Hausbesuch: TQ-Drives sitzt in Inning am Ammersee – und was so idyllisch nach Urlaub in den bayerischen Voralpen klingt, ist die Heimat eines der spannendsten Antriebe für E-Bikes der letzten Jahre. Wir nutzen einen verregneten Juli-Tag, um gemeinsam mit Holger Meyer den TQ Key Account Manager für Scott, Felix Heine, zu besuchen. Vorhang auf für den Hausbesuch – ein spannender Blick hinter die Kulissen.
Hausbesuch TQ-Drives – Inning am Ammersee, Deutschland
Wie differenziert man sich in einem Umfeld, das schon von einigen guten Spielern besetzt ist? Noch dazu, wenn man keine direkte Industrieerfahrung hat? So oder so ähnlich könnte die Eingangsfrage seinerzeit bei TQ gelautet haben, als das Team anfing, seinen ersten Elektroantrieb für Fahrräder zu entwickeln. Das erste Produkt hatte dann eine ganz klassische Antwort: Man hat mehr Wumms. Genauer gesagt 120 Nm. Das war vor zehn Jahren. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll ein erster Kunde zunächst wohl nach 200 Nm gefragt haben. Allein: Der Durchbruch blieb aus.
Zeitsprung, 2022. Pedelecs verkaufen sich besser denn je. Es gibt mehr und bessere Antriebe als je zuvor. Und TQ greift das Thema wieder auf. Doch dieses Mal nicht rein nach dem Motto höher, schneller, weiter. Im Wettbewerbsvergleich fast bescheidene 50 Nm liefert der TQ-HPR50, der im Trek Fuel EXe Weltpremiere feiert (Link zum Test: Trek Fuel EXe). Doch dieses Mal wird es was: Stand September 2023 sind verschiedene Mountainbikes, Renn- und Stadträder von zehn Herstellern mit dem „kleinen“ TQ-Antrieb auf den Markt erhältlich. Ein Antrieb für eine neue Generation von Light-E-Bikes. Montiert im Scott Lumen konnte ich um Ostern selbst erste Erfahrungen sammeln. Das Ergebnis: im Vergleich leichter, vor allem leiser. Und mit 300 W maximaler Unterstützung auf Dauer dennoch stärker als meine Beine, egal an welchem Tag.
Über TQ Systems: Das Kürzel „TQ“ steht für „Technologie in Qualität“, gegründet im Jahr 1994. Der Fokus, damals wie heute: das Layout gedruckter Schaltungen. Heute hat das bayerische Unternehmen über 2.050 Mitarbeitende und bietet Lösungen von Luft- und Raumfahrt über Medizintechnik und Robotik bis hin zu Mobilität an. Allein unter eigenem Namen findet man die Bauteile selten: TQ arbeitet eigentlich als White-Label-Hersteller. TQ Systems hingegen geht im E-Bike-Segment nun mit eigenem Namen auf den Markt.
Nun habe ich zum ersten Mal direkt mit TQ zu tun, denn ich bin zum Hausbesuch eingeladen. Und damit das Ganze nicht nur Technik, sondern auch Erlebnis wird, ist Scott-Markenbotschafter Holger Meyer gleich mit eingeladen. Holger ist seit dem Jahr 2000 für Scott unterwegs und blickt auf eine Profikarriere im Mountainbike-Downhill zurück – die war in den 90er-Jahren, als es eigentlich noch gar keine Downhill-Bikes nach heutiger Vorstellung gab. Heute organisiert er verschiedene Events mit seiner Frau Karen Eller und der gemeinsamen Firma Die Rasenmäher. Gemeinsam stehen wir an diesem April-haft regnerischen Julitag vor dem TQ-Firmensitz in Inning am Ammersee. Eine gute halbe Stunde westlich von München werden hier die TQ-HPR50-Motoren montiert, aber auch entwickelt, eingekauft, der Service geplant und natürlich die Motoren in OEM-Projekten appliziert. Das wollen wir genauer sehen und idealerweise noch einen Ausblick auf die weitere Entwicklungsrichtung bei TQ erhaschen.
Unser Gastgeber ist Felix Heine, Key Account Manager bei TQ und seit vier Jahren im Team. Begonnen hat er seine Arbeit direkt mit dem HPR50 und war damals weitestgehend alleine unterwegs. Ein weiterer Vertriebler kümmerte sich um den HPR120S. Die Aufgabe des heute 32-Jährigen war es, die richtigen Partner für den neuen TQ-Antrieb an Land zu ziehen. Dabei half ihm wohl, dass er seit acht Jahren für Scott fährt – so wurde das Scott Lumen (Test: Scott Lumen) zu einem der ersten Räder mit TQ-HPR50-Antrieb. Ursprünglich war Felix im Downhill zu Hause (inkl. World Cups und WMs), dann kamen Enduro (inkl. EWS und E-EWS) und jetzt auch E-Bike hinzu. Zuletzt ist er dabei mehr als Ambassador unterwegs und weniger als Rennfahrer – vor allem, weil er sich zu Beginn der Saison kompliziert am Finger verletzte.
Und weil das hier kein Hausbesuch wie jeder andere ist, geht es ab hier einfach im Interview weiter!
Tobias Stahl, EMTB-News.de: Holger, viel zu lange nicht gesehen. Schickes Lumen!
Holger Meyer: Tobi, in der Tat. Was machst du denn hier? Spaß, lass uns mal reinschauen. Sind wir schon zu spät?
[Wir lassen die Autos stehen und gehen zum Eingang. Wir klingeln. Es tut sich nichts, doch dann erscheint auch schon Felix und öffnet die Türe. Wir wurden erwartet! Direkt neben der Eingangstüre grinst uns der Held der Woche aus seinem goldenen Bilderrahmen an. Alle Flure und Treppenhäuser sind mit Portraits der Mitarbeitenden geschmückt; jede Woche wird der oder die Held*in des Monats prominent am Eingang geehrt.]
Felix Heine: Dann kommt mal rein. Holger, Tobi – herzlich Willkommen bei TQ! Kommt mal mit hoch in den dritten Stock. Kaffee?
Holger: Ja, absolut.
Tobias: Nee, danke.
Holger: Servus, macht ihr gerade ein Meeting? Ich wollte schon immer mal sehen, wie so ein Meeting im echten Büro so aussieht. Bin ja von Beruf eher draußen unterwegs. Das sieht doch gar nicht so ungemütlich aus.
[Wir machen es uns zum Ankommen in einem Besprechungsraum gemütlich, Anna Vodičková und ihr Kollege Alexander Heufel aus dem Marketing stoßen dazu. Der Tisch ist gedeckt mit allerlei Prototypen und Bauteilen der TQ-Antriebe. Holger schnappt sich eine Leiterplatte.]
