Im Mai dieses Jahres hatten wir Euch Chris Rothenbach und sein renntauglich aufgebohrtes Giant Reign E+ vorgestellt. Wie versprochen war er damit gerade beim Auftakt der EWS-E im schottischen Innerleithen, dem ersten von fünf Rennen dieser Serie. Dort ist er nicht nur wie ein Berserker die Berge rauf- und runtergefahren, er hat auch für Euch Tagebuch geführt. Hier kommt sein Rennbericht:
Wie funktioniert eine EWS-E?
Dienstag gibt es auf dem EWS-E-Auftakt in Schottland einen Shakedown, bei dem sich die Fahrer auf einem ausgewählten Trail auf die Bedingungen einfahren können. Dies ist kein Muss, ergibt aber mehr als Sinn. Hier können Set-up, Reifen oder sonstiges noch angepasst werden.
Mittwoch folgt dann das Pflichttraining. Hier werden alle Streckenabschnitte trainiert und man kann sich darauf einstellen, was einen erwartet. Linienwahl, Schlüsselstellen und Streckenlänge können hier getestet werden.
Donnerstag ist Renntag. Das Rennen ist aufgeteilt in 3 Loops. Jede Loop besteht aus 4-5 Stages, worunter auch sogenannte PowerStages sein können, in denen es bergauf geht. Pro Loop wird ein Akku durchgeballert und man hat starken Druck, die vorgeschriebenen Zeiten einzuhalten. Insgesamt ergeben sich 12-15 Stages, etliche km & hm und ein unglaublich langer und anstrengender Tag auf dem Bike.
1. Stopp – Schottland, Innerleithen
Acht Stunden Autofahrt, Fähre über Nacht und noch einmal vier Stunden Autofahren auf der linken Straßenseite. Willkommen im Tweed Valley. Bekannt durch zahlreiche namhafte Fahrerinnen und Fahrer. Eine Region, die Mountainbikes lebt!
Angekommen auf einer grünen Wiese, befinden wir uns auf dem „Campingplatz“. Keine Duschen, kein Strom um E-Bike-Akkus zu laden und die Toiletten befinden sich 300 m am anderen Ende der Wiese. Echt schwach für einen solchen Veranstalter und dann auch noch gebührenpflichtig. Das geht definitiv besser.
Race-Unterlagen abgeholt – hier ist dann alles simpel und gut gemacht. Startnummer ans Bike und bereit fürs Training.
Bei perfekten Bedingungen durften wir Loop 1 und Loop 2 trainieren und es wurde schnell klar: Alle Strecken werden mega geil! Loop 3 sollte die gleiche werden wie Loop 1, mit kleinen Änderungen. Mit Christian Textor und Leo Barich hatte ich auch zwei deutsche Kollegen, mit denen das Training zur absoluten Extraklasse wurde. Viel Biken, viel Quatsch reden und geile Strecken. Was will man mehr?
Rennbericht – alle Stages der EWS-E im Tweed Valley
9:39 Uhr gehts aufs EWS-Podest und der Enduro-Papst Enrico gibt ein kurzes Interview. Neben mir: Guido Tschugg. Eine Mountainbike-Legende, mit der ich den ganzen Tag verbringen darf. Cooler Typ, mit dem man gut Gas geben kann.
Stage 1
Langer Transfer, Akku sparen (dazu später mehr) und hinauf auf den höchsten Hügel. Bereit für Stage 1. Für mich eine der besten! Oben flat out, rein in den Wald und auf einmal wird es eng. Richtig eng. Lenker mit 760 mm Breite sind schon fast zu breit, so eng ist es. Mit 3:10 min und ausschließlich bergab echt eine geniale Stage.
Stage 2
Kurz die Fire-Road hoch und direkt in die zweite Stage. Kurven, Kurven und noch mehr Kurven. Hier in Schottland geht es keine 20 m geradeaus!
Stage 3
Ein echtes Brett. Sausteile Kurven, die immer nass zu sein scheinen. Mit 4:14 min auch die längste Stage des Rennens. Nach unten hin immer steiler, immer technischer und immer anstrengender. Kurz vor Ende hat mich dann eine Sniper-Wurzel querkommen lassen. Fuß raus, kurz Beifahrer und in den nächsten Anlieger gerettet. Das war knapp …
Auf zur Stage 4 – POWERSTAGE
Für mich die Highlights der E-Bike Rennen. Hier in Schottland wählte man eine DH-Strecke aus, die es hochgeht. Zur Erschwerung wurden Schikanen, kurze und knackige Stufen in der steilen Auffahrt und auch ganz frische Abschnitte eingebaut. Für mich eine absolut gelungene Uphill-Stage mit vielen Linien. Ich kann mich selbst mit der zweitschnellsten Zeit belohnen, so macht E-Biken einfach Bock.
