Mit der richtigen Fahrtechnik in den E-Bike Sommer starten: Fahrtechniktrainer Marc Brodesser von der Bikeschule Ridefirst zeigt euch in diesem Artikel schrittweise, wie man Techniken wie das Hinterrad Versetzen und den Bunny Hop erlernen kann und so zu noch mehr Spaß auf dem Trail kommt.
E-MTB Fahrtechnik mit Marc Brodesser
Jeder kennt es: Fahrtechnik-Artikel für E-Mountainbiker/innen beinhalten meistens Bewegungsabläufe in Sequenzbildern und dazugehörige Tipps. Aus dem „So geht das Hinterrad Versetzen“ wird hiermit ein „So könnt ihr das Versetzen erlernen!“ Dafür gibt euch Fahrtechnik-Coach und Youtuber Marc Brodesser von der Bikeschule Ridefirst.de in Sauerland und Umgebung wichtige Anleitungen fürs Üben und zeigt die typischen Fehler bei diesen Klassiker-Fahrtechniken auf. Ohne die Rückmeldung durch einen Fahrtechnik-Trainer oder die Selbstanalyse via SloMo-App registriert man eingeschlichene Fehler häufig kaum bis gar nicht. So wird das Erlernen dieser wichtigen Bewegungsabläufe sehr schwierig. Denn auch wenn E-Mountainbikes schwerer sind als Enduro- oder Touren-Bikes, ist auf ihnen im Gelände der Spieltrieb im Trail schnell geweckt. Also weg mit Stigmata wie dem typischen Satz „Auf meinem E-MTB können Bunny Hop, Manual und Wheelie nicht gelernt werden, zu schwer“! Auch Späteinsteiger können auf ihrem elektrisch unterstützten Geländefahrrad die hohe Schule der Fahrtechnik meistern, wenn sie denn genug Geduld und Fleiß mitbringen. Hier geht es zu Teil 2 der E-Bike Fahrtechnik, Wheelie und Manual.
Häufige Fehler beim Üben der E-MTB Fahrtechniken & Lösungen
Viele E-Biker/innen üben daheim zwar sehr eifrig, machen aber dabei unbewusst einige typische Fehler, die das Erlernen von Basics der Fahrtechnik auf E-MTBs erschweren. Als Fahrtechnik-Coach beobachtet man diese sehr häufig und kann mit gezielten Anweisungen Tipps geben, damit man unter Strom auch schnell Erfolgserlebnisse sammeln kann.
Hier findet ihr einen weiteren passenden Artikel: Fahrtechnik Teil 2 – Wheelie und Manual
Hinterrad Versetzen
Jetzt geht es um das Versetzen des Hinterrades. Dieses fahrtechnisch und mental sehr anspruchsvolle Manöver ist auf dem Hardtail genauso gut machbar wie auf dem Fully. Da auch hier wieder das Grundprinzip „vom Leichten zum Schweren“ gilt, stehen vor der Praxis im Spitzkehren-Trail mehrere Lernschritte in der Ebene und auf breiten Wegen bergab auf dem Programm. Schon dabei schleichen sich häufig Fehler ein oder die Übungs-Inhalte oder Vorgehensweisen führen in Sackgassen. Hier die Tipps von Marc Brodesser:
Fokus auf Parkplatz-Version: Eine spaßige, aber für das Gelände wenig zielführende Variante ist es, auf dem Parkplatz das Heck rumzuwerfen. „Kurve – Bremse – Hüfte“ lautet dabei das Credo, welche viele Jahre als Vorübung für das Versetzen im Trail gelehrt wurde. Doch die Nachteile überwiegen in Spitzkehren, das ganze System Mensch und Bike kippt dabei häufig nach außen, was man aktiv ausgleichen muss. Zudem steht das Vorderrad dann suboptimal zur Trail-Richtung.
Lösung: Die moderne Versetz-Methode step by step angehen. Dabei geht es weniger darum, aktiv das Hinterrad nach außen zu werfen, sondern um das Prinzip „das Hinterrad folgt dem Vorderrad“.
Hier die Lernschritte:
- Das Gefühl für die Vorderradbremse optimieren – Fingerspitzengefühl ist dabei gefragt, ein dosiertes Schleifen anstatt eines Zuckelbremsen sollte Standard sein!
- Aufs Vorderrad: Mithilfe der Vorderradbremse und einer Tief-Hoch-Bewegung (Beine strecken sich) das Hinterrad in die Luft bringen. Körperspannung dabei halten und zentral bleiben. Klein anfangen und langsam anfahren! Damit muss man sich wohlfühlen, Überschlagsängste werden dann weniger. Dann auf einer Straße oder breitem Weg mit festem Boden und viel Gefälle bergab eine bestimmte Art von kleinen Nosewheelies üben: Vor allem so, dass das Vorderrad nicht komplett blockiert und man dann mit schleifender Vorderradbremse ein Stückchen auf dem Vorderrad rollt!