Holger: Da ist das Zeug, wonach alle gesucht haben. Zumindest die Autohersteller. Da konnte ja letztes Jahr keiner liefern. Fast wie Shimano und die Bremsscheiben.
Felix: Ja, Halbleiter waren wirklich ein knappes Gut. Und für uns eines der Bauteile, bei dem wir auf Basis unserer Erfahrung aus anderen Industrien wirklich einen Unterschied, zum Beispiel hinsichtlich des Formfaktors, machen können. Schau mal hier, das war einer der ersten Prototypen, die wir an OEMs (OEM: Original Equipment Manufacturer – auf Deutsch: Erstausrüster oder, um in der Fahrradwelt zu bleiben, eine Bikehersteller. – Anm. d. Red.) herausgegeben haben. Das Gehäuse ist hier noch gefräst, weil Prototyp, in der Serie ist das jetzt ein Magnesium-Gussteil. Da siehst du, wie groß das Gehäuse für die Elektronik noch war. Und die OEMs haben gesagt: Das ist genau der Teil, der uns weh tut, das wird uns stören. Unsere Elektronikentwickler haben es dann geschafft, die absolut kleinste Leiterplatte für dieses System zu entwickeln. Das ist das, was wir als TQ seit 29 Jahren machen. In der Serie haben wir die Länge der Leiterplatte mehr als halbiert und entsprechend auch den Auswuchs am Gehäuse abschneiden können. Zack.
Tobias: Ist das dann euer USP: kompaktes Package?
Felix: Das kann man so sagen, auch wenn es natürlich nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal ist. Aber ein Bike wie das Scott Lumen, bei dem der Dämpfer im Rahmen direkt über dem Innenlager steht – das wäre mit einem anderen Motor so nicht realisierbar. Ich zeig euch das mal am Schnittmodell.
Das hat die Vorentwicklung für uns gebaut, weil wir gesagt habe: „Hey, wir brauchen ein cooles Modell, um das Innenleben zeigen zu können.“ Und die waren dann gleich so: „Boah, ja, lass machen.“ Das sind Freigeister in der Vorentwicklung. Die haben wir nicht mal hier am Standort, sondern für volle Unabhängigkeit nach Peiting ausgelagert. Also kommt da dann gleich mal so zurück: „Kann man das dann nicht noch blau beleuchten?” „Sollen wir das so machen, dass es sich dreht und irgendwie blau blinkt.“ Aber wir haben das Modell in 40 Stunden gebraucht und die Kosten sollten auch nicht komplett aus dem Ruder laufen. Außerdem will ich das Schnittmodell ohne Sorge mitnehmen können. Da mussten sie ihre Ambitionen ein wenig runterschrauben.
Vom Grundaufbau her ist unser Motor eine Hälfte Getriebe und eine Hälfte Elektromotor.
Holger: Soll sich das hier drehen?
Felix: Stopp, nein. Eigentlich nicht. Das ist ein relativ stabiles Modell, aber da haben jetzt nach über einem Jahr schon zu viele Leute dran herumgespielt. Vielleicht müssen wir mal einen vernünftigen Transportkoffer herstellen.
Tobias: Dann schieß los: Was ist so spektakulär an eurem Motor?
Felix: Alles, wirklich alles. Nein, Spaß. Für mich sind das drei Hauptmerkmale, die es uns ermöglichen, einen so viel kleineren Motor zu bauen, als die Konkurrenz. Das zentrale Element ist unser Harmonic Pin Ring Getriebe, das sich als HPR im Namen wiederfindet. Technisch ist aber auch die Drehmomentsensorik und die Elektronik wirklich besonders. Das alles führt zu einem besonders kompakten Package. Wir haben vom Wissen und der Produktion her die Möglichkeit, wirklich spezifische Lösungen zu entwickeln. Gerade bei der Elektronik, da haben wir fast 30 Jahre Erfahrung darin, so klein und leistungsfähig wie möglich zu bauen. Wir machen kein Off-the-shelf mit Teilen, die wir eh haben. Alles ist 100 % für diese Anwendung spezifiziert und entwickelt. Das macht am Ende einen echten Unterschied. Andere Marktbegleiter mit höheren Stückzahlen werden es schwerer haben, solche Sonderentwicklungen zu rechtfertigen. Die Leiterplatten, die wir hier im Motor verbauen, werden am Hauptstandort auf Gut Delling gefertigt. Außerdem fertigen wir auch die gesamten Getriebeteile im Inneren des Motors selbst. Dadurch können wir sehr viel schneller auf Abweichungen reagieren oder aber auch Verbesserungen einsteuern – und sind dabei nicht von Lieferanten abhängig.
Tobias: Wie groß ist der Vorteil daraus, dass ihr so klein seid? Vom Gewicht her haben die letzten Neuvorstellungen der Eurobike ja doch ein wenig das Wasser abgegraben, was das Argument angeht, oder?
Felix: Die anderen können auch leicht, genau. Wobei wir mit wirklich allem drum und dran bei 3,9 kg liegen. Also Motor, Display, Lenkerfernbedienung und Batterie inkl. allen Leitungen, Schrauben und Bolzen. Eben das komplette TQ-HPR50 E-Bike System. Das ist nach wie vor Benchmark. Aber für die OEMs ist die Kompaktheit unseres Antriebs ein riesiger Vorteil. Das Scott Lumen ist wie gesagt ein perfektes Beispiel dafür: Es hätte kein anderes System mit dem integrierten Dämpfer in den Rahmen gepasst, ohne den Rahmen deutlich aufzublähen. Man könnte auch sagen: „Die [TQs Kund*innen, Anm. d. Red.] bauen keine E-Bikes damit, die bauen elektrifizierte Fahrräder“.
Tobias: Das klingt jetzt aber schon ein wenig nach einem Marketing-Claim …
Felix: Das ist es auch – aber es hat einen wahren Kern. Wir nehmen unseren Kunden nicht die Design-Vorstellung für ihr Produkt. Dadurch, dass wir so kompakt sind, können sie sich trotzdem voll austoben, was das Rahmendesign angeht. Und das ist einer der großen Punkte, warum wir jetzt mit dem HPR50 so erfolgreich sind.
Holger: Aber der Akku muss ja auch noch irgendwo hin, oder?
