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So wartet ihr euren E-Bike-Antrieb

Ein E-Bike-Motor verfügt nominell über 250 Watt Leistung. Diese, plus die Kraft des Fahrers, muss über den Antrieb eines E-Bikes übertragen werden, der aus Kassette, Kette, Schaltwerk, Naben und so weiter besteht. Die Belastung, der diese Komponenten ausgesetzt sind, kann also sehr hoch sein – deutlich höher als bei einem nicht motorisierten Fahrrad – und zu einem beschleunigten Verschleiß des Systems führen. Wir haben uns die Hilfe eines professionellen Mechanikers geholt und zeigen anhand eines Testbikes, welche Teile man regelmäßig kontrollieren sollte, wann sie zu ersetzen sind und wie man dem Verschleiß etwas entgegenwirken kann.

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# Unser Ghost Kato-Testbike wurde volle 9 Monate rangenommen - es ist aller höchste Zeit, den Antrieb mal zu checken.
# Das Bike hat schon einige tausend Kilometer auf dem Buckel.
# Wir haben unser E-Bike in einen Montageständer geklemmt, was die Arbeit deutlich erleichtert - bitte nicht mit dem oberen Teil der Variostütze einhängen!

Kette

Beim Schalten unter Last mit einem E-Bike lasten gewaltige Kräfte auf einer Kette. Insbesondere das Durchschalten mehrerer Gänge auf einmal oder extremer Schräglauf können den Verschleiß einer Kette stark nach oben treiben. Das Maß für den Verschleiß ist der Abstand zwischen den einzelnen Kettengliedern – wird dieser zu lang, kann die Kette unter hoher Belastung durchrutschen oder beim Schalten springen. In den trockenen, staubigen Bedingungen im Trailcenter Punta Ala, Italien, liegt die Laufzeit einer Kette bei etwa 2500 km. Je nach Umweltbedingungen kann diese jedoch erheblich schwanken.

Um zu messen, wie verschlissen eine Kette ist, benötigt es eine spezielle Ketten-Messlehre, die verschiedene Abnutzungs-Level anzeigt. Wenn die Kette ein bestimmtes Maß überschreitet, muss sie getauscht werden. Zudem gibt es mittlerweile spezifische E-Bike-Ketten, die für höhere Belastungen konstruiert wurden. Wenn man die verschlissene Kette tauscht, heißt das allerdings nicht, dass damit alles wieder in Ordnung ist. Auch die Kassette kann sich abnutzen und muss oft zeitgleich getauscht werden. Wenn man die Kette jedoch regelmäßig misst und frühzeitig austauscht, wird man lange Spaß an derselben Kassette haben. Den Verschleiß der Kassette festzustellen, ist deutlich schwieriger – darauf gehen wir im nächsten Abschnitt näher ein.

# Nur vom Angucken der Kette wird man nicht schlauer …
# … stattdessen sollte man eine Kettenmesslehre benutzen. Diese lässt einen wissen, wie sehr sich die Kette gelängt hat.
# Diese Kette hat sich um über 0,075 mm gelängt, was bedeutet, dass sie sich ihrem Lebensende nähert.
# Die Kette hat sich noch nicht um 0,10 mm gelängt - wäre dies der Fall, dann würde die Spitze der Lehre reinfallen und man müsste die Kette tauschen. So können wir sie noch einige hundert Kilometer fahren.
# Sollte man die Kette wechseln müssen, dann ist ein E-Bike-spezifisches Modell eine gute Idee - die hier gezeigte Kette ist für 10-fach Antriebe, es gibt jedoch auch 11-fach Versionen.
# Wenn die Kette nicht mehr ordentlich auf den Zähnen der Kassette sitzt, muss man sowohl die Kette, als auch die Kassette austauschen.

Kassette

Der Verschleiß der Kassette kann sich sehr sensibel auf die Funktion des Antriebs auswirken. Ist die Kassette zu stark abgenutzt, läuft die Kette nicht mehr sauber und Schaltvorgänge werden nicht mehr ordentlich ausgeführt. Zum einen ist es wichtig, dass die Kassette mit so wenige Spiel wie möglich auf dem Freilauf montiert ist. Haben der Freilauf oder sogar die einzelnen Ritzel Spiel, dann kann sich die Kassette beim Pedalieren bewegen, wodurch die Schaltvorgänge ungenau und laut werden. Laut unserem erfahrenen Mechaniker Davide reagieren insbesondere günstige SRAM-Kassetten empfindlich auf ungenaue Schaltvorgänge. Allerdings bieten SRAM die E-Bike-spezifische EX1-Schaltung an, die sehr gut mit den höheren Belastungen umgehen kann, während der größte Konkurrent Shimano aktuell kein solches System im Sortiment hat.

