Ich liebe das Abenteuer und ich liebe körperliche und mentale Herausforderungen. Zudem bin ich eine E-Mountainbike-Enthusiastin. Die E-Tour du Mont Blanc passt also wie die Faust aufs Auge zu mir. Da der Wettkampf aber im Zweierteam bewältigt werden muss, brauche ich eine Teampartnerin, die mich ergänzt. Es ist ja kein Geheimnis, dass Etappenrennen im Team nur Spaß machen, wenn man, was Fitness und Fahrtechnik betrifft, ähnliche Voraussetzungen mitbringt. Tracy Mosley (GBR) ist die erste Person, die mit dafür einfällt und welch ein Glück: Sie ist von der Idee genau begeistert wie ich.
Der Mont Blanc liegt an der Grenze von Frankreich und Italien und ist mit 4.810 m Höhe der höchste Berg der Alpen. Die Erstaustragung des Verbier E-Bike Festival hat sich zum Ziel gesetzt, den Mythos des Mont Blancs auch in der E-Mountainbike-Szene zu etablieren. 16 Teams, bestehend aus eingeladenen Top-Fahrern, stellen sich der Herausforderung – die wenigsten ahnen allerdings, auf was für ein Abenteuer sie sich einlassen.
Mittwoch ging’s los
„Dieses Rennen war
der Wahnsinn!“
Am Mittwochmorgen, 14. August, um 8.00 Uhr ertönt der Startschuss zu diesem neuartigen Abenteuer. Von der ersten Sekunde an heißt es volle Kanne. Zunächst auf einer steilen Skipiste und dann einen Bikepark-Trail rauf – ein Morgen-Gruß sondergleichen. Tausende Wurzeln noch feucht vom Morgentau lassen bereits erahnen, dass das kein Spaziergang werden wird.
In der ersten Abfahrt gilt es knapp 1000 Höhenmeter mit engen Haarnadelkurven zu vernichten. Das Wallis ist ja berühmt für eine so große Vielfalt an Switchbacks, dass einem schwindelig werden kann. Bereits hier wird mir klar, dass ich am Ende des Rennens wahrscheinlich genau so viel Muskelschmerzen in den Armen haben werde wie in den Beinen. Das E-MTB durch hochalpines Gelände zu steuern, kommt mir vor, wie einen LKW durch enge Quartierstraßen zu lenken.
2.100 Wattstunden pro Person dürfen pro Etappe eingesetzt werden, das bedeutet für uns und unsere Trek Powerfly mit Bosch Motor vier Akkus á 500 Wh pro Tag. Eine Batterie am Bike, eine im Rucksack und dann Mitte Rennen bei der Wechselstation beide Batterien austauschen. Über das Batterien-Management mache ich mir zu Beginn noch keine Sorgen, vier Batterien sollten doch locker für eine Tagesetappe reichen, oder?
Die Aufstiege entpuppen sich als so fahrtechnisch schwierig und steil, dass ich den Turbo Modus brauche, um sie überhaupt fahrend bewältigen zu können. Die Batterieladung schmilzt dahin wie ein Gelato im Strandbad. Obwohl wir nicht wenig das Bike sogar schieben müssen, erreichen wir am ersten Tag die Wechselstation nur, weil wir die letzten 10 Kilometer im Eco Modus zurücklegen. 2900 Höhenmeter mit zwei Batterien tönt zwar nicht allzu ambitioniert, aber wenn man die Steilheit des Geländes und den technischen Schwierigkeitsgrad mitbetrachtet, wird die Kalkulation eng. Wir befinden uns nun übrigens im Aosta-Tal, auf der Südseite des Großen Sankt Bernhard Tunnels.
Die große Herausforderung des ersten Tages steht uns aber noch vor: Der Col de Malatrà. Ein Gipfel auf Rund 3000m, dessen Besteigung mit dem E-Bike auf den ersten Blick wie eine richtig schlechte Idee aussieht. Technischer, kaum fahrbarer Singletrail bis auf 2700m, dann noch 200 Höhenmeter E-MTB Schultern und über eine Art Klettersteig auf den Gipfel tragen. Wer schon mal versucht hat, sein E-MTB zu schultern, wird nachempfinden können, dass nicht das Tragen des Geräts die Schwierigkeit darstellt, sondern es erstmals auf die Schultern zu bringen.