Felix: Stimmt. Wir bauen Stand heute 18650er-Zellen auf und sind damit sehr schlank im Pack. Wir brauchen ein ca. 380 mm langes gerades Rohr, dann passen wir rein. Und man muss natürlich den Akku einschieben können. Da gibt es verschiedene Lösungen: Bei Scott muss man den Motor ausbauen, um an den Akku zu kommen. Bei Trek oder auch Mondraker kann man ihn vor dem Motor herausziehen.
Tobias: Nochmal zurück zum Getriebe. Die meisten Leute werden nicht wissen, was ein Harmonic Pin Ring ist, oder?
Felix: Nein, und das brauchen sie auch gar nicht. Aber wenn es jemanden interessiert, zeigen wir das natürlich gerne. Das kann man hier ganz gut sehen. Das ist bei uns vom Design her eine ganz andere Lösung, die wir uns auch patentiert haben. Unser Getriebe hat deutlich mehr Zähne im Eingriff und keine klassischen Stirnradstufen. Das macht es einerseits kompakt, andererseits können wir andere Materialien wie Hochleistungskunststoffe in den Zahnrädern verwenden. Das reduziert den Verschleiß und macht die Akustik besser.
Holger: Stimmt, ich bin gerade auch wieder mit meinem Scott Patron gefahren mit dem Bosch-Motor, der ist deutlich lauter.
Felix: Zusätzlich kommt uns dann noch entgegen, dass das Gehäuse kompakt und voll strukturiert ist – das bietet wenig Resonanzkörper. Aber zurück zum HPR: Das Getriebe funktioniert so, dass ein innenverzahntes Zahnrad in einem außenverzahnten dreht. Das außenverzahnte Zahnrad ist elliptisch auf der Antriebswelle montiert, weswegen es im Laufe einer Umdrehung taumelt. So wandern die Zähne von Zahn zu Zahn und der Doppelzahnring wandert von Tasche zu Tasche. Und so funktioniert die Untersetzung, denn die Abtriebswelle dreht in unserem Fall dann deutlich langsamer. Wir haben ein Übersetzungsverhältnis von 1 zu 17,5. Das heißt, dass sich pro Umdrehung des Abtriebs der Antrieb 17,5 x drehen muss. Unser Motor dreht in der Regel um die 1.200 Umdrehungen pro Minute und eine typische Kadenz beim Biken liegt ja so bei 60 bis 90 Umdrehungen. Und weil der ganze Aufbau konzentrisch um die Innenlagerwelle angeordnet ist, bekommen wir die kompakte und quasi kreisrunde Bauform des HPR50s.
Tobias: Wohin geht die Entwicklungsrichtung bei euch, wenn du an den nächsten Schritt denkst?
Felix: Wir sind von der Übersetzung und von der Motorgeschwindigkeit her natürlich nicht festgelegt, sondern können skalieren. Das schauen wir uns in verschiedene Richtungen genau an und welche Anwendungsfälle sich daraus ergeben würden. Ein großer Vorteil ist, wie ihr seht, dass eben nicht nur zwei oder drei Zähne im Eingriff sind, sondern nahezu die Hälfte der Zähne. So verteilen wir die einwirkenden Kräfte über eine deutlich größere Fläche. So können wir an diesem Zahnrad, wie ihr seht, sogar Kunststoff einsetzen. Das spart Gewicht und ist auch besonders gut für das Gleitverhalten im Zusammenspiel mit den Metallzähnen des anderen Zahnrades – und somit positiv hinsichtlich Verschleiß und Effizienz.
Tobias: Was macht ihr, um die Wärme aus dem System zu bekommen?
Felix: Die Wärmeableitung läuft vor allem über das Gehäuse. Wir haben großflächige Wärme-Leit-Pads, die oben ans Gehäuse angebunden sind und die Wärme an das Gehäuse abgeben. Das wird dann wiederum durch den Fahrtwind gekühlt und gibt die Wärme an die Umgebung ab.
Tobias: Welche Kompromisse müsst ihr dennoch bei der Thermostabilität machen, zum Beispiel im Vergleich zu einem schwereren Full-Power-Motor?
Felix: Wir haben zunächst einmal weniger Wärmeentwicklung als ein Full-Power-Motor, weil wir weniger Leistung haben. Wenn unser Motor überhitzt, dann regeln wir das so diskret wie möglich mit der Software runter. Ich selbst habe aber noch nie ein Thema mit Derating gehabt. Wenn man nicht auf die Wattanzeige schaut, sollte man das kaum mitbekommen. Wichtig ist hierbei zu beachten, welche Zielgruppe das HPR50 System ansprechen soll. Der typische Zielkunde für das HPR50-System ist ein sportlicher Fahrer, der keinerlei Kompromisse in Sachen Agilität, Design und Bergab-Performance eingehen will. Wer einen Shuttle- oder Liftersatz sucht, ist mit dem HPR50 vermutlich nicht gut beraten, obwohl ich es auch hierfür persönlich immer öfter nutze. Am Ende des Tages eignet sich besonders für ein hohes Gesamtgewicht aus Rad und Fahrer oder aber das volle Shuttle Feeling ein High-Torque-System besser.
Holger: Wobei 50 Nm jetzt ja auch nicht wirklich low-torque ist, oder?
Felix: Marktseitig ist das nicht der exakte Titel, aber wir sind definitiv am unteren Ende dessen, was angeboten wird. Aber anders als unsere Marktbegleiter sind wir in dem Drehmomentbereich dann doch deutlich kompakter. Wie gerade erwähnt, ist unser System für eine bestimmte Zielgruppe gedacht. Wir richten uns an Leute, die bisher noch kein E-Bike fahren oder aber sportlich ambitioniert sind. Leute, die Unterstützung wollen, aber selbst aktiv bleiben und kein schweres Bike haben wollen. Ich fühle mich auf meinem Rad so, als ob ich den fittesten Tag meines Lebens hätte. Aber eben eher wie auf einem normalen Bike und nicht wie auf einem E-Bike. Es fühlt sich an wie immer, aber ich schaffe deutlich mehr Anstieg in weniger Zeit.
Holger: Das deckt sich ziemlich gut mit dem, was ich bei den verschiedenen Lumen Experience Rides, die wir so gemacht haben, mitbekommen habe. Das waren zu 80 bis 90 % Leute, die das erste Mal überhaupt auf einem E-Bike gefahren sind. Leute die vorher nie gesagt hätten: „Ich kaufe mir jetzt unbedingt ein E-Bike“, sondern die sich eher noch als Sportler*innen sehen und eigentlich E-Bikes eher für ein Thema in höherem Alter gehalten haben. Aber es ist halt schon auch so: Die meisten Leute merken gar nicht, dass sie alt werden. Irgendwann merken sie dann, dass das mit dem Motor schon geil ist. Kenn ich ja selbst. Die kommen dann nach der ersten Runde mit einem großen Grinsen im Gesicht zurück und haben ein echt tolles Erlebnis mit dem Antrieb. Letztens hatte ich aber auch einen, der eher High-Power unterwegs war. Der freute sich über die Agilität und wenn wir ehrlich sind, dann sind 90 % von Deutschland halt auch nicht die Alpen, sondern eher Mittelgebirge oder kupiertes Gelände. Und dafür ist das die perfekte Lösung, finde ich. Und im Notfall kann man das Lumen sogar tragen.
