Die Firma Ergon hat sich in den vergangenen 20 Jahren einen Ruf als absoluter Ergonomie-Experte erarbeitet. Wir haben uns auf nach Koblenz gemacht, um uns die heiligen Hallen von Ergon persönlich anzusehen. Statt eines üblichen Hausbesuchs (zum Ergon-Hausbesuch) dachten wir uns diesmal allerdings, dass wir das umfangreiche Wissen des Ergon-Teams anzapfen und uns in Ruhe erklären lassen, was es für ein optimal ergonomisches Mountainbike alles so braucht. In den kommenden Wochen erwarten euch insgesamt drei Artikel, die sich auf die jeweiligen Kontaktpunkte von Mensch und Rad fokussieren: Sitzbereich, Griffe und natürlich die Füße. Los geht’s heute mit einem Thema, das viele Mountainbiker und Mountainbikerinnen beschäftigt: die Gründe für Sitzbeschwerden – und vor allem, wie sich diese erfolgreich beseitigen lassen!
Video: Ergonomie-Spezial – Teil 1: Sitzbeschwerden verhindern
Welche Sitzbeschwerden gibt es auf dem E-MTB?
Vorneweg: Sitzbeschwerden sind nicht gleich Sitzbeschwerden. Bei Ergon hat man verschiedene Arten von Sitzbeschwerden ausgemacht. Sie können allesamt sehr unangenehm sein und den Spaß auf dem Trail deutlich trüben. „Tatsächlich zählen Sitzbeschwerden in allen Fahrradkategorien mit zu den häufigsten auftretenden Beschwerden“, erklärt Dagny Hilpert, Projektingenieurin Ergonomie von Ergon.
Die Beschwerden lassen sich in drei Arten unterteilen: Druck im Genitalbereich, Sitzdruck sowie Reibung an der Außenkontur des Sattels und natürlich Rückenschmerzen. Mit allen Problemen hat man sich eingängig beschäftigt – schließlich muss man diese erst verstehen, bevor man an einer Lösung arbeiten kann. Diese besteht bei Ergon aus spezifischen Sattelformen und Materialien, allerdings auch einer genauen Einstellung der Sitzposition. Außerdem ist die zusätzliche Power des Motors an einem E-Mountainbike ein weiterer Aspekt, der sich auch auf den Sattel auswirkt – doch dazu später mehr.
Druck im Genitalbereich
Druck im Genitalbereich kann besonders unangenehm ausfallen – schuld sind die vielen empfindlichen Nervenbahnen und Blutgefäße, die sich unter den knöchernen Strukturen des Beckens befinden. Baut sich auf dem Rad Druck an der falschen Stelle auf, werden diese abgedrückt und die Durchblutung wird behindert. Die Folge können Taubheitsgefühle und natürlich Schmerzen sein – die allermeisten können aus eigenen Erfahrungen hiervon wohl ein Lied singen.
Für die verschiedenen Probleme gibt es aber auch immer unterschiedliche Lösungen.
Ergon misst der Tatsache, dass die Becken von Männern und Frauen anatomisch verschieden ausfallen, große Bedeutung zu. So sind etwa die Beckenknochen von Frauen durch den Geburtskanal bedingt meist etwas breiter, die knöchernen Strukturen vorn jedoch tiefer. Wie sich die Unterschiede auswirken, haben die Ergonomie-Experten in mehr als 10.000 dynamischen Druckmessungen selbst untersucht, und darüber hinaus in verschiedenen Studien zum Thema mit geforscht.
Die Untersuchungen zeigten, dass man mit unterschiedlichen Formen die spezifischen Probleme besser ausmerzen kann. Männer greifen also besser zu einem männerspezifischen Sattel, Frauen hingegen zu einem frauenspezifischen Modell – so lässt sich zu einem hohen Prozentsatz gewährleisten, dass vorhandene Beschwerden auch wirklich gelöst werden.