Tracy bekundet in der Höhe Mühe und muss alle 15 m mit asthmatischen Problemen eine Pause einlegen. Teamwork heißt das Zauberwort und so klettere ich nochmals vom Gipfel runter und trage ihr Bike auch noch rauf. Kein Zuckerschlecken. Auf dem Col erblicken wir zum ersten Mal den majestätischen Mont Blanc und ich verstehe schlagartig, warum dieser Berg auf so viele Menschen eine tiefe Magie ausübt.
Die Abfahrt ins Ziel entschädigt aber für alle Strapazen und als wir nach 9h30min das Ziel der ersten Etappe in Courmayeur erreichen, sind wir stolz und glücklich. Vor allem sind wir aber auch tief beeindruckt, an welch atemberaubende Orte uns das E-Mountainbike an diesem Tag gebracht hat. Die Tour wäre ohne die E-Unterstützung wohl einfach eine ausgedehnte Wanderung gewesen. Wo wir uns geografisch jetzt genau befinden? Auf der Südseite des Mont Blanc Tunnels, einem anderen Seiten Arm des Aosta-Tals.
Die Nacht ist kurz und am nächsten Tag geht es um 7.00 Uhr auf die Gondel. Die ersten 1000 Höhenmeter müssen wir nicht pedalieren. Trotzdem stehen uns noch 4300 Höhenmeter bevor. Wenn der erste Tag der E-TMB ein Überlebenscamp war, dann ist dieser zweite Tag einfach zum Genießen. Flowige Singletracks, die genau so anspruchsvoll sind, dass man sich nonstop konzentrieren muss, die aber auch ein Anfahren wieder erlauben, wenn die Konzentration dann doch mal kurzzeitig einen Aussetzer macht.
Tag 2 – wir spüren noch Tag 1
Schultere mal dein E-Bike –
das ist echt schwer!
Wir passieren am Morgen die Rückseite des Mont Blanc, der mit seinen Gletscherzungen Eindruck macht. Über den Cormet de Roselend gelangen wir an den Lac de Roseland, ein Stausee, dessen Türkisfarbenes Wasser magisch glitzert. Der Kiesaufstieg nach der Batteriewechsel Station kommt ganz gelegen, so haben wir Zeit, um wieder aus dem Food-Koma herauszukommen. Ein fettes Sandwich gibt zwar am Mittag wieder Power, aber führt zwischenzeitlich eben auch dazu, dass man sich am liebsten für ein Mittagsschläfchen an den Wegrand legen möchte. Trotz Müdigkeit staune ich nicht schlecht: Wir befinden uns nun westlich des Mont Blancs und hier sind die Felsen mit sanftem Grün bedeckt.
Der letzte Aufstieg des Tages steht uns noch bevor. Die Batterie reicht aber gut, sodass wir fast den ganzen Tag im Turbo Modus durchheizen können. 900 Höhenmeter gibt es noch zum Schluss – 100% auf steilem Singletrack auf feinstem Waldboden. Dass sowas mit dem E-Mountainbike fahrbar ist, haut uns aus den Socken. Da muss man zuerst mal drauf kommen sowas überhaupt fahrend zu wagen! Fahrer und Material werden richtiggehend auf Herz und Nieren getestet.
Sechs Stunden sind wir an diesem zweiten Tag unterwegs und zum Glück so früh im Etappenort Chamonix, dass wir am Nachmittag mal eine Stunde die Beine hochlagern können. Ein Bier gönne ich mir auch, das habe ich mir echt verdient!
Tracy hat sich in diesen ersten zwei Tagen als mega Teampartnerin erwiesen. Natürlich ist sie in den Abfahrten ein Ticken schneller, nicht umsonst war sie Downhill und Enduro Weltmeisterin. Doch auch am Berg zeigt sie eine tolle Leistung und zum Glück kriegt sie am zweiten Tag auch ihre Probleme mit der Höhenluft in den Griff. Wir harmonieren gut im Team und können voneinander profitieren. Ich traue ihrem Hinterrad blind und so rauschen wir durch die Singletrails und kriegen auch die E-Bikes immer besser in den Griff. An jedes Rad muss man sich zuerst einmal gewöhnen, bis man spielerisch damit umgehen kann. Das erfahren wir auch mit den E-Mountainbikes und zwar bergauf und bergab.
Früh los, früh im Ziel – oder doch nicht?