Felix: Ich finde aber auch, dass man auf einer gemeinsamen Tour durchaus mit den High-Power-Systemen kompatibel ist. Klar, wenn die alles auf “Turbo” hochblasen, dann werde ich da große Schwierigkeiten haben, mitzuhalten. Aber unter normalen Umständen klappt das schon gut.
Holger: Was, glaube ich, auch viel unterschätzt wird, ist das Thema Frauen. Da ist ein leichteres Fahrrad nochmal wichtiger vom Handling her.
Felix: Da zählt bestimmt auch, dass Bikes mit unserem Antrieb einfach schöner sind. Ich meine, Hand aufs Herz: Das Rad muss einem gefallen; und ich glaube, Frauen sind da noch mal kritischer als Männer.
Holger: Na, aber auch Männer. Wenn du ein hässliches Bike hast, dann kaufst du es nicht – da kann es noch so geil fahren. Das ist bei mir zumindest so. Ich suche mir mein Bike schon so aus, dass mir das einfach gefällt. Und die alten E-Bikes waren echt keine Option für mich.
Anna: Für mich ist ein weiteres Argument definitiv auch, wie leise der Antrieb ist. Gerade, wenn ich mit anderen fahre, die kein E-Bike haben. Das ist so viel angenehmer. Da vergisst du komplett, dass du auf einem E-Bike sitzt.
Holger: Andere Frage … Gibt es etwas, das noch niemand so richtig verstanden hat beim TQ-Antrieb? Eine unerwartete Besonderheit?
Felix: Nun, gute Frage. Was wir selten kommunizieren ist, dass man den Akku entnehmen und das Rad dann nur über den Range Extender fahren kann. Dann hat man nur 160 Wh Akku und viel weniger Gewicht; das eigentliche Ding ist aber, dass man 160 Wh im Flugzeug im Handgepäck mitnehmen darf. Du hast ja sonst sowohl ein Gewichts- als auch ein Akku-Problem, wenn du mit dem E-Bike auf Touren gehst. Das könnte man bei uns etwas unkonventionell lösen.
Holger: Ja, geil – hättest das mal vorher gesagt. Ich hatte genau das Problem. Bei den verschiedenen Fluggesellschaften ist das erst mal inhomogen, aber bei allen eine Katastrophe. Darf man oder nicht und wenn ja, wie viel. Schrecklich. Gibt es denn irgendwie einen Kniff in Zusammenhang damit?
Felix: Klar, wie immer. Den Akku darf dir nur der Händler rausnehmen, wenn man dafür den Motor demontieren muss. Also beim Scott Lumen wäre es so. Das ist der eine Teil. Der zweite ist, dass wir im Range Extender andere Zellen verwenden. Da haben wir High Performance statt High Capacity-Zellen. Dafür haben wir beim Range Extender ein wenig auf Kapazität verzichtet; aber er kann in vollem Umfang genutzt werden und den Motor alleine mit Strom versorgen.
Tobias: Was anderes noch: Ihr habt verschiedene Displays, oder?
Felix: Korrekt. Trek wollte über das, was wir vorsehen, hinausgehen. Also haben sie ein anderes Display bekommen, auf dem mehr Daten angezeigt werden. Unser Display fokussiert den Akkustand und den verwendeten Modus. Darunter kannst du dir in zwei Zeilen weitere Daten anzeigen lassen; eingestellt wird das über die App und schalten kann man direkt über den Knopf am Display.
Holger: Kann man upgraden?
Felix: Nein, das wird nicht gehen. Also du kannst an deinem Scott nicht das Trek-Display montieren.
Tobias: Mich irritiert etwas der starke Fokus auf den Akkustand. Ich fahre ein E-Auto. Da ist überhaupt kein Fokus auf den Akkustand; das plant nur aktiv, wann ich laden muss. Aber sie tun nicht so, als ob die Reichweite ein Problem wäre. Da ist der Akkustand eine kleine Zahl von vielen und gar nichts im Fokus. Und wenn, dann gibt es Empfehlungen, wie man stromsparender hätte fahren können.
Felix: Wir wollen halt keinen GPS-Computer ersetzen. Wir wollten ein minimalistisches Display, das unter allen Bedingungen gut lesbar ist und die essentiellen Informationen anzeigen kann. Alles andere, was du dir noch so anzeigen lassen kannst, haben wir über eine entsprechende Connectivity zu Drittkomponenten sichergestellt. Aber auch beim Display bleiben wir nicht stehen. Wir gehen aber davon aus, dass viele derjenigen, die so ein Bike fahren, einen Bike-Computer verwenden. Unser E-Bike ist dann einfach nur ein weiterer Sensor für den Bike-Computer.
Holger: Verwenden die meisten Leute nicht ihr iPhone zum Tracken? GPS hat das Rad ja nicht …
Felix: Stimmt, aber generell könnte GPS verschiedene Vorteile mit sich bringen. Diebstahlschutz zum Beispiel.
Tobias: Wobei ihr da auch Apples Find My und ähnliche Programme aus der Smartphone-Welt umsetzen könntet, oder?
Felix: Auch hier werden wir alle Möglichkeiten prüfen. Insgesamt ist für uns das Thema derzeit, wie wir dazu kommen, die Daten unserer User auszuwerten – völlig anonym natürlich. Darauf aufbauend könnten wir dann zum Beispiel die oben von dir erwähnten Empfehlungen zur besseren Verwendung des Bikes ableiten und andererseits aber natürlich auch die Entwicklungsarbeit besser ausrichten. Auch im Hinblick auf die TQ E-Bike App werden wir nicht stehen bleiben und neue Features entwickeln. Im ersten Schritt haben wir sie möglichst einfach und übersichtlich gestaltet. Wir wollen aber zum Beispiel perspektivisch auch Hinweise zu Software-Updates über die App abbilden. Oder eben die Möglichkeit bieten, eine Fahrt direkt aufzuzeichnen und detaillierter auszuwerten.
Holger: Ganz was anderes: Was mir gut gefällt, ist ja das Feedback im Display, wie viel Leistung ich gerade selbst trete. Das versüßt so manchen Uphill.