Sitzdruck & Reibung an den Außenkonturen des Sattels
Hat der Sattel die falsche Breite oder Form, kann es zu Druck an den Außenkonturen und Reibung zwischen den Oberschenkeln und der Kante des Sattels kommen – beides ist ziemlich unangenehm. Bei Ergon wird die Sattelbreite nach dem Sitzhöckerabstand ausgerichtet. Zudem gibt’s je nach Einsatzzweck eine genau daraufhin entwickelte Sattelform.
Ein Beispiel, wie die Form sich auf die Sitzhaltung auswirkt: Ist der Sattel zu breit, wird der Allerwerteste zur Schmerzvermeidung nach vorn Richtung Nase geschoben. Dadurch nimmt man nicht mehr im vorgesehenen Bereich Platz. Bei einem zu schmalen Sattel hingegen neigt man dazu, zu weit hinten zu sitzen und dann an den Außenkonturen aufzuliegen. Beides ist Ergon zufolge ziemlich unangenehm. Zudem muss auch die Form des Sattels auch zum anvisierten Einsatzbereich passen. Entsprechend hat Ergon sein Produkt-Sortiment für alle Disziplinen aufgestellt.
Rückenschmerzen
Leidet man unter Rückenschmerzen, muss man natürlich die korrekte Sitzposition überprüfen. Hier lässt sich kaum ein einziger Faktor isolieren, der das Problem löst. Ein Bike-Fitting kann definitiv helfen – ebenso wie ein spezifischer Sattel, der etwas mehr Bewegung in der Hüfte erlaubt. Mehr dazu im Folgenden.
Wie löst Ergon Sitzbeschwerden?
Die korrekte Sattel-Auswahl
Bei Ergon legt man viel Wert auf spezifische Sättel je nach Einsatzbereich, aber natürlich auch Geschlecht. Ausschlaggebend für die korrekte Ergonomie ist die Sattelbreite. Für diese gilt es, den Sitzknochenabstand zu messen, was bei Ergon selbst mit dem ziemlich edlen digitalen TS1-Sitzhocker erledigt wird. Diesen findet man auch bei Ergon-Fachhändlern. Alternativ gibt’s auf der Website einen Rechner, der mittels Größe, Gewicht und Hüftumfang einen Näherungswert ermittelt, der auf verschiedenen Studien basiert und gleichzeitig das passende Sattelmodell nennt. Zu Hause kann man auch einfach ein Stück Wellpappe auf einen ebenen Stuhl legen, sich draufsetzen und den Abstand der Mitten der Eindruckstellen messen.
Der Sitzknochenabstand ist ein entscheidender Faktor
Ausschlaggebend bei Ergon ist ein Sitzknochenabstand von 12 cm – dieser ist nämlich die Grenze zwischen den beiden Sattelgrößen S/M und M/L. In der Online-Sattelauswahl wird man außerdem nach der Art des Fahrrads (z. B. Mountainbike), dem Einsatzbereich (z. B. Enduro), der Häufigkeit, mit der man fährt, Alter, Druckbeschwerden und natürlich dem Geschlecht gefragt. Man merkt: Hier sind ganz schön viele verschiedene Daten eingeflossen. Ein Enduro-spezifischer Sattel hat etwa eine eher schmale Sitzfläche mit langer Nase für eine gute Beinführung auf dem Trail. Ein MTB-Komfort-Sattel hingegen setzt auf eine breitere Sitzfläche und ist für eine aufrechtere Haltung konzipiert.
Core 3D-Sättel mit Infinergy-Material
Eine recht spezielle Entwicklung bei Ergon sind die Core 3D-Sättel, die über eine Konstruktion aus zwei Schalen verfügen. Zwischen diesen befindet sich das Infinergy-Material von BASF, das eine gedämpfte Bewegung zwischen den Schalen erlaubt. „Dies sorgt dafür, dass der untere Rücken eine deutliche Entlastung gegenüber einem herkömmlichen Sattel erfährt. Zudem unterstützt das Material die Beckenbewegung während des Pedalierens, wodurch wir eine deutlich bessere Druckverteilung erzeugen und mehr Entlastung im Sitzbereich generieren können“, sagt Dagny Hilpert. Obendrein soll das Material feine Vibrationen herausfiltern und so besonders gut für Rückenschmerzen-geplagte Fahrer und Fahrerinnen sein. Das gibt es auch schwarz auf weiß: Die Sättel bekamen das Zertifikat der Aktion Gesunder Rücken e.V.
