Wir haben das neue Cannondale Moterra in Kirchberg einem ersten Test unterzogen. Das e-Bike kommt massig daher. Mit dem vollintegrierten Akku, den dicken Plus-Reifen und dem komplexen Unterrohr liegt es optisch näher an einem E-Motorrad als einem Mountainbike. 130 mm Federweg wirken hier fast schon fehl am Platz. Aber ist das so? Wir haben das Moterra den Berg hinauf und hinab gescheucht und waren überrascht.
Mit der Moterra Plattform wagt sich Cannondale in den e-MTB Sektor. Gleich 2 neue e-Bikes stellten die Amerikaner vor kurzem auf den Eurobike Mediadays vor. Auf Basis eines Bosch Mittelmotors wurden das Moterra und das Moterra LT entwickelt. Die beiden Räder unterscheiden sich vor allem im Einsatzbereich. Während das Moterra auf den Allround Einsatz getrimmt ist und mit 130 mm Federweg und B+ Bereifung bestückt ist, soll das Moterra LT mit 160 mm Federweg und klassischer 27,5″ Bereifung für den harten Enduro Einsatz gedacht sein.
„Wir wollten ein E-MTB entwickeln, das ein einzigartiges, erstklassiges Fahrverhalten bietet, wie es von einem Cannondale Mountainbike erwartet wird. Wir gingen von unseren grundlegenden Konstruktionsprinzipien für Fullys aus und haben die E-Technologie so angepasst, dass alles optimal zusammenpasst. Das Ergebnis ist ein vollgefedertes E-Mountainbike, das mehr abgeht als jedes andere E-Bike auf der Welt.“ – Scott Rittschof
Cannondale Moterra: Kurz und knapp
- Si Motorhalterung
- Ai Kettenblatt (Asymmetrische Integration)
- Torsion Box Unterrohr
- Motorschutzplatte und Bat Strap
- Onboard Lademöglichkeit
- SmartForm C1 Alu Konstruktion
- Carbon Umlenkhebel
- kurze Kettenstreben
- Platz für Trinkflasche
Am Anfang der Entwicklung setzte man sich bei Cannondale vier Ziele:
- Optimale Platzierung des Hauptdrehpunkts
- kurze Kettenstreben
- tiefer Schwerpunkt
- Platz für einen Flaschenhalter
Mit der klassischen Motor-Abdeckung bzw. Rahmenhalterung war es nicht möglich, kurze Kettenstreben zu realisieren. Deshalb wurde die Si Motorhalterung entworfen, um den Motor besser in den Rahmen einpassen zu können. Sie soll mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, dank einer Aussparung und einer leichten Drehung des Motors lässt sich der Drehpunkt näher an das Motorgehäuse setzen und erlaubt somit kurze Kettenstreben. Das Moterra LT kommt so auf 443 mm lange Kettenstreben, das Moterra auf 457 mm und ist somit kürzer als das Levo von Specialized mit 459 mm.
Um eine gute Kettenlinie realisieren zu können, wird am Hinterbau nicht wie üblich Boost 148, sondern 157 mm Einbaubreite verwendet. Der aus dem Downhill Bereich bekannte Standard soll zusammen mit dem hauseigenen Si Kettenblatt eine optimale Kettenlinie ermöglichen.
Das Unterrohr sollte so gestaltet werden, dass der Schwerpunkt des Rahmens sich nicht zu viel verschiebt und weiterhin tief und zentral bleibt. Der Akku wurde dafür in eine gute Lage gebracht, bevor man den Rohrsatz darum designte. Als nächstes wurde das Unterrohr so angelegt, dass es alle Teile miteinander verknüpft. Für den Akku wurde schließlich noch eine Hülle aus Alu in das Unterrohr integriert. Das Gesamtsystem hört auf den Namen Torsion Box, der Name verrät bereits: Die Konstruktion soll mit großer Steifigkeit auftrumpfen. Durch das aufwändig geformte Unterrohr wurde gleichzeitig Platz für den Flaschenhalter geschaffen und somit Ziel 4 von 4 erreicht.