# Inspiziert die Zähne der Kassette genau. Wenn diese etwas hakenförmig werden oder die Tiefe nicht mehr dieselbe ist, muss sie dringend getauscht werden. - Diese Kassette ist noch ok, aber am Ende ihrer Lebenszeit angelangt. Sie würde nicht ordentlich mit einer neuen Kette funktionieren.
# Man kann gut erkennen, dass die Zähne des größten Ritzels zwar etwas abgenutzt sind, aber noch keine Hakenform besitzen.
# Wenn man etwas an der Kassette wackelt, kann man einige Menge seitliches Spiel feststellen - wir sollten also einen genaueren Blick darauf werfen.
# Die Kassette wird mit einer speziellen Nuss und einer sogenannten “Kettenpeitsche” entfernt.
# Wenn man die Kassette tauscht, sollte man IMMER auch die Kette tauschen!

Freilauf

Ob und wann man den Freilauf kontrollieren muss, hängt stark von der Bauart und Marke ab. Sehr leichte, reguläre Aluminium-Freiläufe sollten öfter kontrolliert werden, da die Ritzel der Kassette sich in den Körper einarbeiten können, was Spiel und somit ungenaue Schaltvorgänge zur Folge hat. XD-Freiläufe haben dieses Problem nicht, allerdings können dort die Kassetten manchmal knarzen, was sich durch Auseinanderbauen und Reinigen beseitigen lässt. Im Fall unseres Ghost Kato-Testbikes bestand der Shimano-Freilauf aus Stahl und hatte keine Abnutzungserscheinungen. Dennoch sollte man die Sperrklinken oder Zahnscheiben des Freilaufmechanismus checken, da auch diese am E-Bike mit höheren Kräften und Momenten konfrontiert werden. Das kann nicht nur Spiel zu Folge haben – im schlimmsten Fall kann der Freilauf unter Last durchrutschen. Man sollte auch viel Wert darauf legen, dass die Kassette mit dem richtigen Drehmoment angezogen wird. Dieses ist abhängig vom Hersteller und findet sich meist auf dem Lockring.

# Nachdem wir die Kassette entfernt haben, nehmen wir uns etwas Zeit, um den Freilaufkörper zu begutachten.
# In unserem Fall liegt kein Spiel in der Nabe vor und die Achse dreht sich sanft. Sollte das nicht der Fall sein, muss man das Lagerspiel einstellen oder die Lager wechseln.
# Da unser Freilauf aus Stahl besteht, hat sich die Kassette nicht in die Stege eingefressen - allerdings konnten wir leichtes Spiel im Freilauf feststellen. Beim nächsten Wechsel der Kassette und Kette in einigen hundert Kilometern werden wir also die Lager oder den Freilaufkörper tauschen.
# Bei der Montage der Kassette sollte man auf das korrekte Drehmoment achten.
# Das nötige Drehmoment findet sich oft auf dem Lockring der Kassette. Man sollte sie nicht zu locker anziehen.
# Nachdem das Hinterrad wieder installiert wurde, lässt sich kein Spiel mehr feststellen.

Schaltwerk

Das Schaltwerk sitzt von allen Komponenten am exponiertesten, ist sehr komplex aufgebaut und muss die Kette präzise führen. Im Falle unseres Testbikes mussten wir bereits das standardmäßige Shimano XT-Schaltwerk austauschen, da es zu viel Spiel besaß und nicht mehr sicher funktionierte. Das neue XTR-Modell ist noch ziemlich neu, genauso wie das Schaltkabel, sollte aber geölt und kontrolliert werden. Viele übersehen zudem oft die Schaltwerks-Kupplung, die die Kettenspannung hoch halten soll und somit effektiv ein Abspringen der Kette verhindert. Zum Schluss sollte man das Schaltkabel kontrollieren und gegebenenfalls tauschen (wenn es schwergängig läuft oder das Schaltwerk beim Schalten auf kleinere Ritzel hängen bleibt) und alle Schrauben nachziehen, die das Schaltwerk am Rahmen befestigen. Nach Entfernen der Kupplungsabdeckung eines Shimano-Schaltwerks ist es möglich, den Widerstand der Kupplung nachzustellen oder den An-/Aus-Hebel zu schmieren. Wir haben es in unserem Fall beim Reinigen und Schmieren des Hebels belassen, da der Rest ok war und das Schaltwerk hervorragend schaltete. Bei SRAM-Schaltwerken lassen sich alle Kupplungen ab Type 2.1 aufwärts leider nicht nachstellen.