An Tag drei heißt es dann schon um 6:15 Uhr: Ab die Post! Wirklich hell ist es um diese Zeit im Wald noch nicht, deshalb montierte ich mir eine Lampe auf den Helm. Dieser Tag wird ein Mix zwischen den ersten beiden. Tragen müssen wir das Bike zwar nicht mehr, doch die Tracks sind technisch so anspruchsvoll, dass wir immer wieder mal ein paar Meter schieben müssen. Stören tut mich das aber kaum, obwohl meine Arme mittlerweile schwer wie Blei sind. Ich lasse mich voll und ganz auf das Abenteuer ein und bin einmal mehr beeindruckt, wo mich das E-Mountainbike hinbringt und was für krasse Steigungen möglich sind, wenn man sich erst mal getraut, die Fähigkeiten des E-Mountainbikes auszuschöpfen.
Nachdem wir am Morgen wieder sehr sparsam mit der Batterie umgehen mussten, können wir am Nachmittag aus dem Vollen schöpfen. Mit dem Col de Mille steht uns noch ein Berg bevor, der an Panorama kaum zu übertreffen ist. Beim Schlussaufstieg nach Verbier wird uns wiederum nichts geschenkt. 5.500 Höhenmeter bewältigen wir an Tag drei und jeder einzelne davon ist es wert.
Fazit nach drei Tagen E-Racing
20 Rennstunden in drei Tagen sind wahrlich kein Spaziergang. Mein ganzer Körper schmerzt, die Arme brennen schon beim Zähneputzen. Auch materialmäßig haben wir einiges dazu gelernt. Tracy ist Vorne und Hinten 27,5" mit einem 2,6er Reifen gefahren. Ich hingegen bin Vorne ein 29er-Laufrad gefahren mit 2.6 und hinten ein 27,5"+ mit 2,8 Reifen. Was war besser? Nun ja, das kam aufs Gelände an. Tracy war mit Sicherheit wendiger, ich hingegen bin über das hochalpine Geröll gerollt wie nix. Am Hinterrad sind wir beide einen Tire-Insert von FTP gefahren, den Bunny Hop kann ich auf dem E-Bike einfach etwas weniger gut als sonst. Platten hatten wir beide nur einen und beide waren auf einen groben Fahrfehler zurück zu führen. Was würden wir materialtechnisch anders machen? Wohl nichts. Ich freue mich aber auf die Zukunft wo die Batterien im Rucksack nicht mehr ganz so schwer sind.
Weitere Informationen: www.verbierebikefestival.com
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18 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDie M99 mini habe ich nachgerüstet, das Bike ist in diversen Punkten modifiziert, Gabel auf 120 mm getravelt, Gates gegen Kette mit Kettenspanner getauscht, Bremse vorne Trickstuff Direttissima mit 203 er XT Scheibe, RockShox Reverbe Stütze etc.
Beim MY 2020 ist die M99 mini zumindest beim Rohloff Modell Serie
Hast ein ernsthaftes Trekkingbike aufgebaut, aber warum den Zahnriemen zurückgebaut?
Bei uns gibt es die Supercharger als 45er, mit Gates und Nabenschaltung, um den Verschleiss von Kette, Wechseler und Kassette zu minimieren.
1. Effizienz. Fahre oft ohne oder mit wenig Unterstützung. Ausgiebige Testfahrten mit dem Vorgängermodell, dass ich ein Wochenende zum Testen hatte, belegen, dass Kette einfach leichter läuft.
2.:
Bei härteren Off Road Aktionen ist die Gefahr, dass der Gates reisst, schon gegeben, habe ich im Bereich Motorrad schon mehrfach erlebt.
Kann immer mal was zwischen Gates und Riemenscheibe kommen, bei Kette eher unkritisch.
Kette bekomme ich immer irgendwie repariert, Gates hilft nur Tausch, was dann nicht ganz billig...
Wer "normal" fährt, Motor eh immer nutzt, keine Lust auf Dreck und Öl hat, klar Gates.
Ich bin ein Sonderfall, nicht repräsentativ hinsichtlich der Nutzung des SC
Aha, bei R&M wurde inzwischen ein Designer eingestellt ;-)
Ich sehe, Du benötigst robuste Fahrgeräte mit Reparaturmöglichkeit im Felde.
Dann nehme ich an, der Gates läuft wegen de hohen Vorspannung härter.
Ich bin den Gates mit 30 Hz gefahren, relativ wenig Spannung. Läuft trotzdem zäher. Sitze nach einem Alpencross gerade in Riva, Kette hat überlebt
Hätte Gates vermutlich auch, aber jeder hat eben seine individuellen Vorstellungen.
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