Die richtige Einstellung ist das A und O
Der beste Sattel hilft natürlich wenig, wenn er falsch eingestellt ist. Ein Bike-Fitting mag bei unseren schmal-bereiften Freunden auf der Straße absoluter Standard sein – im MTB-Bereich ist es vor allem im Trail- und Enduro-Bereich eher ungewöhnlich. Doch es muss ja nicht gleich der professionelle Bike-Fitter sein. Ergon hat sich eine eigene, kostengünstige Lösung ausgedacht: die Ergon MTB Expert Fitting Box.
Möchte man nicht direkt ein teures Bike-Fitting bei einem Bike-Fitter buchen, hat man so eine günstige Alternative, um sich das Mountainbiken ein gutes Stück komfortabler und schmerzfreier zu gestalten.
Dagny Hilpert, Ergonomie-Expertin Ergon
Für die korrekte Sitzposition hat Ergon drei Werte festgelegt: Sattelhöhe, Nachsitz (Längsverschiebung) und Sattelneigung. In der Fitting Box finden sich Schablonen und Tabellen, mit denen man das eigene Bike in 7 Schritten korrekt einstellen kann. Der ganze Prozess ist simpel und dauert nur wenige Minuten – ein paar schnelle Hinweise gibt’s hier schon:
- Sattelhöhe: Das Bein sollte beim Pedalieren nicht komplett gestreckt werden. Ein guter Startwert ist, wenn man mit der Ferse auf den Pedalen rückwärts tritt und dabei unten das Bein ganz streckt, ohne die Hüfte abzukippen.
- Nachsitz: Hierzu braucht’s das Lot aus der Fitting Box. Lasst dieses bei waagerecht nach vorn stehender Kurbel von der Kniescheibe herabhängen und schiebt den Sattel so vor und zurück, dass es etwas vor der Pedalachse hängt. Genauer, aber auch etwas schwieriger, ist die Einstellung am Kniegelenkspalt – dieser sollte genau über der Pedalachse liegen.
- Sattelneigung: Als Startwert empfiehlt Ergon eine waagerechte Einstellung. Zu beachten gilt bei vollgefederten Mountainbikes allerdings, dass diese beim Aufsitzen hinten einsinken, wodurch sich die Sattelnase hebt. Stellt den Sattel also immer in eurer Pedalier-Position auf dem Bike ein – falls ihr diesen nutzt, auch mit Lockout.
Braucht es spezielle Sättel am E-Mountainbike?
Am E-Mountainbike gibt es zudem eine Besonderheit im Vergleich zu herkömmlichen Mountainbikes: Durch die Unterstützung des Motors ist es möglich, deutlich steilere Anstiege hochzufahren. Um die zusätzliche Power am Heck zu kontrollieren und ein Durchdrehen des Hinterrades zu unterbinden, fällt die Sitzposition in steilen bis sehr steilen Passagen deutlich aufrechter aus, als man dies bei einem traditionellen Mountainbike kennt.
Um dieser veränderten Sitzposition Rechnung zu tragen, hat Ergon Modelle speziell fürs E-Mountainbiken im Programm: Die Ergon SM-E Mountain-Sättel verfügen über eine spezielle Rampe am Heck. „Die Rampe dient dazu, dass man beim Uphill nach hinten abgestützt wird. Dadurch, dass man die Unterstützung des Motors hat, neigt man sich beim E-MTB nicht so sehr nach vorn wie auf dem normalen Mountainbike”, erklärt Dagny Hilpert und führt aus: „Durch den Motor hat man richtig, richtig viel Power am Hinterrad. Da muss man Traktion aufs Heck bringen, sonst würde da alles durchdrehen. Damit man das Heck entsprechend belasten kann, haben wir diese Rampe am hinteren Bereich des SM E-Mountain.”
