Canyon.Home
„Da steht ja das Bike von Nairo Quintana!“ – sagen wir staunend.
Das Canyon.Home ist ein großer Gebäudekomplex in dem Serviceabteilung, Servicewerkstatt, Produktentwicklung, Geschäftsleitung und unzählige weitere Büros untergebracht sind. Als Endkunde hat man hier die Chance, die Marke Canyon hautnah zu erleben, denn an der Front des Gebäudes erstreckt sich der große Showroom von Canyon. In der modern gestalteten Halle fühlt man sich sofort wohl. Die Innenarchitekten haben einzelne kleine Inseln, Canyon nennt sie „Monolithen“, geschaffen, durch die der Besucher geschickt hindurch gelotst wird – hier wird Canyon als Marke für den Kunden greifbar. Auf den ersten Metern sind einige Exponate von VIP-Bikes ausgestellt und man kann deutlich sehen, dass mit Canyon schon einige Male Sportgeschichte geschrieben wurde. Bei einem leckeren Cappuccino können hier Fach- und Verkaufsgespräche geführt werden. Wir sehen einige Kunden, die ihr Bike lieber persönlich abholen, wie sie gemeinsam mit Canyon-Mitarbeitern ein Setup am bestellten Bike durchführen und es anschließend auf den Heckträger am Auto zurren.
Canyon.Factory
„Bis du dem System mal begreiflich gemacht hast, dass jetzt auch Gefahrgutstoffe eingelagert werden müssen, puh, das kann echt Nerven kosten.“ – Mario Herbold, Direktor der Produktion bei Canyon
Mehr als 400 Bikes pro Tag, die müssen irgendwo gebaut werden. Grund genug für den Hersteller aus Koblenz mit der Canyon.Factory eine der modernsten Produktions- und Fertigungshallen Deutschlands aus dem Boden zu stampfen. Mit ca. 22.000 qm ist die im Herbst 2015 eingeweihte Produktionshalle groß genug, damit hier täglich bis zu 400 Bikes fahrfertig produziert werden können. Die Betonung liegt auf F-A-H-R-F-E-R-T-I-G! Anders als die Räder vieler Mitbewerber, deren Bikes über den Fachhandel zum Endkunden gelangen, müssen die Bikes, die Canyon verschickt bereits komplett aufgebaut und fahrfertig sein. Sicherheitsrelevante Verschraubungen beispielsweise werden bei der Qualitätskontrolle mit einem digitalen Drehmoment-Schlüssel angezogen und die Daten landen Bikebezogen in einer Datenbank. Jede Warensendung, die angeliefert wird, bekommt einen eigenen QR-Code der es ermöglicht, die Bauteile geschickt im Hochregallager zu platzieren und schnell der Produktion zuführen zu können.
Wenn Canyon jetzt E-Bikes baut, kommen einige neue Komponenten dazu. Wobei ein Produkt hier lange Kopfzerbrechen bereitet hat: Der Akku. Die Lagerung von Akkus in größerer Stückzahl ist nicht ganz einfach und es war ein größerer Kraftakt, bis das Lagersystem kapiert hat, dass nun auch Gefahrgutstoffe hier lagern müssen und dürfen.
Canyon Spectral:ON – die Entwicklung
„Lange Zeit war es nicht möglich ein eMTB zu bauen, dass unserem Credo – PURE CYCLING – gerecht wird.“ – Roman Arnold, CEO von Canyon
Auf dem Markt wurde lange darüber gemunkelt, wann Canyon denn endlich ein E-Bike bringen wird. Es wurden Stimmen laut, die behaupteten, dass die Koblenzer einfach keinen Bock auf eMTBs haben, man den Transport zum Kunden nicht hinbekommen würde oder man bei Canyon den Trend schlichtweg verpennt habe. Alles falsch, denn hierfür gibt es eine einfache Erklärung, die uns Roman Arnold (Gründer und Geschäftsführer von Canyon) im persönlichen Gespräch verrät. „Pure Cycling“ ist erst mit dem kleinen Shimano Steps E8000-Motor (wir berichteten) möglich geworden. Dieser Motor kam 2016 auf den Markt und stürmt seitdem den Fachhandel und die Herzen der Fans. Mit einem variablem Trailmodus und per App einstellbaren Unterstützungsstufen kommt er dem „natürlichem“ Fahrgefühl sehr nah. Wichtiger war aber den Ingenieuren bei Canyon die kleine Bauform dieses Motors. Dank des kleinen Einbauvolumens konnten sie nämlich eine Geometrie generieren, die einem normalen Trailbike gleicht. Mit 430 mm kurzen Kettenstreben und einem tiefen Schwerpunkt ausgestattet, spielt sich das Spectral:ON – das lässt sich vermuten – über den Trail.