Tobias: Stimmt, das fand ich auch spannend. Wie genau seid ihr denn da?
Felix: Das Thema Drehmomentmessung ist etwas, auf das wir im Sinne von Integration und Package auch wirklich stolz sind. Wir hatten beim HPR120S einen klassischen Drehmomentsensor, der quer über die gesamte Breite des Motors ging. Hier jetzt im HPR50 haben wir eine Lösung, die viel kompakter ist und in den Sensordeckel passt. Bitte nicht zu nah dran mit der Kamera, aber das Teil ist klasse. Wir können von der Genauigkeit und wohl der Darstellungsgeschwindigkeit [also wie schnell sich die Zahl auf dem Display ändert, Anm. d. Red.] nicht ganz mit den dedizierten System für 1.000 € plus mithalten – also den Wattmesspedalen oder -Spidern für die Kurbel. Wir haben gut ¼ Sekunde Verzögerung. Aber wir haben das integriert und unser System macht das quasi nebenher mit.
Tobias: Die absolute Messgenauigkeit habt ihr aber nicht bestimmt?
Felix: Nein, zumindest nicht im Vergleich zu anderen Lösungen auf dem Markt.
Holger: Noch mal was ganz anderes … Ist das hier die Zylinderkopfdichtung? Die kann man sich einfach aus dem passenden Papier wieder zuschneiden und alles ist dicht.
Tobias: Du fossiles Reptil … Aber Dichtung ist ein gutes Thema: Wie sieht es mit den Service-Intervallen aus?
Felix: Viele Leute haben ja Sorge wegen dem „Plastikzahnrad“. Tatsächlich ist das Teil von den Materialkosten her richtig teuer, denn wir haben hier einen Werkstoff, der unter Temperatur auch richtig gut performen muss. Dass wir Metall mit Kunststoff paaren, ist definitiv gut für die Haltbarkeit. Und beim Gewicht und dem Geräusch hilft es uns auch.
Holger: Kann man nicht gleich sagen, dass das Carbon ist?
Felix: Das stimmt halt in dem Fall wirklich nicht und wer ein wenig Ahnung von Technik hat, weiß das auch sofort. Der Knackpunkt ist wirklich: Alle Bauteile müssen sich in etwa gleich ausdehnen, wenn sie warm werden. Sonst hätte man entweder kalt oder warm einen wirklich schlechten Wirkungsgrad und einen höheren Verschleiß. Das können wir uns aber nicht leisten.
Tobias: Zurück zum Service – wie lange hält der Motor? 20.000 km?
Felix: Also an sich ist der Motor wartungsfrei. Wir schmeißen Motoren auf Prüfstände und haben die dann Ewigkeiten laufen. Teilweise deutlich mehr als 20.000 km harter Dauereinsatz. Und die laufen dann immer noch gut, auch wenn die Effizienz irgendwann doch runtergeht. In so einem Fall würden wir aber dann den Motor tauschen und nicht irgendwie die Möglichkeit bieten, gezielt einzelne Innereien auszutauschen. Beim Händler (und Endkund*innen sowieso, Anm. d. Red.) darf der Motor nicht geöffnet werden. Das ist nicht vorgesehen und wir verschließen ihn hier in der Produktion so, dass nur noch zwei Kabel rauskommen. Der Motor ist also direkt ab Werk „dicht“ – ein Design, das für uns und unsere Kunden sehr vorteilhaft ist.
Holger: Habt ihr auf dem Prüfstand denn die ganzen Schläge und so, wie sie beim Mountainbike auftreten? Das fehlt doch meistens, oder?
Felix: Doch, das haben wir. Unsere Prüfstände können sowohl den Wiegetritt, als auch Einwirkungen von Sprüngen und Schlägen abbilden. Was wir nicht haben, sind die Umweltbedingungen von Wetter und Wasser. Aber Schläge und alles haben wir. Lasst mich euch mal ein Video raussuchen, wo man das sehen kann. Und dann haben wir noch unsere Testfahrer. Die machen gut und gerne 50.000 km auf so einem Teil in vernünftiger Zeit. Das ist wirklich enorm, was die abreißen. Die sind aber auch nur dafür angestellt, Kilometer zu schrubben. Was wir außerdem machen, sind Überlast-Tests, um verstehen zu können, wo zuerst ein Schaden auftritt. Eine konkrete Aussage, dass der Motor auf eine gewisse Distanz ausgelegt ist, machen wir aber nicht. Eher sage ich: Der hält ein Bike-Leben lang.
Tobias: Ein großes Thema ist ja immer auch die Software. Wie regelmäßig bringt ihr Firmware-Updates und könnt ihr die Updates „over-the-air“ einspielen?
Felix: Aktuell können wir kein Over-the-air anbieten, weil die App nicht dafür ausgelegt ist. Aber das ist ein Thema, mit dem wir uns auf jeden Fall beschäftigen. Unser Weg führt über unseren Service Dongle, den wir später noch sehen werden. Den schließt der Händler an und kann dann eine neue Firmware einspielen. Unser Update-Zyklus ist nicht festgeschrieben. Wir arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen und Optimierungen und haben seit der Veröffentlichung schon Updates herausgegeben.
Holger: Die App ist für mich als Kunde die Schnittstelle, um den Motor zu personalisieren und einzustellen, oder?
Felix: Genau, das läuft ausschließlich über die App. Wir haben drei Betriebsmodi und eine runde Werkseinstellung. Davon kann man aber abweichen und sowohl die absolute Leistung, als auch den Grad der Unterstützung sowie die Pedal Response einstellen. Letztere regelt am Ende, wie aggressiv der Motor zu- und abschaltet, wenn man tritt. Je langsamer die Pedal Response eingestellt ist, desto konstanter ist die Unterstützung.
Holger: Und wie hast Du Dein Lumen eingestellt?
Felix: Ich habe drei Mal volle Power. Also immer 300 W Leistung. [Lachen und leichte Verwunderung am Tisch] Was ich variiere, ist die %-Unterstützung. Das heißt, im einen Modus fahre ich zum Beispiel 200 %, das heißt 150 W von mir werden glatt verdoppelt. Im anderen fahre ich 100 %, das bedeutet ich muss 300 W treten, damit der Motor noch mal 300 W dazu gibt. So bekomme ich, wenn ich will, immer die volle Leistung, kann aber variieren, wie sehr ich mich dafür anstrengen muss. Und gleichzeitig regel ich so auch die Reichweite.