- GRENZEN TESTEN: Um volles Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten auf dem Vorderrad zu entwickeln, können fortgeschrittene Fahrer/innen ans Limit gehen – je höher das Hinterrad kommt, desto mehr man es per Beugen der Beine ausgleichen!
FALSCH: Viele lassen sich nach vorne schieben. Besser langsam steigern und durch Körperspannung zentral bleiben. Es hilft vor Beginn dieser Übung, die Fersen schön hängend zu haben.
HINWEIS: Nicht selten gehen Biker/innen beim Üben daheim über den Lenker, zumeist, weil sie zu schnell angefahren sind im ersten Stadium der Lernphasen – die Verletzungsgefahr ist dabei groß! Also STEP BY STEP klein anfangen und sich langsam steigern. Wer will, kann eine ebene Wiese nutzen für ein sicheres Gefühl.
- Nun eine imaginäre Kehre dort nutzen, um die Schräglage des Bikes (Sattel ans innere Bein legen) und ein bewusstes Einlenken vorne hinzuzunehmen. Dann wieder den Nosewheelie-Impuls setzen und das Hinterrad wird dem Vorderrad folgen, wenn man aus der blockierten Vorderradbremse in das schleifende Vorderrad kommt. Man kann nun variieren, z. B. zwei kleine Versetzer machen oder einen mit längerem Nosewheelie.
Häufige feste Gewohnheit, die beim Üben einen Umlernprozess benötigt: „Das Hinterrad nach außen schieben“ (auch genannt Heckschleuder):
- In den Übungskehren im Trail die häufig wiederholte Technik anwenden – step by step!
Richtig: Dynamisches Versetzen mit dem Prinzip „das Hinterrad folgt dem Vorderrad:
Tipp: Anfangs die neue Technik auf der starken Seite üben, dann aber auch schnell die schwache Seite trainieren, wenn die Technik einmal sitzt. Extreme Kehren mit Absturzgefahr beim Üben erst meiden, unter starkem Stress kann man schlecht etwas Neues lernen.
Bunny Hop
Auch mit dem E-Mountainbike trifft man immer viele Passagen im Trail, wo auch bei Tempo ein Hindernis den Weg versperrt und man am liebsten per Bunny Hop darüber hüpft.
Der Hasensprung lädt jedoch zu folgenden suboptimalen Gewohnheiten/Fehlerbildern beim Üben ein:
- Standard-Hop als Gewohnheit: Auch hier wieder das Thema feste Gewohnheiten. Viele haben den Standard-Hop schon voll automatisiert, was das Erlernen der Bunny Hop Bewegung deutlich erschwert.
Lösung: Den Reset-Knopf drücken und wieder bei Null anfangen. Erst das saubere Vorderrad-Anlupfen üben (siehe Manual), dann das Gleiche beim Hinterrad. Dann beides zur Wippe chronologisch hintereinander verbinden. Erst dann die Dynamik des Bunny Hops hinzufügen! Sich per Smartphone oder Tablet zu filmen hilft dabei ungemein!
- Fehlende Baby Steps: Viele wollen alles sofort und probieren direkt Bunny Hops, jedoch kommt man effizienter weiter und vermeidet Fehlgewohnheiten, wenn man es in einzelnen Schritten angeht (siehe Standard-Hop Gewohnheit)!
- Reißen aus den Armen am Lenker fürs Vorderrad-Anlupfen: Siehe Manual.
- Anfersen statt Abspringen: Verbreitet ist es, dass Biker/innen das Hinterrad hochlupfen, indem sie die Füße in die Pedale verkeilen und dann das Hinterrad aus den Hachsen hochziehen (dabei beugen sich die Beine stark und beim Aufprall des Hinterrades knallt es laut).
Lösung: Erst ohne Bike, dann mit Bike eine natürliche Sprungbewegung üben. Tief gehen und ZACK die Beine explosiv und nach oben springen – auf dem Bike müssen natürlich die Füße in die Pedale eingekeilt sein. Übt man diese Bewegung fürs Hinterrad-Anlupfen, auch erst wieder in Zeitlupe ausführen, dann dynamischer! Tipp: Es hilft, diese Bewegung aus leicht nach hinten versetzter Position zu üben, da sonst das Vorderrad häufig in die Höhe geht. Zudem wird man sie im Bunny Hop dann auch von dort aus starten. Wichtig: Fokus eher auf das Springen nach oben legen, viele Lehrlinge springen zu sehr nach vorne, dabei kommt es nicht zur Beinstreckung und die Knie gehen unnatürlich nach vorne.