Am Moterra finden sich aber auch weitere Detaillösungen und interessante Ansätze. Der Motor ist durch eine Schutzplatte gegen Steinschlag und Aufsetzer geschützt. Der sogenannte Bat Strap, ein Gummi-Gurt, ist als zusätzlicher Schlagschutz für den Akku gedacht und sichert diesen zusätzlich gegen Herausfallen, wenn man die Arretierung oben gelöst hat. Trotz der Schutzmaßnahmen bleibt die Onboard Lademöglichkeit, die sich an unserem Prototypen Rad allerdings als eher fummelig und weniger einfach bedienbar zeigte. Als Rahmenmaterial verwendet Cannondale das sogenannte Smartform C1, die Umlenkwippe ist aus Carbon gefertigt. Um die Kette sicher auf dem Kettenblatt zu halten, gibt es außerdem eine Kettenführung.
Cannondale Moterra: Auf dem Trail
Einer der bekanntesten Trails in Kirchberg ist der Fleckalmtrail. Die meisten Nutzer reihen sich hier gerne am Lift ein, um die 1000 Höhenmeter Aufstieg hinter sich zu bringen. Mit dem Moterra stellt sich diese Frage gar nicht – wir biegen entspannt auf die Straße gen Berg ein.
Uphill
Man kann bequem durch die verschiedenen Stufen der Unterstützung wechseln und den Berg hinaufschießen oder etwas ruhiger – und akkuschonender – in einem niedrigeren Modus nach oben cruisen. Auf der Straße bietet sich hier kein wirklich interessantes Bild, also biegen wir in den nächstbesten Forstweg ein, welcher auch gleich mit ordentlich Anstieg aufwartet.
Lose Steine, die an einem regulären Mountainbike oder einem E-Bike mit „schmaler“ Bereifung gerne mal für ein durchdrehendes Hinterrad sorgen, kennt man an der Moterra-Version mit der Plusbereifung nicht. Kleine Unebenheiten schluckt der Reifen weg, bevor die Federelemente überhaupt anfangen müssen zu arbeiten und man profitiert von einem extremen Gripzuwachs. Diesen lernen wir bald zu schätzen, als der so liebliche Forstweg sich in eine Harvesterschneise mit tiefem Matsch und querliegendem Geäst verwandelt. Wir bleiben zuversichtlich, lehnen uns nach vorn, erhöhen die Unterstützung auf Turbo und das Cannondale marschiert nach oben, als wäre es auf einer Asphaltstraße unterwegs. Beeindruckend!
Leider wird der Weg bald unpassierbar. Selbst mit einem normalen Mountainbike hätte man hier eine schweißtreibende Kletter/-Trageaktion durchs Unterholz absolvieren müssen um diesem Weg zu folgen. Wir entschließen uns zur Umkehr, um es an einer anderen Stelle zu versuchen.
Unsere Abenteuerlust ist ungebrochen und so geben wir uns nicht mit der regulären geteerten Straße zufrieden. Es soll schon ein Uphill-Trail sein. So landen wir alsbald auf einer Abkürzung nach oben – sehr steil und primär von Kühen benutzt. Tiefe Löcher, rutschiger Untergrund – auf den ersten Blick unfahrbar. Wirklich? Die Plusreifen sorgen für ordentlich Kontaktfläche und die Stollen des Nobby Nic sind ebenfalls nicht von der kleinen Sorte. So fühlen wir uns ein wenig wie beim Hillclimb in Rachau, während wir immer steilere Rampen erklimmen.