Vincenz Thoma, neben Lorenz Lay mitverantwortlicher Ingenieur für das Spectral:ON, sagt uns hierzu:
„Dank der kompakten Bauweise eines Shimano-Motors ist es endlich möglich ein echtes E-Mountainbike zu bauen.“
Knapp drei Jahre hat ein 5 köpfiges Team um Lorenz Lay am Spectral:ON, dem ersten E-Bike von Canyon, getüftelt. Es wurden Prototypen gebaut, Skizzen gemacht, Ideen erdacht und wieder verworfen, 29″ Laufräder eingebaut, 27,5″ Plusreifen montiert und letztlich stand irgendwann das finale eMTB von Canyon. Lange wurde mit dem internen Akku von Shimano herum experimentiert, um eine Vollintegration zu ermöglichen. Da, neben der einfachen Entnahme und dem damit verbundenen Kundenvorteil, auch die Reichweite eine erhebliche Rolle im Konzept des Spectral:ON gespielt hat, wurde schnell klar, dass dieser integrierte Akku nur schwierig im Rucksack als Zweitakku zu transportieren ist. Nach einer längeren Findungsphase warf man den Gedanken Akku-Vollintegration über Bord und entschied sich für eine Teilintegration des normalen Shimano Steps BT-E8010-Akku. Dieser ist etwas leichter und deutlich kleiner als der Shimano Steps Akku BT-E8020, liefert aber die gleiche Leistung und ist einfach zu tauschen. Zudem spart die jetzige Konstruktion ein wenig Gewicht.
„Die Reichweite ist ein riesen Thema. Ohne Zusatzakku im Rucksack fahre ich gar nicht los.“ – Christoph Listmann, Leitung Research & Development Team bei Canyon
Viel Gehirnschmalz floss in das Thema „Uphill-Performance“. Hierfür wurde dem Spectral:ON neben einem vollkommen neu konstruiertem eMTB-Sattel, auch ein Geo-Adjust spendiert. Dank diesem kleinen Detail auf der Unterseite des Oberrohrs hat der Fahrer die Möglichkeit, je nach Topografie und persönlichen Vorlieben, den Sitz- und Lenkwinkel um +/-0,8° zu verstellen und zeitgleich die Tretlagerhöhe um 11 mm zu verändern. Hierfür muss nur die Schraube an der oberen Dämpferaufnahme etwas lose gedreht werden, schon kann man das eMTB am Sattel anheben oder absenken und verstellt somit den Sitz-/Lenkwinkel und Tretlagerhöhe. Das macht Sinn, wenn man beispielsweise einen Uphill von 800 hm am Stück vor sich hat oder generell lieber flache/steile Geometrien mag.
Auch beim dem Thema Sattel-Ergonomie haben sich die Koblenzer etwas einfallen lassen. Wie wir in einem früheren Artikel bereits ausführlich beschrieben haben (hier geht’s zum Artikel), fährt man auf dem E-Bike viel mehr im sitzen und es braucht deshalb eine viel ergonomischere Sitzmöglichkeit. Der Sattel des Spectral:ON bekam eine extralange Rail, um ihn möglichst weit vorne positionieren zu können und wurde am Ende mit einem Spoiler versehen, der den Druck gegen den Sattel im extrem steilen Anstieg spürbar verbessert. Dazu kam noch eine breite abgeknickte Sattelnase, die die Belastungen minimieren soll, wenn man doch einmal sehr weit vorne auf dem Sattel sitzt.
Hier die Modelle im Überblick
Den ausführlichen Testartikel des Spectral:ON findet ihr hier.
