Einmal rund um den Mont Blanc in drei Tagen mit 270 Kilometern und 13.000 Höhenmetern: Dies sind die Eckdaten der E-Tour du Mont Blanc, Rennhektik und Adrenalinschübe garantiert! Genau das Ding unserer rasenden Reporterin Nathalie Schneitter und in diesem Corona-Jahr Etwas mit Seltenheitswert. Viel Vergnügen beim Rennbericht!
Die E-Tour du Mont Blanc passt besser zu mir als jedes andere Rennen der Welt. Meine Augen leuchten, wenn ich von der Erstaustragung des Vorjahres erzähle und von der bevorstehenden Neuauflage schwärme, denn ich weiß bereits, dass der Strecken-Designer ein Genie ist und bei diesem Rennen alles etwas übertrieben ist. Das Rezept, um alle drei Renntage unbeschadet zu überstehen? Eine clevere Rennstrategie, Durchhaltewillen und die Fähigkeit, öfters mal das Hirn kurz auszuschalten.
Der Wettkampf muss aus Sicherheitsgründen im Zweierteam bestritten werden. Die Strecke führt großteils durch hochalpines, einsames Gelände und bei einem Sturz ist der Teampartner sofort zur Stelle, um Hilfe zu leisten und die Rettung zu organisieren. Es versteht sich von selbst, dass die Wahl der Teampartnerin daher elementar ist. Beide sollten auf Augenhöhe sein, was Fahrtechnik und Fitness betrifft, ein ähnliches Stressempfinden an den Tag legen und natürlich hilft, wie sonst im Leben auch, ein ähnlicher Sinn für Humor über alles andere hinweg.
Für mich ist der Fall klar: Meine Kollegin Tracy Moseley ist die perfekte Teampartnerin für mich. Die Engländerin hat das Rennen schon im vergangenen Jahr mit mir bestritten und wir ergänzen uns ideal. Ihre Palmarès lässt erahnen, dass sie in den Abfahrten ein klitzekleines Bisschen schneller ist als ich: Sie war Downhill Weltmeisterin (2010) und dreimal Siegerin der Enduro World Series (2013, 2014, 2015). Ich war mal eine Cross Country-Bergziege und bin daher etwas stärker am Berg. Mit etwas Rücksicht ergänzen wir uns aber perfekt und können zusammen über uns hinauswachsen.
Zwanzig Teams bestehend aus ausgewählten Top-Fahrern stellen sich der Herausforderung, als um 7.00 Uhr morgens in Verbier der Startschuss fällt. Wetter bedingt wurde der Start eine Stunde nach vorne geschoben. Am Nachmittag soll ein Gewitter einrollen und bis dahin müssen alle Teams sicher in Courmayeur (IT) im Nachtlager eingetroffen sein.
Von Anfang an Vollgas
Von der ersten Sekunde an heißt es volle Kanne. Zuerst es auf einer steilen Skipiste und dann auf einem rutschigen Wurzeltrail – ein Morgengruß sondergleichen. Tausend Wurzeln, noch feucht vom Morgentau, lassen bereits erahnen, dass das kein Spaziergang werden wird. In der ersten Abfahrt gilt es, knapp 1000 Tiefenmeter mit engen Spitzkehren zu vernichten. Meine Hände schmerzen und Zweifel schleichen sich ein, ob ich mich überhaupt drei Tage am Lenker festhalten kann.
2130 Wattstunden dürfen pro Person und Etappe maximal eingesetzt werden. Das bedeutet für uns und unsere Trek Rail mit dem Bosch Performance Line CX Motor vier Batterien pro Tag: 1x 625 Wattstunden und 3x 500Wattstunden. Eine Batterie am Bike, eine im Rucksack und bei Rennmitte können bei einer definierten Wechselstation beide Batterien ausgetauscht werden.
Dank den Erfahrungen des Vorjahres mache ich mir zum Batterien-Management keine Sorgen. Je einfacher das Gelände, desto tiefer wählen wir die Motorenunterstützung. Bedeutet, dass wir im Flachen den Tour-Modus wählen und, wenn es hart auf hart kommt, auch mal den Turbo. Den Großteil des Rennens ist aber der E-MTB-Modus genau das Richtige: Natürliches Fahrgefühl und dank dem neuen Softwareupdate ein auf 85 Nm erhöhtes Drehmoment. Vor allem in niedrigen Trittfrequenzen und beim Anfahren im steilen Gelände spüren wir den Unterschied erheblich.