Bergab
Das hohe Gesamtgewicht schiebt ordentlich. Auf den ersten Metern des Fleckalmtrails erfahren wir auch ohne Reintreten eine ordentliche Beschleunigung. Satt wie ein Geländewagen liegt das Moterra auf der Piste. Von Bremswellen oder Wurzeln zeigt es sich komplett unbeeindruckt. Voluminöse Reifen in Kombination mit einem straff abgestimmten Fahrwerk sorgen für maximalen Fahrspaß. Das Gewicht des Bikes empfindet man teilweise nicht als störend, sondern als beruhigenden Faktor. Die Plusreifen, die auf sehr leichten Mountainbikes gerne zum ungedämpften hüpfen neigen werden durch das Gewicht von oben vorgespannt und sorgen für kontinuierlichen Grip.
Kurvenfahrt
Nicht jede Kurve ist ungebremst fahrbar. So auch auf dem Fleckalmtrail: Einige waren technisch eng und mit schmierigen Wurzeln übersäht. Wer seinen Bremspunkt nicht etwas weiter vor die Kurve legt, wird große Augen bekommen, denn die schiere beschleunigte Masse des Bikes schiebt bis zuletzt und möchte zeitig verlangsamt werden. Werden die Kurven offener spielt das weniger eine Rolle. Selbst auf Brechsand rutscht das Rad keinen Millimeter. Nicht mal beim Einsatz der Bremsen verliert es Traktion. Man kann es richtig laufen lassen.
Federung
Eine 34 Fit4 und ein Float X aus dem Hause FOX stellen am Cannondale Moterra 130 mm Federweg zur Verfügung. Das klingt nicht nach viel, fühlt sich auf dem Trail aber oft nach mehr als genug an. An die verschiedenen Modi für Klettern oder Lockout verschwendet man nicht wirklich viele Gedanken. Wir waren zugunsten des Grips im Uphill und Downhill fast gänzlich offen unterwegs.
Lediglich bei hohen Geschwindigkeiten in rauhem Gelände mit vielen Schlägen wünschte man sich eine etwas höhere Dämpfung im System. Wer das Rad in diesem Bereich bewegt, sollte allerdings auch dringend über einen Vollhelm nachdenken, denn diese Geschwindigkeiten ähneln eher einem Enduro-Motorrad als einem Mountainbike.
Antriebssystem
Das Antriebssystem des Moterra kommt aus dem Hause Bosch. Der Bosch Performance CX 250 W lässt sich in 4 Modi fahren; im schwächsten Modus, dem ECO Modus, bringt der Motor maximal 40 Nm Drehmoment zustande. Im Tour-Modus sind es schon 50 Nm, im Sport Modus 60 Nm und im Turbo Modus liefert der Motor 75 Nm. Bis 25 km/h unterstützt der Motor. Der Akku, ein Bosch Powerpack mit 500 Wh, hielt überraschend lange. Nachdem wir an einem Bike mit nur 2 Strichen gestartet sind, hatten wir trotz der steilen Rampen und der Sackgasse auf dem Weg nach oben noch genug Akkuleistung um nach oben zu kommen und später auf dem Parkplatz noch ein paar Runden auf dem Hinterrad zu drehen. Die Bedienbarkeit des Antriebssystems funktioniert über das Display und die Schaltknöpfe denkbar einfach.
Cannondale Moterra: Fazit
Geschmackssache, sagte der Affe und biss in die Seife: Das optische Erscheinungsbild des Cannondale Moterra polarisierte. Den einen gefiel der martialische Anblick, den anderen wäre eine dezentere Optik im Stile des Specialized Levo lieber. Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten. Rein von der Performance hinterließ das Moterra einen ziemlich „fetten“ Eindruck: Wo man bei normalen Mountainbikes mit Plusbereifung noch mit vielen Nachteilen beim idealen Setup zu kämpfen hat, profitiert das Moterra immens von den dickeren Reifen. Es ermöglicht einem die Erschließung völlig neuer, unwegsamer Trails, die weder mit dem Mountainbike noch mit einem E-Bike mit regulärer Bereifung kletterbar wären. Mit diesem Konzept eröffnet das Cannondale Moterra einen komplett neuen Einsatzbereich.