Tobias: Habt ihr Pläne, den Funktionsumfang der App weiter auszubauen? Zum Beispiel so, dass man seine Touren aufzeichnen kann? Aktuell bietet ihr ja vom Tracking her nur den Kilometerzähler, oder? Ihr könntet ja auch so weit gehen, direkt Empfehlungen zur Optimierung auszusprechen. Dass jemand sagt: Du hättest 20 % mehr Reichweite gehabt, wenn Du den Assistenten auf 80 % gestellt hättest und so weiter und so fort.
Felix: Ja, da sind wir dran, dass man Empfehlungen über die App ausspielen kann. Das wäre super interessant. Ist aber derzeit noch nicht implementiert. Unser aktueller Ansatz ist, dass wir Routen-Tracking und Co. den Geräten überlassen, die das schon richtig gut machen. Also ein Garmin, Wahoo oder sonstiger Bike-Computer. Wir können die direkt anbinden und du kannst dann das Rad als Sensor für Geschwindigkeit, Leistung und so weiter verwenden – die Aufzeichnung selbst läuft aber da, wo die Leute ohnehin aufzeichnen. Würden wir da reingehen, wäre das für uns ja nie das Hauptgeschäft und dann wären wir bestimmt nicht so gut wie die Profis in diesem Bereich.
Holger: Womit seid ihr noch kompatibel, außer Garmin und Wahoo?
Felix: Als Standards bieten wir Bluetooth und ANT+ an. Das sind die gängigsten. Aber wir sind auch in der Lage, Drittkomponenten mit einzubinden wie SRAM AXS-Schaltungen oder Shimano Di2. Wobei da Unterschiede sind: Bei der SRAM AXS ist es die reine Stromversorgung. Da ersetzen wir die ganzen Akkus durch dünne Kabel zu unserer Batterie. Im Falle von Shimano sind wir über die Stromversorgung hinaus auch in die CAN-Kommunikation eingebunden. Das heißt, wir kommunizieren mit dem Shimano-System und bei einem Road-Bike kannst du zum Beispiel oben drauf auf den STIs noch die Hood Buttons nutzen, um durch unsere Modi zu schalten. Das ist richtig lässig.
Holger: Und sagt mal – habt ihr eigentlich das superleichte Scott Lumen vom Dangerholm auf der Eurobike gesehen? Habt ihr da mit unterstützt? [Link zum Artikel: Leichtestes Scott Lumen Dangerholm]
Felix: Na klar. Wir haben ihm die Sachen freigegeben, die er montieren darf. Das war eine volle Kooperation. Motorbolzen aus Titan, Akkuverkleidung aus CFK. CeramicSpeed Lager in der Drive Unit und ein leichterer Kabelbaum. So hat er bei unserem System insgesamt 278 g einsparen können und ein Gesamtgewicht von nur 12,9 kg mit Pedalen erreicht. Ich meine, das Serien-Bike ist mit 15,5 kg schon echt leicht, aber das hat es nochmals deutlich übertroffen. Soweit ich weiß, ist es das leichteste E-MTB der Welt.
Holger: Schon echt verrückt, wo wir heute angekommen sind mit der ganzen Technik. Meine Räder waren damals ohne Motor und Akku und ohne Federung schwerer und lange nicht so zuverlässig.
Tobias: Der Dangerholm ist natürlich in einer faszinierenden Nische. Wie sieht’s mit der Masse aus: Verratet ihr denn Stückzahlen? Also, wie viele Motoren ihr schon rausgeschickt habt?
Felix: Ich glaube, das kann man. Da schauen wir natürlich regelmäßig drauf.
Anna: Da muss ich leider intervenieren – typisch ist ja, dass das nicht verraten wird.
Tobias: Schade, das wäre mal interessant gewesen. Vielleicht kann ich es ja grob aus der Taktzeit ableiten, wenn wir in die Produktion kommen. Eine andere Frage: Ihr habt mit einem richtig starken 120-Nm-Motor angefangen und jetzt einen sehr kompakten 50-Nm-Motor nachgelegt. Wie sieht der Weg nach vorne aus?
Felix: Wir schauen uns alles an. Die Technologie sowohl nach oben, als auch nach unten zu skalieren, ist eine Option. So bewerten wir, was Sinn ergibt und schauen uns das für die Zukunft an. Ich kann natürlich nicht wirklich konkret was sagen, aber wir bleiben auf keinen Fall stehen. Ziel ist es immer, dass wir best in class sind – und unsere USPs wirklich glänzen; wo können wir die Technologien, die wir im Haus haben, am besten ausspielen.
[Damit machen wir uns auf die Tour durchs Gebäude, um uns die verschiedenen Funktionen von und wichtiger noch die Menschen hinter TQ anzuschauen. Direkt neben unserem Konferenz-Raum sitzt die Bereichsleitung. Wir gehen unauffällig weiter und öffnen die Tür zum Produktmanagement.]
Produktmanagement, Field Application Engineers & Marketing
Felix: Hereinspaziert! Das Produktmanagement, hier ist mein Arbeitsplatz. Wobei hier gerade nichts los ist, denn abgesehen von mir sind alle Produktmanager*innen ausgeflogen, um unsere Kundinnen und Kunden zu treffen. Hier haben wir unsere Demo-Kits [kleine, schön gepackte Aktenkoffer, um überzeugende Produktvorstellungen machen zu können, Anm. d. Red.].
Und direkt daneben sitzt beispielsweise Robin. Er arbeitet dann als „Application Engineer“ direkt mit den Herstellern.
Robin: Hi, schön, dass ihr vorbeischaut. [Robin räumt hastig einige Papiere von seinem Schreibtisch. Links neben ihm rattert ein 3D-Drucker vor sich hin.]
Tobias: Was wird da gerade gedruckt? Und was machst du abgesehen vom Drucken?
Holger: Wenn der 3D-Drucker läuft, ist immer Bewegung im Büro. Früher war das häufig ein Goldfisch.
Robin: Kurz zusammengefasst sieht das so aus: Ich unterstütze den Hersteller, der unseren Antrieb einsetzen will, Motor und Akku bestmöglich ins Konzept und Package des Bikes einzudesignen. Außerdem unterstütze ich das Produktmanagement auf technischer Ebene, zum Beispiel bei der Erstellung von Dokumentation, User-Manuals oder Integrationsanleitungen.
Felix: Damit die Systeme auch funktionieren und nicht nur verkauft werden. [lacht]
Tobias: Wie teilt ihr euch die Arbeit auf?
Robin: Wir sind aktuell zu zweit hier. Einen Schnitt nach Einsatzbereichen – also Road vs. Mountainbike – machen wir nicht. Aber wir gehen dahin, dass wir die großen Kunden klar aufteilen. Also Scott, BMC, Trek und so weiter.