Wenn alles entsprechend geschmiert ist, sollte man checken, ob alle Gänge sauber durchgeschaltet werden und notfalls die Kabelspannung anpassen. Zudem können sich die seitlichen Anschläge oder die Umschlingung mit der Zeit verändern – wir werden zu einem späteren Zeitpunkt eine genaue Anleitung dazu online stellen.

# Entfernt die Abdeckung der Schaltwerkskupplung.
# Dieser Mechanismus muss gefettet werden, damit der Hebel ordentlich funktioniert.
# Achtet darauf, nicht die Feder …
# … sondern den Mechanismus des An-/Aus-Hebels zu fetten.
# Nun sollte sich der Hebel besser bedienen lassen - wer möchte, kann die Kupplung ausschalten und so weichere Schaltvorgänge erreichen.

Kurbel- und Kettenblattschrauben

Hab ihr auch ein Knarzen im Antrieb und könnt nicht herausfinden, woher es kommt? Manchmal sind die Kettenblatt- oder Kurbelschrauben dran schuld. Hierbei sollte man auf die korrekte Marke und angegebenen Drehmomente achten. An unserem rechten Kurbelarm gab es eine lose Schraube, die sich als Quelle eines nervigen Knarzens erwies. Nachdem alles festgezogen war, war wieder Ruhe!

# Stellt sicher, dass alle vier Kettenblatt-Schrauben fest angezogen sind.
# Die benötigten Anzugsmomente stehen normalerweise auf dem Kurbelarm.
# Am rechten Kurbelarm war eine Schraube locker, was zu nervigem Knarzen führte - nachdem diese mit dem korrekten Drehmoment angezogen war, herrschte wieder Ruhe!

Motorservice

Der Motorservice lässt sich in der Regel nicht selbst durchführen – stattdessen sollte man ihn zum Hersteller schicken und dort servicen lassen. Unten ist jedoch ein Beispiel, was passiert, wenn man dem Motor keine Pflege zukommen lässt. Das Kugellager stammt aus einem alten Motor – der Kunde hat sein Bike zwar gepflegt, war beim Waschen jedoch nicht vorsichtig genug. Mit der Zeit hat das das Lager zerstört, bis die Kurbeln sich nicht mehr drehen ließen. Der Bikeshop hat einen kompletten Service vorgenommen, da der Motor keine Garantie mehr besaß, und alle Kugellager gewechselt.

# Wenn das mal kein Grund ist, den Motor zu servicen - das Kugellager ist komplett zerstört.

Meinung @eMTB-news.de

Ketten, Kassetten, Schaltwerke und Freiläufe sind in Sachen E-Bikes aktuell noch in einem frühen Stadium. Bisher gibt es nur ein einziges System auf dem Markt, die SRAM EX1, das speziell für die erhöhte Beanspruchung eines E-Bikes entwickelt wurde. Einige Marken kommen aktuell mit Naben mit widerstandsfähigeren Freiläufen auf den Markt, doch wir haben noch einen langen Weg vor uns. Bis dahin helfen regelmäßige, einfache Checks, wie die hier gezeigten, die Laufzeit eines E-Bike-Antriebs zu maximieren und plötzliche Defekte auf dem Trail zu verhindern.

# Nun ist das Ghost bereit, einige hundert Kilometer mehr abzureißen.
# Danke an Davide für die Hilfe!

Pflegt ihr euer E-Bike selbst oder bringt ihr es immer in den Fahrradladen?


Weitere Informationen

Website: www.bagnolibike.com
Text & Redaktion: Alex Boyce | eMTB-News.de
Bilder: Alex Boyce

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