckelarwirt“ das wohl bekannteste Bike-Hotel in Sölden führt. Der 33-Jährige hat den Bikesport in Sölden massiv mit angeschoben und hat 2015 den Pumptrack „Rollin“ erbauen lassen, als die erste Line der Bike Republic entstand.

Bis zum 23. April herrschte in Sölden komplette Ausgangssperre. Dann wurden die Bikes rausgeholt und es begann das große Rollen – unter den Einheimischen. „Wir glauben voll an den Bike-Tourismus. Die Gäste im Sommer sind einfach anders. Die Biker sind einfach anders. Sie sind treu und reiseverrückt und solidarisch. Das Feedback war im Lockdown schon brutal. Du glaubst es nicht, aber bei uns buchen die deutschen Gäste, obwohl sie nicht wissen, ob die Grenzen öffnen werden.“

Es wird nicht so sein wie in den vergangenen Jahren, das weiß auch Simon. „Wir haben Gott sei Dank viel einheimisches Personal, das ist schon einmal sehr gut. Aber die Hygiene- und Schutzmaßnahmen sind von den Behörden noch nicht bis ins Detail ausgearbeitet. Wir werden auf jeden Fall eine Plexiglasscheibe an der Rezeption haben und das Personal trägt Masken – die Gäste allerdings nicht. Wir müssen auch die Buffet-Gestaltung und vieles andere überarbeiten. Aber die Stimmung wird sicherlich cool sein, gerade weil es anders ist und das eben auch emotional verbindet.“

Mittlerweile ist klar: Ab dem 11.06.2020 fahren die Bahnen in Sölden wieder am Wochenende. Ab dem 03.07.2020 sogar täglich.

Schweiz

Graubünden: Hoffnung auf den Katalysatoreffekt

Darco Cazin ist Chef von Allegra Tourismus, einer Beratungsagentur für Bike-Destinationen. Die Engadiner haben nicht nur viele der legendären Trails in den Alpen gebaut, sie prägen auch die Entwicklung der Bike-Infrastruktur massiv mit.

Die Schweiz hat sich dezent aus den Schlagzeilen herausgehalten. Im Vergleich zu Österreich und Italien hörte man wenig aus der Schweiz, wurde wenig kommuniziert. Die Lenzerheide verkündete erst Ende April die Absage ihres Bike-Openings und kurz darauf auch des UCI Mountain Bike World Cups – wobei man auf eine Verschiebung in den Herbst hinarbeitet.

„Die Events sind natürlich abgesagt“, erläutert Darco die Lage, „aber der Tourismus hat vergangene Woche einen Relaunch erfahren. Die Gastronomie und Hotellerie darf unter Einhaltung der Regeln ab dem 11. Mai wieder starten. Die Bergbahnen hingegen haben noch keine klaren Ansagen bekommen. Der definitive Entscheid folgt für sie wohl erst Ende Mai – und die Bikeparks hängen natürlich an den Bahnen.“

# Der XC World Cup in der Lenzerheide musste leider verschoben werden - auch der Tourismus ist noch nicht ganz angelaufen.

Darco ist überzeugt, dass der Bike-Sommer in Graubünden stark wird. „In den Bike-Shops steht das Telefon nicht mehr still. Die Leute wollen einfach noch mehr raus als je zuvor. Diese Phase ist ein extremer Katalysator für die Wertigkeit des Naturerlebnisses.“

Seit letzter Woche hat sein Unternehmen Allegra auch wieder mit dem Trailbau in Graubünden begonnen. „Hinter den Kulissen läuft es einfach weiter. Unsere Planungen für die Projekte in der Schweiz, aber auch in Österreich und Südtirol.“ Dennoch wurden Großaufträge aus allen Regionen querbeet gecancelt. „Wenn sowas auf dem Tisch liegt, sind die Aussichten für die Zukunft natürlich ungewisser, aber was willst du machen? Weiter geht’s. Natürlich werden auch wir als Allegra nach Corona anders aussehen – im Guten wie im Schlechten. Wir müssen Anpassungen vornehmen. Aber wir sehen das auch als Chance, uns neu auszuprobieren.“

So bieten sie virtuelle Beratungsstunden kostenfrei an „und das wird ungemein gut angenommen. Wir werden das sicherlich weiterverfolgen. Und besonders schön zu sehen ist, wie wir als Team noch mehr zusammengewachsen sind. Sonst arbeiten wir weit verstreut. Jetzt treffen wir uns virtuell jeden morgen um 8 Uhr zum Check-in und um 10 Uhr zum Kaffee. Jeder von uns glaubt an das, was wir tun. Wir wollen das weitermachen, weil es einen Wert, einen Sinn hat. Und das wird sich beweisen.“

# Wohin geht die Fahrt 2020?

Wie seht ihr die Lage für die sommerlichen Bikeausflüge?

Fotos: Privat; Sebastian Hofer
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