E-Bikeguard – mehr als ein Karton
„Schon in kurzer Zeit, wird es normal sein, auch E-Bikes im Internet zu kaufen.“ – Dr. Michael Kaiser, Managing Director / CTO
Das Thema Service und Versand steht bei einer Firma wie Canyon, dessen Geschäftsmodell auf dem Internet-Versandhandel beruht, ganz oben im Lastenheft. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass man sich hier ein ganzes Jahr mit der Entwicklung eines speziellen E-Bike-Kartons beschäftigt hat. Zum einen muss das E-Bike sicher transportiert werden, zum anderen muss es kundenfreundlich verpackt sein und soll ohne großen Aufwand fahrbereit sein.
Dr. Florian Imgrund, Project Manager Sales & Marketing und mitverantwortlich für die Entwicklung des E-Bikeguards sagte uns:
„Unser eMTB muss schnell und sicher zum Kunden kommen. Wenn Probleme auftreten muss das Servicepersonal qualifiziert helfen können.“
Nach einer breit aufgestellten Analyse-Phase wurde klar, dass Canyon zusätzlich zum Produkt auch das Service-Angebot verständlicher gestalten und es deutlicher kommunizieren muss. Der E-Bike-Käufer erhält vom geschultem Service-Personal beim und nach dem Kauf am Telefon jedwede Unterstützung. Als international agierender Versender hat Canyon die Logistik-Anbieter als Partner, die den Transport von E-Bike und Akku sicher und schnell machen. Mit DHL Freight wird das E-Bike zuverlässig zum Kunden transportiert und kann vom Kunden auch zurück an Canyon gesendet werden. Die Kosten für den Versand belaufen sich beim Spectral:ON so hoch wie beim motorlosen Bike von Canyon. Zwar sind die Kosten durch das höhere Versandgewicht und den E-Bikeguard für Canyon deutlich höher, aber die Philosophier hierbei ist, dass sich die E-Bikes nahtlos in das bestehende Portfolio eingliedern sollen. Finden wir gut!
Der Transport eines eMTBs stellte das Team um Dr. Florian Imgrund vor vollkommen neuer Herausforderungen. Das Produkt im Karton ist deutlich schwerer und es hat einen Akku, der bekanntermaßen als Gefahrgut beim Versand gilt. Deshalb entwickelte man bei Canyon den E-Bikeguard – ein innovativer, sicherer und wiederverwendbarer Karton, der beim E-Bike-Versand den Benchmark setzt. Dank pfiffiger Details kann das eMTB sicher transportiert, einfach ausgepackt und – bei technischen Problemen – auch wieder zurückgeschickt werden. Der dreiteilige Karton wird über wiederverschließbare „Schlösser“ geöffnet und verschlossen. Auf der Oberseite ist in bunten Grafiken gut bebildert und erklärt, wie der Karton funktioniert. Auch an den Lieferanten wurde gedacht, denn es befinden sich auf jeder Seitenwand großvolumige stabile Griffe, die es erheblich erleichtern den schweren E-Bikeguard mit verpacktem E-Bike in und aus dem Lieferwagen zu bugsieren. Einmal geöffnet, findet man den Quick-Start-Guide, eine Art Bedienungsanleitung, die mit smarten übersichtlichen Zeichnungen genau erklärt was wie zu tun ist. Dieser Guide ersetzt zwar keine ausführliche Bedienungsanleitung, aber er erklärt die Erstinbetriebnahme auf leicht verständliche Art und Weise. Unser Tipp: Baut man unter den E-Bikeguard Rollen, dann hat man einen 1A-Flugkarton.
Bei der Anlieferung des neuen E-Bikes wird der Akku im Original Shimano-Gefahrgutkarton gemeinsam mit dem E-Bikeguard angeliefert. Das Thema Gefahrguttransport musste hier beachtet werden. Es gab Ideen, den Akku gesondert anzuliefern, dies wäre aber weder im Sinn des Kunden, der sein eMTB auspacken und sofort fahren will, noch im Sinne der Canyon-Crew gewesen, die einen zufriedenen Kunden haben möchte. Der Käufer bekommt also Akku und E-Mountainbike in einer Lieferung und kann nach Aufbau sofort starten.
Wie läuft ein Rücktranspport im Servicefall?