Mit dieser Stage geht auch Loop 1 zu Ende. Ab in die Pits, Akkus tauschen und den angefangen Akku ans Ladegerät hängen. Laut EWS100-Reglement sollen zwei Akkus genügen. Wir werden es sehen. Nach 20 Min. Pause geht Loop 2 los. Auf die Minute eingecheckt, es ist wirklich keine Zeit zum Trödeln.
Stage 5
Oben ein langes, flaches Tretstück zu Beginn, bei dem das E-Bike bei genau 25 km/h abschaltet und man aufgrund des weichen Bodens keinen km/h mehr zulegt. Auf diesem Stück ist vor allem im Training auffällig, dass einige Fahrer spürbar schneller unterwegs sind als andere. Meine Vermutung ist, dass entweder offene E-Bikes gefahren werden oder welche mit amerikanischen Softwares unterwegs sind, die in etwa bis 32 km/h unterstützen. Dazu aber später noch einmal mehr.
Zum Ende hin wird die Stage steil. Richtig steil und natürlich eng. Sehr technisch bis zum Ende, auch weil man zweimal durch ein kleines Flussbett muss. Hier lagen im Training einige Fahrer am Boden.
Auf einem Single Trail geht es bergauf zur nächsten Stage. So macht E-Biken Spaß!
Stage 6
Noch einmal eine flache Stage mit extrem vielen Wurzeln, Steinen und echt vielen engen Bäumen. Ich kann im Vergleich zum Training echt einen guten Rhythmus finden. Ich fahre nur Mainlines und kann ohne großen Fehler ins Ziel fahren. Das gibt Selbstvertrauen und ich will ab hier noch einmal aufdrehen, vor allem weil als Nächstes meine Lieblings-Stage ansteht. Zuerst geht es aber als Transfer einen extrem technischen Singletrail berghoch. Eine echte Herausforderung – und das auf den Zwischenetappen.
Stage 7
Oben angekommen, ist die Vorfreude groß! Los geht es erst mal mit 90 Sekunden durch tiefen Matsch wühlen. Ich find’s geil. Ab der Mitte dann viele geile Kurven mit viel Speed. Massig Platz und einfach geiler Boden bringen das erste Mal richtig Flow auf! Mit Platz 3 auch meine schnellste Stagezeit bergab.
Stage 8
DH-Mashup: die Downhill Hauptstrecke mit E-Bikes runterballern: Feuer frei! Einfach eine geile Strecke, die auch im normalen EWS Rennen als Pro-Stage gefahren wird. Etliche Zuschauer bringen Stimmung rein und mit knapp 4 min auch ein echtes Brett.
Im Ziel angekommen geht es zurück ins Pit, Loop 2 ist beendet. So langsam merke ich auch, dass meine Fitness nachlässt. Gute 2000 Höhen- und Tiefenmeter in den Beinen.
Am Maxxis Racesupport-Zelt angekommen, muss ich leider feststellen, dass mein erster Akku nicht voll geladen ist. Mit knapp 90 % muss ich also in Loop 3 starten. Die Zeitfenster sind auch in der 100er-Klasse wirklich sehr knapp, sodass man nicht in Eco fahren kann, um etwas Akku zu sparen. Zu dem Zeitpunkt wird mir klar: Noch 5 Stages, wovon eine noch einmal Uphill ist. Das wird richtig eng mit dem Akku. Gerade die oberen 10 % Akkuleistung machen viel aus.
Stage 9
Es geht da weiter, wo der Tag anfing – nämlich wieder bei Stage 1. Die jetzt deutlich ausgefahrenere Strecke in Kombination mit der physischen und mentalen Ermüdung machen mir wieder einmal mehr deutlich:
Willkommen bei der EWS!
Ich versuche, die Strecke, so gut es geht, rund zu fahren und treffe sogar einige Pro-Lines, die ich beim ersten Mal nicht getroffen hatte. Trotzdem muss ich es generell ruhiger angehen lassen als noch am Anfang des Tages. Unterm Strich sind die Zeiten trotzdem fast gleich schnell.
Stage 10 & 11
Ich fahre alles gefühlt etwas runder und kann trotz der mangelnden Fitness schnellere Zeiten fahren als im ersten Loop. Ich versuche so gut es geht meine Reserven zu sparen, um vor allem ohne Stürze ins Ziel zu kommen.
Stage 12
Die zweite und letzte Powerstage steht an. Vor mir ein Fahrer, der den Uphill hochfährt, als würde er Motocross fahren. Sichtbar schneller als die zwei anderen Fahrer zuvor. In mir kommen wieder Zweifel auf, ob da alles mit rechten Dingen zugeht.