Wer also mit dem E-Mountainbike gerne steile und technische Anstiege bewältigt, sollte sich die Ergon SM E-Mountain-Sättel näher anschauen. Erhältlich sind diese sowohl in Männer- und Frauen-spezifischen Ausführungen, in einer schmalen und einer breiten Variante und wahlweise ohne oder mit Core 3D-Technologie.
Interview mit Dagny Hilpert – Projektingenieurin Ergonomie
MTB-News.de: Hey Dagny! Du beschäftigst dich tagein, tagaus mit ergonomischen Lösungen und auch mit Problemen, die beim (E-)Mountainbiken entstehen können. Daher die erste Frage vorneweg: Sind Sitzbeschwerden denn tatsächlich so ein relevantes Problem?
Dagny Hilpert: Ja, tatsächlich zählen Sitzbeschwerden unter allen Fahrradkategorien mit zu den am häufigsten auftretenden Beschwerden. Darunter gibt es ganz unterschiedliche Beschwerden. Ich denke, die, mit denen die meisten Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen schon Erfahrung gemacht haben, sind die Beschwerden im Genitalbereich. Dann gibt es auch noch den Sitzdruck an den Außenkonturen eines Sattels, der sehr häufig vorkommt. Oder auch die Reibung der Oberschenkel am Übergangsbereich eines Sattels. Ganz typisch sind auch Rückenschmerzen. Insgesamt ist das also ein sehr komplexes Thema. Für die verschiedenen Probleme gibt es aber auch immer unterschiedliche Lösungen.
Gut, dann steigen wir direkt ein in die Materie – und zwar Schmerzen im Genitalbereich, beziehungsweise Taubheit. Was sind so die Ursachen dafür?
Die Taubheit im Genitalbereich hat vor allem die Ursache, dass unter den knöchernen Strukturen des Beckens sehr empfindliche Nervenbahnen und auch Blutgefäße verlaufen. Liegt die Entlastung für den jeweiligen Fahrer oder die jeweilige Fahrerin nicht an der richtigen Stelle des Sattels, werden eben diese Nervenbahnen und Blutgefäße abgedrückt und die Durchblutung wird nicht mehr gefördert. Dadurch entsteht dann diese Taubheit. Lösungen dafür sind zum Beispiel geschlechtsspezifische Sättel.
Wenn man die Becken von Männern und Frauen mal miteinander vergleicht, sieht man, dass die Sitzhöcker beim weiblichen Becken einen größeren Abstand aufweisen als bei dem männlichen. Grundsätzlich verlaufen beide Becken trapezförmig nach vorne zusammen. Bei Frauen liegt jedoch die Symphyse (Schambeinfuge, Anm. d. Red.), also die Spitze vorne, deutlich tiefer als bei Männern. Und das führt dazu, dass zum Beispiel bei gleicher Beckenstellung die Frau schon sehr viel weiter vorne auf den knöchernen Strukturen aufliegt. Zudem weisen Frauen eine höhere Flexibilität im Becken auf, weshalb sie dazu neigen, das Becken stärker zu kippen. Zuletzt kommt noch hinzu, dass das weibliche Geschlecht im Gegensatz zum männlichen Geschlecht nicht ausweichen kann.
Vergleicht man nun die männer- und frauenspezifischen Sättel von uns, sieht man, dass der Entlastungskanal beim Frauensattel mehr im vorderen Bereich, an der Sattelnase, liegt. Beim Sattel für das männliche Geschlecht hingegen liegt die Entlastung mehr im hinteren Bereich des Sattels. Grund dafür ist eine etwas punktuellere Belastung des männlichen Geschlechts im hinteren Bereich des Sattels, weshalb hier vor allem der Dammbereich entlastet wird. Die Anatomie des weiblichen Beckens und die Ursache, dass Frauen ihr Becken etwas stärker kippen, sorgt für einen etwas länglicheren, flächigeren Druck auf dem Sattel. Daher wird hier für eine Entlastung des Genitalbereichs gesorgt.
