Der Chiemgau King – eine Königstour mit knapp 200 Kilometern und ca. 5.200 Höhenmetern – vereint die schönsten Trails der Chiemgauer Alpen und lässt sich mit dem eMTB (eKrone) bewältigen. Sinngemäß ist der Chiemgau King die bayerische Antwort auf die legendären Stoneman-Trails. Vroni ist die Tour gefahren und hier haben wir ihren Erfahrungsbericht für euch.
Samstag geht’s los
Wir treffen uns am Samstagmorgen mit Andi Huber, dem Schöpfer der Mountainbike Rundtour Chiemgau King. Mit ihm zusammen wollen wir in den nächsten zwei Tagen die Trail Plus Variante mit dem E-Mountainbike erkunden. Rund 5.200 hm auf gute 200 km stehen uns bevor. Auch Andi selbst ist seine Runde noch nicht in diesem Modus gefahren. Seppi fährt mit einem geliehenen E-Fully, einem nagelneuen Specialized Turbo Levo FSR 6Fattie. Deshalb wird es spannend: Wie teilen wir uns unsere Amperestunden ein, wo laden wir auf, in welcher Unterstützungsstufe können wir fahren? Das ist vor allem für mich, die Frau in der Runde, entscheidend. Seppi und Andi sind zwei trainierte Mountainbiker, ich zähle eher zu den ambitionierten Hobbysportlerinnen. Dafür bin ich leichter als die Jungs und beschließe daher, dass ich mir bei den Anstiegen den Tour-Modus meines Bosch Motors erlauben kann.
Nach den letzten Absprachen geht es zum Einrollen über Teer und Kies erst mal hoch zur Bründling Alm. Das Gefühl von Teer unter den Reifen werden wir heute nicht mehr allzu oft spüren. Am Chiemgau King Checkpoint dürfen wir auf dem aufwendig bearbeiteten Baumstumpf den ersten Buchstaben in unsere Sammelkarte hämmern und bewundern die Aussicht auf Hochfelln und ins Alpenvorland. Hier denken wir schon „Mei, is des schee“. Dabei ist das erst der Anfang der fast unwirklich schönen Szenerien, spektakulären Ausblicke und malerischen Landschaften, die uns erwarten.
Nach einer kurzen Abfahrt müssen wir eine steile Auffahrt mit losem Untergrund zur Vorderalm überwinden. „Des is ohne Motor scho zach“, erklärt uns Andi. Ich bin froh um meine 3 Zoll und Tour-Modus, so wühle ich mich jede Rampe hinauf. Das Gebiet zwischen Vorderalm und Staudacher Alm liegt wie für einen Heimatfilm gemacht unter den steilen Nordabbrüchen des Hochgern. Teilweise führt unser Weg über Stege durch das Hochmoor, teilweise durch einen verwunschenen Märchenwald. Und es wird noch besser: Der Übergang zum Schnappenkircherl ist mit dem eBike ein Traum, auf einem schmalen Waldpfad ein Auf und Ab über Stock und Stein, bis völlig unvermittelt die Kapelle aus dem Wald auftaucht. In ihrer exponierten Lage blickt sie auf den Chiemsee, mit seinen beiden Inseln und zahlreichen Segelbooten. Zu viel Zeit können wir uns nicht lassen, also holpern wir bald einen steinigen Wirtschaftsweg, der später in einen flowigen Waldtrail übergeht, hinunter ins Achental.
Im Tal überqueren wir die Tiroler Ache und tauchen für uns völlig unerwartet wenig später in ein Trail-Paradies ein. Für mich als Einheimische war die Kendlmühlfilzen bisher nur ein schwarzer Fleck auf der Landkarte. Dass sich durch diese Moorlandschaft ein Wegenetz von schmalen Pfaden und kleinen Brücken schlängelt, hatte ich nicht erahnen können. So entdecken wir auf dem Chiemgau King auch unsere Heimat nochmal ganz neu.