Zurück im Fokus und mit viel Ehrgeiz geht es für mich rein in die Powerstage. Alle Linien so getroffen wie geplant. Richtige Gangwahl und voll durchgezogen, belohnen mich wieder mit der drittschnellsten Zeit. Für mich ein sehr positives Gefühl, in den Powerstages so gut abgeliefert zu haben.
Auf dem Weg zur 13. Stage
Aus der Powerstage raus, mit noch 15 % Rest-Akku, will ich mich schon freuen. Schließlich sollte es kein Problem sein, die Fire-Road in einem niedrigeren Unterstützungsmodus hochzufahren und auch das Zeitfenster einzuhalten.
Doch dann die böse Überraschung. Entgegen der erwarteten Fire-Road geht es für uns in den technischen Uphill, den wir schon zur Stage 7 absolvieren mussten. Dieser Uphill ist unmöglich auf niedriger Stufe zu fahren und ich muss mein Bike schieben. Erstens hätte der Akku sowieso nicht durchgehalten, da er ab 10 % Restleistung extrem schnell abfällt. Zweitens brauche ich noch etwas Saft für die Stage. Ich renne also. 20 min mit einem 180er-Puls. Neben mir mein 25-kg-E-Bike schieben und ich bin kurz davor, durchzudrehen. Außerdem sitzt mir noch die Zeit im Nacken, schließlich muss ich in der vorgegebenen Zeit finishen.
Ich kämpfe und habe so viel Hass in mir, dass ich es irgendwie schaffe, in der Zeit oben anzukommen. Noch von drei Fahrern vorgelassen, starte ich ohne Pause in die letzte Stage – mit 3 % Akku.
Stage 13
Ich kann im oberen, flachen Stück noch etwas von der niedrigen Unterstützung profitieren, aber muss nach gut 30 m feststellen: Akku leer. Und der Akku meines Körpers auch.
Nach 2 Min. Stagezeit verliere ich kurz die Konzentration und finde mich im schottischen Dreck wieder. Aufstehen, weiterfahren und irgendwie noch runter …
Im Ziel angekommen, bin ich sichtlich frustriert. Den ganzen Tag fand ich keinen Flow auf den Strecken, meine Fitness war nicht so gut wie sie hätte sein müssen und dann noch dieses Drama mit dem Akku.
EWS-E-Ergebnis: Sechster!
Ich beruhige mich wieder etwas und bin überrascht von dem guten Ergebnis, nachdem der ganze Tag nicht so gelaufen war, wie ich es mir erhofft hatte. Mit etwas kühlerem Kopf findet dann das Finishline-Interview statt. Ich sage, dass dieses Streckenlayout mit den vorgegebenen Zeiten nicht viel Spaß machte. Wer hat schon Bock, ein E-Bike zu schieben? Das halbe Starterfeld konnte die vorgegebene Zeit nicht einhalten und alle Fahrer, die einen 625er-Akku oder kleiner hatten, mussten ohne Akku den letzten Uphill fahren beziehungsweise schieben. Das war unnötig! Vor allem, wenn im Reglement steht, dass zwei Akkus reichen.
Zu Beginn war der Frust sehr groß, aber mit etwas Abstand muss ich mir eingestehen, dass es die World Series ist, bei der ans Limit gegangen werden muss. Für das nächste Rennen werden die nötigen Vorkehrungen getroffen, um bei dieser noch jungen Sportart solch grobe Fehler, wie das schlechte Akkumanagement, zu vermeiden.
Beim Checken der Ergebnisse fällt dann auf, dass Fahrergewicht, Motorleistung und Bike-Set-up eine enorm große Rolle bei den Uphillstages spielen und teilweise bis zu 30 Sekunden auf 2 min Stagezeit ausmachen. Ich hörte mich dann auch mal um, ob von irgendjemandem das Bike gecheckt wurde. Egal, ob Pro- oder 100-Klasse: Fehlanzeige. Ich konnte es kaum glauben, dass im Endeffekt niemand kontrolliert wurde. Auch nach Rücksprache mit dem Race-Director, ob es Kontrollen gab: wieder Fehlanzeige!
Ich muss mich damit abfinden, dass es scheinbar einige Fahrer gibt, die das ausnutzen. Ich gab Feedback an den Race-Director und an die EWS-Organisation. Auch 2021 wurde bei der EWS-E in der Schweiz meines Wissens kein Bike gecheckt.
EWS-E – Mein Fazit
Geile Location, geile Trails und super Wetter machten meinen Schottlandtrip zum Traumausflug. Mit einem guten Ergebnis geht es in 14 Tagen nach Slowenien zum zweiten Stopp und ich bin gespannt, was uns dort erwartet.