- Füße lösen sich von Pedalen: Wer das „Sich-Einkeilen“ noch nicht automatisiert hat, verliert beim Absprung aus den Beinen schnell die Pedale. Das passiert jedem anfangs, also IMMER mit Schienbeinschonern üben!
Lösung: Sich subvokal ein Kommando geben hilft sehr, konzentriert den Druck der Füße auf den Pedalen zu halten. Die Fußspitzen senken sich dabei ab und man drückt mit der Sohle nach hinten gegen die Pedale. Gleichzeitig spürt man Druck am Lenker in der Handfläche, so ist man im System eingespannt. Trockenübung: Sich über das Oberrohr stellen, den einen Fuß auf dem Boden, der andere drückt gegen das nach hinten zeigende Pedal. Mit diesem Fuß dann seitlich das Bike in die Höhe heben.
- Dämpfer schluckt den Absprungimpuls: Wenig Reaktion des Bikes, da die Federung beim Üben den Impuls zum Hinterrad-Anlupfen wegschluckt.
Lösung: Dämpfung etwas straffer stellen kann helfen. Beim isolierten Üben des Hinterrad-Anlupfens kann man auch den Rebound des Dämpfers nutzen. Sprich: Vor dem Abspringen den Dämpfer per dynamischem Tiefgehen komprimieren und das Ausfedern dann beim explosiven Abspringen nutzen (Beine strecken sich)!
- Hinderniswahl: Sich ab einem gewissen Zeitpunkt ein Hindernis hinzulegen, kann sehr helfen (nur bei Wenigen lenkt es zu sehr ab, meistens hilft es für Tempo und Timing). Doch zu dicke Hindernisse sollten anfangs vermieden werden.
Lösung:Ein sehr dünner Ast passt super, auf Asphalt kann man auch abgerundete Mini-Bordsteinkanten ideal nutzen. Trainiert man an der Höhe sollten bei steigender Größe der Hindernisse immer etwas genommen werden, was nachgibt! Ein Schuhkarton eignet sich dafür super.
Material-Tipps: Investieren lohnt sich da: Hochwertige Flatpedals und dazu passende Schuhe sind Pflicht, Knie-/Schienbeinschoner sind zu empfehlen! Sattel absenken ist natürlich ein Muss, Gabel und Dämpfer etwas straffer stellen kann auch helfen.
Gelingendes Bewegungslernen
Das persönliche Fahrtechniktraining sollte vielseitig gestaltet werden, damit der Spaß und die Motivation beim Lernen helfen (positive Emotionen). Allgemeine Punkte dazu:
- Schritt für Schritt Vorgehensweise: Nicht nur komplizierte Bewegungsabläufe wie Bunny Hop oder das Hinterrad Versetzen benötigen „baby steps“! Trockenübungen und langsame Ausführungen der Bewegung sind häufig Voraussetzung für das Erlernen neuer Moves!
- Parkplatz und Praxis: Das Üben sollte ohne Ablenkung ablaufen, sprich man benötigt Platz und Ruhe! Wer Manuals direkt bei hohem Tempo oder unebenen Untergrund übt, kann sich schlecht auf die wesentlichen Punkte konzentrieren.
- Stets machbare Herausforderungen angehen: Ziele setzen ist wichtig, doch sie sollten realistisch und zu schaffen sein. Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und ein gesundes Selbstvertrauen helfen bei der Einschätzung! Nur so lernt man effizient – ohne Frust und selbstgeschaffenen Zusatzstress.
- Häufige Wiederholungsfrequenz praktizieren: Am besten täglich oder mehrfach pro Woche üben! Nur so werden Bewegungen abrufbar. Ein Thema wie z. B. den Wheelie dann nicht länger als 20 Minuten trainieren, besser Abwechslung einstreuen oder auch einfach mal Trails fahren.
- Faktoren wie Müdigkeit, Stress, Gefahrenreize und Tagesform beachten: Unter negativen Emotionen wie Stress oder Druck kann man nicht effizient lernen – positive Gefühle wie Spaß und Euphorie hingegen sind Lerndünger! Wichtig: Selbst beim Üben von Bunny Hop & Co. haben sich schon einige Biker/innen verletzt! Also auf den eigenen Körper hören und die Brechstange weglassen.
- Videoanalyse per Tablet, Smartphone nutzen: Hilfreiche Super-SloMos gibt es als Apps wie Coach‘s Eye, doch die modernen Smartphones und Tablets haben in der Kamera schon gute Zeitlupen-Funktionen.
Wie findet ihr die Tips vom Fahrtechniktrainer? Welche der gezeigten Fahrtechniken beherrscht ihr schon?