Akkustand checken, noch gut zwei Striche, hmmm. Können wir damit die gut 700 hm zur Schlechtenberg Alm, die ich so gern mag, schaffen? Ich als gnadenloser Optimist beschließe, dass das geht. Aber schon an der Seiseralm kann ich die – mal wieder – grandiose Aussicht auf den Chiemsee nicht mehr recht genießen, denn ich sehe, dass es knapp werden könnte. Also wird der lange und steile Anstieg mit Hunger und Eco-Modus dann doch recht anstrengend. An der Schlechtenberg Alm ist mein Magen leer und mein Akku noch leerer. Leider muss uns die Wirtin enttäuschen, für drei Ladegeräte hat sie keinen Strom. Mist. Gott sei Dank ist Andi ein vorbildlicher Guide und überlässt mir seinen nur fast leeren Akku. Er tritt sein Bike ohne Unterstützung die letzten 200 hm zur Steinling Alm hoch. Hier macht es sich bezahlt, dass wir unsere Ladegeräte und eine Dreier-Steckerleiste im Rucksack spazieren fahren. Nur so bekommen die Akkus wieder Strom und wir ein verdientes Festmahl.
Nach zwei Stunden Ladepause und kurzer steiler Abfahrt folgt das nächste Highlight: der obere Reitweg, ein beliebter, Fels-durchsetzter, mäßig steiler Trail mit nicht zu überbietender Aussicht. Infinity-Perspektive, als würde man direkt in den Chiemsee radeln. Da stört es fast nicht, dass wir im folgenden Wurzeltrail die Räder über einige kurze Passagen tragen müssen, bevor wir wieder auf die Forststraße kommen. Im weiteren Verlauf der Tour surfen wir über einen kurzen Pumptrack-artigen Trail durch eine Almwiese am Fuß der beeindruckenden Gedererwand. Andi verfeinert noch seinen Track um einen abschließenden Waldtrail zur Staffn Alm, die ebenso zu einer Einkehr verlocken würde. Von dort geht es zunächst unter der Hochplattenbahn steil abwärts, dann in einen fast immer feuchten, steinigen Trail mit einigen Spitzkehren, der sich bis hinunter nach Marquartstein zieht. Ab hier teilen wir uns die verbleibende Akkuladung so ein, dass wir möglichst zügig den letzten Anstieg für heute nehmen. Die letzten Meter zur Jochbergalm radeln wir über einen nicht zu steilen, schmalen Almpfad, mit der bereits tief stehenden Sonne im Rücken. Ein perfekter Moment. Zunächst geht es steil über die Almwiese bergab, später surfen wir über eine schön angelegte, moderat steile Forststraße ohne Bremsenverschleiß nach Röthelmoos und schließlich an der Urschlauer Ache entlang zurück nach Ruhpolding. Glücklich und voller Eindrücke und Adrenalin ziehen wir Bilanz: das nächste Mal würden wir zwei Ladepausen einplanen. Abgesehen davon ein vollendeter Tag, auf den wir in einem Lokal in der belebten Dorfstraße im Zentrum von Ruhpolding anstoßen.
Sonntag geht es direkt weiter
Der Sonntag knüpft nahtlos an. Wir starten in Ruhpolding in den ersten Trail, der sich wie der Kalterner Höhenweg in die Waldhänge schmiegt. Über Forststraßen und teils steinige Waldwege geht es weiter nach Maria Eck und wir erleben Chiemgauer Brauchtum pur. Wir stehen inmitten einer KSK Wallfahrt, zwischen Trachtlern und Fahnenabordnungen und müssen erklären, was es beim Chiemgau King denn zu gewinnen gäbe. Die folgende Abfahrt und Talpassage belastet unsere Federelemente und Oberschenkel deutlich weniger als gewohnt, ist aber nicht minder spannend. Es geht mitten durch Felder und Wälder nach Siegsdorf und von dort über den Soleleitungsweg an der roten Traun entlang nach Hammer. Nach einem kurzen Trailabstecher, teils flach, teils bergauf, treten wir den für heute längsten Anstieg zur Stoißer Alm hinauf. Wir haben aus gestern gelernt, also stecken wir hier bereits die Akkus an und weil wir ja ein bisschen warten müssen, so ein Pech, bestellen wir uns einen Kaiserschmarrn, für den die Alm so bekannt ist. Von der Terrasse aus können wir den Hochstaufen und das Salzburger Land bewundern. Noch interessanter ist das Schaulaufen der lokalen Mountainbike-Szene, die hier ihre Schätze vom maximal getunten Racer bis zum E-Fatbike-Fully vorführt.