Der Kunde kontaktiert den Kundenservice von Canyon – per Chat, Telefon, E-Mail oder Webformular – in der jeweiligen Ländersprache. Hier wird er über umfassend über die Möglichkeiten beraten und unter Umständen können kleinere Defekte hier schon geklärt werden oder lassen sich per Self-Serivce lösen. Falls der Kunde einen Technischen Service von Canyon im jeweiligen Ländermarkt wünscht, beauftragt der Kundenberater den Versand des E-Bikes über DHL Freight, den Logistikpartner von Canyon. DHL Freight klärt anschließend direkt mit dem Kunden den Pick up-Termin (Avisierung), holt das verpackte eMTB vor Ort ab und liefert es letztendlich zu Canyon innerhalb des jeweiligen Ländermarkts. Falls der Kunde seinen E-Bikeguard nicht aufgehoben hat, schickt Canyon ihm vor der Service-Retoure einen Leerkarton zu. Beim Rücktransport empfiehlt Canyon dem Kunden, den Akku am Bike zu belassen. Dies ist für den Käufer viel bequemer und praktische, zudem ist der Akku auch „aufgeräumt“.
Kosten für den Rücktransport
Wenn das Spectral:ON zurück zu Canyon muss entstehen Kosten. Wer diese trägt kommt auf den Grund der Rücksendung an. Hier müssen generell drei Fälle unterschieden werden:
- Rückgabe innerhalb der 30-Tage: kostenlos für den Kunden
- Service-Retoure in Gewährleistungsfällen: kostenlos für den Kunden
- Service-Retoure (z.B. Inspektion, Reparatur): Höhe der Versandkosten richtet sich nach dem jeweiligen Land
Meinung @eMTB-News
Eins muss man Canyon lassen: mit dem Spectral:ON und dem E-Bikeguard unterstreichen die Koblenzer ihre visionäre Kraft in Sachen Design, Entwicklung, Service und Kundennutzen. Hier wurde sich Zeit genommen, um ein Produkt zu entwickeln, dass für den sportlichen Mountainbiker wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passt und mit Details besticht, die es bis dato so nicht am E-Bike gegeben hat.
Der E-Bikeguard und das Paket, dass der Käufer mit dem geschulten Servicepersonal beim Kauf dazu bekommt, ist schon bei der Kaufentscheidung ein grundlegender Bestandteil und dürfte den ein oder anderen Interessenten von Canyon überzeugen.
Wart ihr selbst einmal bei Canyon in Koblenz? Wusstet ihr wie riesig und modern die Canyon.Factory ist?
60 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumHab übrigens auch das Kato FS 6 hybrid. Sehr geiles Bike ansonsten...
Da würde ich auf jeden Fall mal einen anderen Akku ausleihen und vergleichen. Das erscheint mir dann doch sehr wenig .
Ich habe auch das Kato FS6 und bin am WE 60km mit 1200hm gefahren und hatte noch 2 Balken übrig.
OK der letzte Balken ist für die Katz, wenn der erreicht ist, ist der Akku schnell komplett leer.
Meine Kondition ist miserabel und ich gehöre zu der Ü100kg Fraktion.
Ich achte aber beim Fahren darauf nicht unter 80er Trittfrequenz zu treten.
Ab 80 soll der Motor am effizientesten sein.
Wechselakku krieg ich nächste Woche. 80er Frequenz, puh, ganz schön schnell. Aber von deiner beschriebenen Akkuleistung träum ich...
Ich vermute, es könnte auch genau umgekehrt sein.
Beim Velo ist die eigenleistung bei gleicher Geschwindigkeit immer gleich, ganz egal mit welcher Kadenz gefahren wird.
Die Gemengelage beim eMTB ist komplexer. Je näher die Kadenz am optimalen Wirkungsgrad des Motors ist, desto weniger Eigenleistung ist erforderlich. Natürlich gleicht der Motor schlechten Wirkungsgrad durch erhöhte Stromzufuhr aus, aber nur bis es im zu heiss wird resp. der Akku nicht mehr Ampere liefern kann.
In Bezug auf die Reichweite ist klar der höhere Wirkungsgrad der entscheidende Faktor.
Der Drehmomentsensor schaltet bei hohem Pedaldruck mehr Kraft frei, also stellt der Motor bei tiefer Kadenz mehr Leistung zur Verfügung. Allerdings kann der Hersteller eine Korrekturkurve hinterlegen - damit bei sehr hoher Kadenz und entsprechend geringem Pedaldruck nicht in die nächsthöhere Stufe geschaltet werden muss.
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