Für euch bei Ergon ergibt es also absolut Sinn, spezifische Sättel für Männer und Frauen anzubieten?
Genau! Wir erforschen dieses Thema auch seit Langem sehr umfangreich anhand von verschiedensten Studien und haben auch bereits über 10.000 dynamische Druckmessungen gemacht, die genau das bestätigen.
Du hast anfangs auch Schmerzen an der Außenseite des Sattels erwähnt – was hat’s damit auf sich?
Wenn wir uns den Sattel noch mal anschauen, dann haben wir zum einen den Druckschmerz an der Außenkontur eines Sattels. Oder eben auch die Reibung der Oberschenkelinnenseite am Übergang des Sattels. Beide Schmerzbereiche hängen unter anderem mit der Breite des Sattels zusammen. Wir haben uns eben die Becken angeschaut und auch den Sitzbein-Höcker-Abstand. Und dieser ist ausschlaggebend dafür, welche Sattelbreite man am Ende fahren sollte.
Bezüglich der Sitzbeschwerden gibt es zwei Szenarien. Zum einen entstehen diese, wenn man einen sehr schmalen Sitzknochenabstand hat und der Sattel aber sehr breit ist. Dann kommt man gar nicht nach hinten auf die Sitzfläche, weil einen der Sitzknochenabstand beschränkt und immer wieder nach vorne schiebt. Das heißt, ich nutze gar nicht die Sitzfläche, die eigentlich dafür vorgesehen ist. Dies erzeugt einen höheren Sitzdruck, welcher zu Schmerzen führen kann.
Zum anderen entstehen Schmerzen, wenn man einen sehr breiten Sitzknochenabstand, aber einen schmalen Sattel hat. Dann sitzt man zwar ganz hinten, aber nutzt wieder die Sitzfläche nicht optimal, weil man auf der Außenkontur des Sattels aufliegt. Und da auch an dieser Stelle der Sattel nicht zum Sitzen vorgesehen ist, hat man hier wieder einen hohen Sitzdruck.
Wie erfahre ich, was ich für einen Sitzknochenabstand habe?
Wir von Ergon benutzen ein ganz bestimmtes Tool, das ist unser TS1-Sitzhocker. Die digitale Druckmessmatte, welche in der Sitzfläche des Hockers verbaut ist, vermisst den Abstand der beiden Sitzhöcker. Hierzu muss man sich lediglich mit geradem Rücken auf dem Hocker positionieren. Der vermessene Wert gibt einem schließlich den Hinweis auf die passende Sattelbreite.
Bei Ergon arbeiten wir mit zwei Sattelbreiten. Unsere schmale Sattelbreite reicht bis zu einem Sitzknochenabstand von 12 cm. Die breite Sattelbreite beginnt bei 12 cm Sitzknochenabstand.
Spielen die verschiedensten Mountainbike-Disziplinen, die es gibt, für euch bei der Entwicklung und Auswahl eines Sattels eine Rolle?
Klar! Da sich die Anforderungen, die Sitzposition und damit auch die Stellung des Beckens auf dem Sattel zwischen den verschiedenen Disziplinen unterscheidet, bieten wir für jede Disziplin auch einen eigenen Sattelshape an. Je aufrechter man sitzt, desto breiter wird die Sitzfläche des Sattels. Das Becken wird aufgerichtet und liegt so auf den weiter hinten liegenden, breiteren knöchernen Strukturen auf. So wird in jeder Sitzposition eine optimale Druckverteilung – bei ausreichender Beinfreiheit – gewährleistet.
Das heißt, man sollte sich vor allem an der Disziplin orientieren, für die man das Mountainbike am häufigsten einsetzt, und dann basierend darauf auch die passenden Produkte auswählen?
Ja, man kann sich hier sehr gut nach der jeweiligen Disziplin richten.
Gerade wenn es bergab geht, braucht man ja auch so eine gewisse Bewegungsfreiheit. Mehr Polsterung und größere Fläche ist wahrscheinlich etwas komfortabler, aber da müsst ihr wahrscheinlich auch den perfekten Kompromiss finden, dass man einerseits bequem und ergonomisch sitzt, aber andererseits eben auch das Sportgerät in der Abfahrt gut funktioniert?