Ich persönlich finde, dass in der Sportart E-Bike-Racing bei einer EWS die Fahrzeuge genauso kontrolliert werden müssten, wie die Fahrer auf Doping kontrolliert werden müssen. Ist dies nicht der Fall, hält sich meine Motivation stark in Grenzen, diese Rennserie in Zukunft weiterzufahren.
Chris wird für uns auch von den weiteren EWS-E-Races berichten. Bitte bleibt dran für einen schmissigen Artikel vom nächsten Event am 16. bis 19. Juni 2022 mit gleich zwei Austragungsorten – dem slowenischen Jamnica sowie dem Bikepark Petzen in Österreich.
E-Doping beim E-Rennsport – müssen Veranstaltende darauf mehr Acht geben?
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23 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumAlso die Veranstaltung ist doch ein Witz.
11 Wertungsstrecken mit insgesamt 12 km auf denen bergab gebolzt wird
2 wertungsstrecken mit insgesamt 600 m auf denen man tatsächlich den Motor braucht. Klasse
Gesamtstreckenlänge mit den Verbindungsstrecken zu den Stages ist 65 km und 2833 Höhenmeter. Für die Verbindungsstrecken gibt es ein enges Zeitfenster. Hier haben die Bikes mit dem größten Akku und dem stärksten Motor natürlich den Vorteil, vor allem wenn sie eventuell noch über 25 km/h unterstützen.
Teilnehmer mit kleinerem Akku und schwächeren Motor haben die Arschkarte gezogen. Um die Verbindungsstrecken im Zeitlimit zu schaffen und nicht den Akku komplett leer zu saugen müssen sie strampeln wie die Weltmeister und selbst dann mussten einige Teilnehmer die letzte Powerstage schieben weil der Akku leer war.
Andererseits hätte ja jeder wissen müssen wenn ich 2800 hm mit Vollgas fahren will/muss reichen zwei 625 Wh Akkus definitiv nicht.
Man kann mit bezahlaccount an desktop alle stages genau auswerten. Ist aber arbeit und von vorteil wenn man selbst dabei war. Wenn man mit der maus die aufgezeichneten kurven abfährt erfährt man höhe, geschwindigkeit, watt, hf, tf usw usw da gibt es tolle analysevideos im rennradbereich.
Ebike interessiert zuwenig und das wird keiner machen. Schon gar nicht emtb news den verfechtern der subjektiven geschichtenerzählung.
Die fahrer sind auch nicht so aktiv und Auskunftsfreudig. Ich hab lange gebraucht bis ich einen gefunden habe. Im xc oder rennradbereich gibt es strava accounts, die haben mehr klicks als die ganze seite hier.
Solange die berichterstattung mit absicht so nebulös ist wird sich da auch nix ändern.
Wenn texi sagt er ist 6 stunden auf anschlag gefahren dann könnt er die fahrt auf seinen strava account mit hf laden. Tut er aber nicht. Und danach fährt er noch die normale ews. Schöne vorbelastung, aber keine vernichtung.
OK, mir fehlt beides.
Aber wäre schon spannend zu wissen, ob bei der erwähnten Steigung "übermenschliche" Leistung zu Gange war.
Der zweite Bericht bestätigt, dass die Kurssetzung der wichtige - und äusserst mangelhaft - Punkt ist.
Die Bereichtertattung liegt aus dem selben Grund im Argen wie ein "BikeCheck" eine Witz ist: Um ein System zu Kontrollieren ist es erfoderlich, es zu verstehen.
Nur leider drängt sich bei mir der Eindruck auf, die Berichterstatter wollen es nicht verstehen, weil denen DH-Action Fotos reichen und die Verantalter / Lizenzgeber wollen es nicht verstehen, weil sie die Kosten ahnen.
Von petzen gibt es eine hf aufzeichnung. Da sind die transfers dabei.
Der letzte anstieg wurde soweit ich das gelesen habe wegen wetterumschwung mit dem lift gefahren.
Der erste anstieg wurde soweit ich das verstanden hab auch geliftet bis zum start.
Ich versteh das bei einem ebike endurorennen eher weniger aber gut. Konzept noch ausbaufähig würd ich sagen.
Man orientiert sich meiner meinung zu stark am mtb. Selbst beim gestrigen franken marathon gibts einfach eine ebikeklasse. Klar das boomt.
Aber ich würd mich eher an einem 24stundenrennen, oder den motorrad endurorennen orientieren. 2-3 stunden all out quer über den berg.
Sowas wie ein avalanche rennen nur mit anstiegen und transfers. Zeit alles werten. Wer abfahren will mit Liftunterstützung kann auch die normale ews fahren. Eine powerstage ist dem massiv erweiterten einsatzbereich eines ebikes doch nicht würdig.
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