Der weitere Routenverlauf über die Chiemgau Arena bis nach Seegatterl sieht im Höhenprofil verdächtig unauffällig aus, doch wir werden sehen, dass auch hier einige Höhenmeter versteckt sind. Kurz nach Adlgaß radeln wir eine steile Rampe hinauf, an deren Ende sich völlig unvermittelt Alpen-kitsch pur auftut. Vor uns liegt die Nikolauskirche Einsiedl, eingebettet in eine Wiesenlandschaft, mit Inzell und dem einzeln stehenden Falkenstein im Hintergrund. Ein Motiv, das in keinem Postkarten-Ständer in Inzell fehlen darf oder neuzeitlich in den Instagram Bildern der Gäste. Durch diese Traumkulisse radeln wir nun an Falkensee und Froschsee vorbei und ich komme aus dem Staunen nicht heraus, welche schönen Flecken ich in meiner Heimat noch nicht kenne. Auch die Kesselalm ist mir nur wegen dem zugehörigen Skilift bekannt, dass sich oberhalb im Wald ein kleiner Trailpark versteckt, wusste ich nicht.
Über gut ausgebaute Radwege kommen wir zügig und aussichtsreich zu unserem nächsten Zwischenziel, der Zirmberg Stubn an der Chiemgau Arena, bekannt durch den Biathlon Weltcup. Hier gibt’s wieder Strom und Kalorien. Mit dem vorletzten Buchstaben auf der Stempelkarte treten wir motiviert an der Seetraun entlang durch das Drei Seen Land nach Seegatterl. Auch die dunklen Wolken und einige Regentropfen lassen keine schlechte Laune aufkommen, wie auch, bei der Idylle, die uns umgibt. Von Seegatterl aus nehmen wir spontan den kürzeren, aber steileren Uphill Trail zur kitschig schönen Almlandschaft von Winklmoos, unserem letzten Checkpoint. Doch ein paar Körner (und Amperestunden) sollte man hier noch übrig haben. Mit einem weiteren kurzen Anstieg queren wir ins österreichische Heutal. Dort, wo im Winter die Skifahrer ihre Spuren in die Piste ziehen, nehmen wir den direkten Pfad über die Wiese hinunter.
Am Liftparkplatz suchen wir den Wanderweg zum Staubfall, ab jetzt heißt es Schieben/Tragen. Doch das Ziel ist die Mühen wert. Spektakulär und laut tosend stürzt der Wasserfall über den Wanderweg hinaus ins Freie, wir schleppen unsere Räder über die steilen, immer feuchten Stufen unter ihm hindurch. Was dann noch folgt, kann man zur aktiven Regeneration nutzen. Sanftes Ausrollen das Fischbachtal hinaus und an der Seetraun entlang nach Ruhpolding. Natürlich lassen wir unterwegs die kurzen Flowtrails nahe der Hauptstrecke nicht aus, sie lassen uns noch einmal auf einer Serotonin-Welle an kleinen Seen vorbei durch den Wald surfen.
Wie würde ich die zwei Tage auf der Trail+ Variante des Chiemgau King zusammenfassen?
Für mich fühlte sich die Tour wie eine Woche perfekter Mountainbike-Urlaub im Chiemgau an – komprimiert auf zwei Tage. Ich kann mich gar nicht entscheiden, welches der schönste Trail oder die malerischste Aussicht war, so viele Highlights waren aneinandergereiht. Was bleibt, ist ein Grinsen im Gesicht, wenn ich an das Wochenende zurückdenke.
Hier findet ihr mehr Informationen zum Chiemgau King.
Was war deine aufregendste Tour in 2018?
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