Wir stimmen alle unsere Sättel auf das jeweilige Einsatzgebiet ab. Dabei werden verschiedenste Faktoren berücksichtigt. Die wichtigsten sind wohl die Druckverteilung auf dem Sattel, die für die Sitzposition abgestimmte Entlastung sowie die Beinfreiheit. All unsere Sättel werden zudem nicht nur von Hobby-Testfahrern, sondern auch von Profis getestet und auf die Probe gestellt. Erst dann, wenn wir alle zufriedenstellen konnten, wird der jeweilige Shape eines Sattels von uns freigegeben.
Ein Sattel von euch, der ziemlich ungewöhnlich aussieht, ist der Ergon SMC Core. Was hat es mit diesem Modell auf sich?
Der Sattel ist tatsächlich ein ganz besonderer, denn er unterscheidet sich zu den herkömmlichen Sätteln in seinem Aufbau. Anstelle nur einer festen Sattelschale haben wir hier zwei Sattelschalen verbaut. Zwischen diesen beiden Schalen befindet sich ein Kern aus Infinergy-Material, welches eine sehr gute Dämpfung und auch Absorption von Mikrovibrationen mit sich bringt. Dies sorgt dafür, dass der untere Rücken eine deutliche Entlastung gegenüber einem herkömmlichen Sattel erfährt. Zudem unterstützt das Material die Beckenbewegung während des Pedalierens, wodurch wir eine deutlich bessere Druckverteilung erzeugen und mehr Entlastung im Sitzbereich generieren können.
Wir bieten nicht nur den Ergon SMC Core mit diesem Aufbau an. In unserem Portfolio sind unterschiedliche Modelle für unterschiedliche Einsatzbereiche, welche diesem Aufbau folgen, zu finden.
Außerdem haben wir diese Modellreihe vom AGR für Rückengesundheit zertifizieren lassen. Für Radfahrer und Radfahrerinnen, welche besonders an Beschwerden im unteren Rücken leiden, wäre dieser Sattel daher eine sehr gute Option.
Mit dem E-Mountainbike kann ich dank Motor-Unterstützung teilweise viel steilere und technischere Anstiege bewältigen. Wie wirkt sich das auf die Sattelkonstruktion aus?
Da gibt es tatsächlich spezifische Sättel für den E-Bike-Bereich. Hier hab ich jetzt zum Beispiel den SM E-Mountain-Sattel – den gibt’s sowohl mit als auch ohne Core-Option. Der hat eine besondere Rampe am hinteren Teil. Die Rampe dient dazu, dass man beim Uphill nach hinten abgestützt wird. Dadurch, dass man die Unterstützung des Motors hat, neigt man sich beim E-MTB nicht so sehr nach vorn wie auf dem normalen Mountainbike. Stattdessen sitzt man etwas aufrechter, weshalb wir die Abstützung hinten vorgesehen haben. Die erspart etwas Haltearbeit.
Das ist eine super wichtige Sache am E-Mountainbike – gerade, wenn man einen sehr steilen Anstieg hochfährt. Die Front wandert hoch und durch den Motor hat man richtig, richtig viel Power am Hinterrad. Da muss man Traktion aufs Heck bringen, sonst würde da alles durchdrehen. Damit man das Heck entsprechend belasten kann, haben wir diese Rampe am hinteren Bereich des SM E-Mountain.
Jetzt ging es viel ums Material, lass uns aber mal über die korrekte Einstellung reden: Was ist da besonders wichtig?
Die wichtigsten Einstellungen eines Sattels sind die Sattelhöhe, die Neigung sowie der Nachsitz des Sattels. Wir von Ergon haben ein Tool entwickelt, welches jedem Radfahrer und jeder Radfahrerin zu Hause die Einstellungen des eigenen Fahrrads einfach ermöglicht. Das ist die Fitting Box MTB Expert. Diese beinhaltet alle notwendigen Tools, hilfreiche Schablonen und auch Tabellen mit allen einzustellenden Werten. In nur sieben Schritten kann hier das komplette Fahrrad eingestellt werden.