Es läuft aber bei weitem nicht alles rund. Schon am Morgen früh schätzt Tracy den Bremsweg vor einer Kurve nicht richtig ein und schießt über einen Felsen hinaus. Landen tut sie glücklicherweise in einer Brennnessel-Staude. Die Landung ist weich, das Jucken dafür die folgenden 12 Stunden besonders intensiv. Mich erwischt es dann in der letzten Abfahrt des Tages. Ich sehe in einem schnellen Stück im hohen Gras einen Stein nicht und mache einen Salto über den Lenker. Die Landung im Geröllfeld ist nicht gerade sanft und den Rucksack mit der Batterie drin schlägt es mir um die Ohren. Ich komme glimpflich davon, aber mein Bike hat echt was abgekriegt. Zerkratzte Tauchrohre an der Gabel, eine verbogene Pedalachse und ein abgebrochener Remote-Hebel sind die Ausbeute. Aber Puh: Eigentlich nochmal Glück gehabt! Wir erreichen die Ziellinie in Courmayeur als zweites Damenteam und für einmal sind wir einfach nur froh, unbeschadet im Ziel zu sein. Nach sieben Rennstunden ein versöhnliches Fazit.
Gewitter und Rennglück
Tag zwei soll uns mehr Rennglück bringen. Auf der Rückseite des Mont Blanc geht’s von Courmayeur in Richtung Cormet de Roselend. Doch bereits nach einer Stunde Rennzeit geraten wir zunächst mal in ein heftiges Gewitter. Als dann auch noch Hagelkörner auf uns einprasseln, vergeht mir kurzzeitig die Lust am Radeln. Zum Glück vergeht der Spuk nach einigen Minuten so schnell, wie er gekommen ist.
Da die Aufstiege fahrtechnisch extrem schwierig und steil sind, wird der Extended Boost des E-MTB-Modus zu meinem besten Freund. So Manches lernt man eben erst in Extremsituationen richtig schätzen!
Unsere Batterieladungen schmelzen dahin wie ein Gelato im Strandbad, aber dasselbe gilt zum Glück auch für die zurückzulegende Strecke. Die rutschigen Wurzeln und Steine machen die Aufgabe nicht einfacher, aber mindern den Fahrspaß in keiner Weise. Wir sind auf flowigen Singletracks unterwegs, die genauso anspruchsvoll sind, dass man sich nonstop konzentrieren muss, aber die auch ein Anfahren erlauben, wenn die Konzentration dann doch mal kurzzeitig einen Aussetzer macht.
Rund sieben Stunden brauchen wir für den zweiten Tag und sind dieses Mal die strahlenden Siegerinnen der Etappe. Heute lief es ohne größere Zwischenfälle und das spricht sehr für unsere Materialwahl. Wir fahren beide mit Alu-Felgen mit Bontrager SE5 Reifen. Im Hinterrad versteckt sich zudem ein Insert von Flat Tire Defender. Die Materialwahl scheint zu passen, denn mittlerweile haben wir rund 10’000 Höhen- und Tiefenmeter ohne Platten im Hochalpinen Gelände gemeistert. (Für die Material-Interessierten: Ich fahre 21 PSI im Vorderrad und 26 PSI im Hinterrad und das bei 62Kg Körpergewicht!)
Brennende Arme beim Zähneputzen
Teamwork heißt das Zauberwort für Tag drei. Im Gesamtklassement liegen wir noch immer deutlich zurück, doch wir entscheiden uns, dass vorzeitig aufgeben keine Option ist. Wir fahren auf der letzten Etappe von der Startlinie weg volle Kanne. Ich vertraue dem Hinterrad von Tracy in den Abfahrten blind und wir rauschen durch die Singletrails, keine Zeit für Blicke rechts und links. Die Tracks sind technisch so anspruchsvoll, dass wir am Berg immer wieder mal ein paar Meter schieben müssen. Ich lasse mich voll und ganz auf das Abenteuer ein und bin einmal mehr beeindruckt, wo mich mein E-Mountainbike hinbringt. Die Grenzen des Möglichen scheinen sich immer wie mehr zu verschieben.
Tracy und ich wachsen beide über uns heraus und pushen uns an unsere Grenzen. Wir gewinnen die Etappe mit fünf Minuten Vorsprung und dem tollen Gefühl, alles gegeben zu haben. Für den Gesamtsieg reicht es dann doch nicht ganz. Happy sind wir aber trotzdem. Rund zwanzig Rennstunden in drei Tagen sind wahrlich kein Spaziergang und wir haben unser Bestes gegeben. Mein ganzer Körper schmerzt vom Sturz am ersten Tag, die Arme brennen sogar beim Zähneputzen.
Haben wir Bock auf mehr? Na klaro! Nächstes Jahr gibt es die E-Bike Worldtour mit solchen Etappenrennen an drei Austragungsorten: Flachau, Val d’Isere und Verbier stehen auf dem Programm. Meine Abenteuerlust ist geweckt.
Was sagt ihr zu solchen Extremen E-Mountainbike Rennen? Wäre das was für euch?
Weitere Informationen: www.verbierebikefestival.com
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