Holger: Road ist bei euch ja auch echt ein Thema jetzt, oder? Ich meine, ihr habt einen super niedrigen Schleppverlust!
Felix: Absolut. Wir haben gemessen, und wenn der Motor aus ist oder man schneller als 25 km/h fährt und er nicht unterstützt, dann liegt der Verlust bei gerade mal etwas über 2 W. Das ist wirklich gut und hängt vor allem damit zusammen, dass wir den Motor komplett dicht nach IP67 haben und entsprechende Dichtungen benötigen. Der Wert ist übrigens auch abhängig von der Trittfrequenz. Wie dem auch sei; außerdem hatten wir ja eben schon den Punkt, dass unser Antrieb aufgrund der speziellen Verzahnung und der gewählten Materialkombination nicht klappert. Das macht das Fahren ohne Motor oder jenseits der Unterstützung einfach angenehmer.
Tobias: Und wie seid ihr im Vertrieb organisiert?
Felix: Ganz ähnlich. Wir sind inzwischen vier Kolleginnen und Kollegen im Team und haben uns die Key Accounts untereinander aufgeteilt als Key Account Manager. Ich bin wie gesagt hauptverantwortlich für Scott und die Marken der Scott Gruppe. Außerdem bin ich zuständig für BMC und ein paar weitere, dann aber eher kleinere Accounts. Meine Kollegin Alex zum Beispiel kümmert sich um Trek und weitere. Im Rahmen unserer Arbeit sind wir dann die zentralen Kontaktpersonen, aber nicht die Ansprechpartner für alles. Je nachdem welches Thema ansteht, holen wir uns dann Rückmeldung von der Entwicklung oder dem Service. Oder wir nehmen die Kolleginnen und Kollegen direkt mit in den Termin.
[Alle schlendern den weiteren Gang entlang, passieren eine kleine Küche mit Blick auf die Terrasse und auf der anderen Seite einen Meeting-Raum]
Alex: So, und da hinten geht es weiter in Richtung Kundencenter. Hier geht es um die Abwicklung und Produktionsplanung.
Felix: Korrekt. Wir haben das so ein bisschen getrennt, auf der Seite ist nur eBike, auf der Seite ist Kundencenter und RoboDrive, eben unser zweites Segment, das wir unten auch in der Produktion noch sehen werden. Hier geht es um Auftragsabwicklung im Vertriebsinnendienst, Materialplanung, Produktionsplanung, Kunden-Center-Leitung, die Marlene, die für den ganzen Bereich verantwortlich ist.
Holger: Hallo Marlene, freust du dich, dass wir da sind?
Marlene: Hi, „prominente“ Gäste!
[Wir verabschieden uns und gehen weiter. Im nächsten Stockwerk halten wir an und schauen uns vom Treppenhaus aus um.]
Entwicklung
Tobias: So, wo ist denn jetzt die Entwicklung?
Holger: Das würde ich auch gerne mal wissen!
Anna: Das glaube ich … Hier sitzt im ersten Stock die Softwareentwicklung. Aber da dürfen wir nicht reinschauen. Das müssten wir alles herrichten, damit nichts zu sehen ist, das ihr nicht sehen sollt. Und am Ende des Tages passiert ohnehin quasi alles Computer-basiert bei den Kollegen.
Felix: Holger, hab dich. Die Türe wäre aber eh verschlossen gewesen.
[Wir ziehen weiter, ohne die Entwicklung gesehen zu haben. Anna hat da einen Punkt… und Prototypen-Teile haben wir ja auch schon sehen dürfen.]
Tobias: Nach welcher Logik habt ihr denn eure Konferenzräume benannt? BR in Harmony, BR in Quest … Vorhin habe ich auch schon Destiny gesehen.
Anna: Das liest sich BR IN Harmony. BR steht für Besprechungsraum, IN für Inning. Das, was dann folgt, sind alles Namensvorschläge für den HPR50 gewesen, bevor wir ihn dann HPR50 genannt haben. Abgeleitet waren die Namen von Raumstationen oder Teilen davon. Das war ein großes Projekt mit einem sehr nüchternen Ergebnis.
Holger: So viel Kreativität … Aber das hat ja auch alles nichts mit dem Produkt zu tun, oder?
Tobias: Jetzt ist es ein richtig schön deutscher, technokratischer Name. HPR50. Jeder Buchstabe eine Abkürzung und die Zahlen gleich mal das Drehmoment. Perfekt.
Anna: Haha, wir hatten 300 Namen. Alle ohne irgendwelche Zahlen, denn die wollten wir eigentlich vermeiden. Klar, kannst du einen Motor allein mit Zahlen definieren, aber darum geht es halt nicht bei unserem System. Es geht uns ja um die Erfahrung, um das Erlebnis. Nicht um die Zahlen. Wir sprechen eher die sportivere Fraktion an, die vielleicht auch noch kein E-Bike davor gefahren ist. Aber wir haben einfach nicht früh genug mit der Namensschützung angefangen.
Service & Qualität
Holger: Nehmen wir an, ich bin ein Endkunde und habe ein Problem mit dem Antrieb. Was mache ich?
Felix: Erstmal solltest du natürlich kein Problem haben. Aber wenn doch, dann ist der erste Ansprechpartner der Hersteller, von dem du das Rad gekauft hast – oder dessen Händler vor Ort. Also, im Falle eines Scotts gehst du erst mal zu Scott. Wenn dort dann das Problem nicht gefunden und behoben werden kann, dann kommt unser Service ins Spiel. In einem Ernstfall holen wir schon auch mal Räder hierher, um uns genauer anzuschauen, wenn wir sagen, wir müssen da irgendwie Know-how daraus schöpfen, um das für zukünftige Entwicklungen auch mit einfließen zu lassen. Da stehen wir in engem Kontakt und unterstützen, wo wir können.
Tobias: Wie offen sind denn die Händler dafür, jetzt auch TQ Service zu machen?
Felix: Nun, der Handel hatte lange die Argumentation, dass sie wenige namhafte Hersteller präferieren, weil die einen super Service haben, der ihnen das Leben leicht macht. Ich glaube, das ist extrem wichtig. Der Handel muss sich darauf verlassen können, dass bei TQ-Antrieben schnell geholfen wird und das keinen Stress macht. Das haben uns die OEMs auch von vornherein als Rückmeldung gegeben: Ein gutes Produkt zu haben ist die eine Sache, aber das, was ihr hinten draus macht, ist eigentlich fast das Entscheidende. Und dementsprechend haben wir da jetzt auch stark investiert und bauen laufend unser Service-Team aus.