Möchte man nicht direkt ein teures Bike-Fitting bei einem Bike-Fitter buchen, hat man so eine günstige Alternative, um sich das Mountainbiken ein gutes Stück komfortabler und schmerzfreier zu gestalten.
Im Mountainbike-Sektor ist Bike-Fitting ja kein großes Thema – meinst du, da hilft eure Box manchen schon etwas weiter?
Auf alle Fälle! Hat man Beschwerden beim Radfahren, sollte man dies in Betracht ziehen. Man wird sich nach der Einstellung des Rades deutlich wohler fühlen, ist im Idealfall komplett schmerzfrei unterwegs und hat zudem nach der Einstellung des kompletten Rades ein deutlich besseres Verständnis für die unterschiedlichen Kontaktpunkte und wie diese sich gegenseitig beeinflussen. Auch der beste Sattel funktioniert leider nicht, wenn das Fahrrad nicht korrekt eingestellt ist.
Danke für das Gespräch und die hilfreichen Tipps!
Was sind deine Erfahrungen mit Sitzbeschwerden beim Biken – was hat dir geholfen?
Alle Artikel zu unserem Ergonomie-Spezial mit Ergon findest du hier:
Für Transparenz: Die Artikel des Ergonomie-Spezials mit Ergon wurden von MTB-News erstellt, aber ihre Produktion wurde von Ergon bezahlt. Deshalb ist der Artikel als Anzeige gekennzeichnet. Dennoch steckt in den Bildern und den Texten die Erfahrung der Redaktion, die auf diese Weise mitfinanziert wird. Das ermöglicht auch die Produktion der ganzen Vielfalt unabhängig produzierter Tests, Ausprobiert- und Service-Artikel.
6 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDie Sättel finde ich auch richtig gut, aber die Geschichte mit dem Nachsitz (Knielot) funktioniert bei den modernen Geometrien mit steilem Sitzwinkel und kurzen Kurbeln mal so überhaupt nicht (mehr).
Ich hatte mir das Fitting-Set von Ergon auch besorgt, es stellte sich heraus, dass meine "geschätzten" Einstellungen so einigermaßen hinkamen, Hebel und Sattel aber ein klein wenig verstellt werden mussten.
Das Knielot kommt aber, wie Jörg schon anmerkt, nie hin, da fehlen Zentimeter (!), damit es der Vorgabe entsprechen würde.
Aber viel Aha-Erlebnis hatte ich nach dem Feintuning nicht. Gefühlt etwas besser.
Und mit Ergon Sätteln habe ich bei inzwischen zwei gekauften Modellen auch so meine Schwierigkeiten, oder genauer gesagt, mein A.. und der Sattel werden nicht "Ziemlich beste Freunde".
Da waren Fizik und Terry gefühlt besser, momentan habe ich einen Specialized Power Expert Mirror, kann aber aufgrund der beschämend geringen Fahrleistung in diesem Jahr keinerlei Vergleich machen.
Hatte den Ergon SME3 viele Jahre genutzt. Sogar auf Tagestouren keine Sitzbeschwerden. Der passte mir einfach.
Letztes Jahr war er dann durch.Siehe da. Es gibt ja neue und "verbesserte" Sättel von Ergon.
Ich also wieder den sme gekauft. Der passte mir so gar nicht mehr. Habe ihn sogar nochmal eine Nr größer probiert und noch zwei andere Modelle.
Allesamt für'n Arsch. Also, nix für mich.
Konnte zum Glück noch einen ungefahrenen alten sme3 ergattern und kann wieder unbeschwert längere Zeit im Sattel sitzen.
Fazit zum Thema
Teil 1: Wie verhindere ich Sitzbeschwerden?
In meinem Fall, indem ich keinen neueren Ergon Sattel mehr nutze.Also diese Fitting Box ist ja wohl ein Scherz, eine Mini Wasserwaage und ne Schnur, für 35 Euro.
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