Weitere Informationen
Cannondale Moterra Ausstattungsvarianten
Modell | Moterra 1 | Moterra 2 | Moterra 3 |
Federweg | 130 mm | 130 mm | 130 mm |
Federgabel | Fox Float 34 Factory | Rock Shox Yari RC, 130 mm | Rock Shox Sector Silver RL, 130 mm |
Dämpfer | Fox Float EVOL Factory | Rock Shox Monarch R DebonAir | Rock Shox Monarch R DebonAir |
Motor | Bosch Performance CX | Bosch Performance CX | Bosch Performance CX |
Akku | Bosch PowerPack 500 Wh | Bosch PowerPack 500 Wh | Bosch PowerPack 500 Wh |
Laufräder | DT Swiss XM 551 Felgen, Formula Disc Naben, DT Swiss Champion Speichen | WTB Scarper i45 Felgen, Formula Naben, DT Swiss Champion Speichen | Cannondale Beast Felgen,Formula Naben, DT Swiss Champion Speichen |
Reifen | Schwalbe Nobby Nic Snakeskin, 27,5x2,8" | Schwalbe Nobby Nic Snakeskin, 27,5x2,8" | Schwalbe Nobby Nic Snakeskin, 27,5x2,8" |
Kurbel | FSA CK-745/IS 170mm | FSA CK-745/IS 170mm | FSA CK-745/IS 170mm |
Schaltwerk & Trigger | Shimano XT 11 fach | Shimano SLX 11 fach | Shimano Deore 10 fach |
Kassette | Shimano SLX 11-42t, 11 fach | Sunrace 11-42t, 11 fach | Sunrace 11-40t, 10 fach |
Kette | Shimano HG601 11 fach | Shimano HG601 11 fach | Shimano HG54 10 fach |
Cockpit | 60 mm Cannondale C1 Vorbau, 780 mm Cannondale C2 Lenker | 60 mm Cannondale C1 Vorbau, 780 mm Cannondale C2 Lenker | 55 mm Cannondale C3 Vorbau, 780 mm Cannondale C2 Lenker |
Steuersatz | Cannondale HeadShok Si | Tange Seiki | Tange Seiki |
Bremsen | Shimano XT Ice Tec 203/180 mm | Shimano SLX Ice Tex 203/180 mm | Shimano Deore 180/180 mm |
Sattel | Fabric Scoop Elite | Fabric Scoop Elite | Fabric Scoop Elite |
Sattelstütze | Kindshock LEV Integra 100 mm Gr.S, 125 mm Gr.M, 150 mm Gr.L,XL | Kindshock LEV Integra 100 mm Gr.S, 125 mm Gr.M, 150 mm Gr.L,XL | Cannondale C3 |
Größen | S, M, L, XL | S, M, L, XL | S, M, L, XL |
Gewicht | 22,4 kg | 22,6 kg | 23,4 kg |
Preis | 5999 € | 4999 € | 3999 € |
Cannondale Moterra LT Ausstattungsvarianten
Modell | Moterra LT1 | Moterra LT2 |
Federweg | 160 mm | 160 mm |
Federgabel | Fox Float 36 Factory | Rock Shox Yari |
Dämpfer | Fox Float Factory | Rock Shox Monarch RT |
Motor | Bosch Performance CX | Bosch Performance CX |
Akku | Bosch Powerpack 500 Wh | Bosch Powerpack 500 Wh |
Display | Purion | Purion |
Schaltgruppe | Shimano XT M8000 | Shimano SLX M7000 |
Bremsanlage | Shimano XT M8000 | Shimano SLX M7000 |
Gewicht | 23,4 kg | 23,4 kg |
Preis | 5999 € | 4999 € |
Webseite: www.cannondale.com/de-DE/Europe
Text & Redaktion: Thomas Paatz, Christoph Spath, Jens Staudt | eMTB-News.de 2016
Bilder: Jens Staudt