Holger: Und wie macht ihr das, wenn ihr ein Bike in den USA verkauft?
Felix: In den Märkten, die weit von der Zentrale weg sind, arbeiten wir mit Partnern und bauen das auch aus. In Nordamerika machen wir den Service nicht selber, sondern haben mit QBP einen starken Partner, der das für uns macht. Also die gesamte Abwicklung. Wir suchen Firmen aus, die ohnehin schon Erfahrungen mit elektrischen Systemen haben und Fachwissen mitbringen.
Wir schulen diese Firmen dann gezielt auf unsere Systeme und machen das dann auch hier vor Ort. Also, die Agentur aus den USA kommt hier zu uns zur Schulung. Danach können sie dann sowohl lokale Ersatzteilversorgung machen, als auch allgemeines Troubleshooting. Das ist für uns ganz entscheidend, dass die Händler schnell in der Lage sind, das Bike wieder auf den Trail oder die Straße zu bringen.
Was wir dieses Jahr frisch aufgesetzt haben, ist eine Webinar-Serie, wo wir noch mal gezielt schulen und Zertifikate ausgeben. Wir haben bislang schon einen Academy-Day Anfang des Jahres veranstaltet und Händler zu uns eingeladen und ihnen am Ende des Tages ein Zertifikat mit nach Hause gegeben. Das haben wir jetzt virtualisiert und können es dadurch noch breiter anbieten.
Tobias: Inwieweit ist denn euer System Diagnose-fähig?
Felix: Das ist eine gute Überleitung zu unserem Roman aus dem Service-Team. Ich zeig euch jetzt mal unseren Dongle und den Roman von uns, der quasi zum Dongle gehört.
Roman: Wir haben für den Service einen Dongle entwickelt, der direkt an die Ladebuchse des Bikes angesteckt wird und es ermöglicht, einen Computer mit dem Bike zu verbinden. Die richtige Software vorausgesetzt, kann man dann direkt auf den Antrieb zugreifen.
Holger: Kann ich mir dann den 2.000-Watt-Modus freischalten? Ich sehe das, ich sehe mich mit diesem Gerät.
Tobias: Das heißt, die Ladebuchse kann auch Kommunikation und nicht nur Strom, korrekt?
Roman: Ganz genau. Wir haben im Motor integriert einen Fehlerspeicher und können dann direkt sehen, welche Fehler die Software registriert hat und was passiert sein könnte.
Holger: Da hinten, Anna … Ist das nicht schon wieder die Entwicklung? Dürfen wir jetzt hinein?
Anna: Korrekt. Und eigentlich sollte die Türe auch zu sein. Service und Qualität haben wir direkt neben der Hardware-Entwicklung im Erdgeschoss, damit die Kollegen kurze Wege haben. Aber ihr dürft da nach wie vor nicht reinschauen, schon gar nicht der Tobias mit seiner Kamera.
Holger: Lasst euch nicht nervös machen, schon gar nicht vom Tobi. Das ist nur der Reiz des Verbotenen. Und vielleicht kann der ja wirklich in seine Bilder rein-zoomen ohne Ende, weil er eine Millionen Megapixel hat.
[Wir biegen stattdessen ab in die andere Richtung und gehen in Richtung Produktion.]
Produktion & Logistik
[Vor Betreten der Produktion ziehen wir Sicherheitsschuhe und Schutzmäntel an. Die Schuhe sind vor allem dafür da, uns zu erden und die Mäntel verhindern elektrostatische Ladung – schließlich gibt es hier einen ganzen Haufen Elektronik zu begutachten.]
Felix: So, hier entlang. Kurzer Überblick: Ganz hinten sind Wareneingang und Lager, außerdem die Logistikplanung und Produktionsleitung. Wir fertigen hier am Standort in der rechten Hälfte der Halle die Fahrradantriebe und links alles, was mit dem Thema Robo-Drives zu tun hat. Im Zentrum steht jeweils die E-Maschine.
Holger: Und wie viele Menschen schaffen hier?
Felix: Als ich hier 2020 angefangen habe, waren hier 70 Mitarbeitende am Standort. Jetzt sind wir langsam bei 200. In drei Jahren. Das ist echt steil. Wir bekommen hier aus eigener Fertigung, wie vorhin schon beschrieben, die Getriebeteile inklusive An- und Abtriebswelle sowie die Elektronikbausteine (auch den Drehmomentsensor) zugeliefert. Von Lieferanten kommen dann Lager, Magnete, Stecker, Kabel und natürlich das Magnesium-Gehäuse. Das kommt auch aus Deutschland, ohnehin sitzen fast alle Lieferanten sitzen in Deutschland. Damit ist, abgesehen von den Rohmaterialien, der Motor wirklich ein Produkt Made in Germany. Nicht nur der Aufkleber, sondern alles.
Holger: Und wo sind die Batterien?
Felix: Guter Punkt. Die bearbeiten wir hier vor Ort nicht – haben aber die gesamte Entwicklung der Batterie selbst gemacht. Also vom Package über das BMS [Battery Management System, Anm. d. Red.] bis hin zur Integration. Wir haben Wert darauf gelegt, dass die Elektronik in Batterie und Motor zum Erzielen möglichst guter Ergebnisse, dass die von uns kommt. Die Zellen kaufen wir zu und wir haben einen Partner, der nach unserem Design und Anforderungen die Batterien montiert, testet und direkt an den Fahrradhersteller schickt. Das hat den Vorteil, dass unser Lager hier deutlich einfacher gehalten sein kann. Und am Ende hätten wir auch den Platz nicht. Man könnte sagen: Unsere Produktion ist genauso kompakt wie unser Antriebssystem.
Anna: Ich denke, was besonders ist, ist, dass bei uns in der Fertigung Menschen und Roboter in enger Zusammenarbeit produzieren. Wir sind in Inning am Ammersee, da haben wir ein gewisses Kostenlevel. Aber das ist es uns wert.
Felix: Die Roboter übernehmen Arbeiten, die sehr präzise ausgeführt werden müssen, aber repetitiv sind – oder große Kräfte erfordern. Zum Beispiel das Platzieren der Magnete für den Elektromotor oder das Einpressen der Lager. So können wir die Qualität steigern und gleichzeitig sicherstellen, dass die Taktzeit stabil ist.
Holger: Woher kommen eure Roboter?
Felix: Das sind Eigenentwicklungen, genauer gesagt von einer Firma, die wir gekauft haben. Mit unseren Stellmotoren drin. Wir haben ein eigenes Robotics-Team, das sich um die Automatisierung kümmert. Oder auch mal einen Roboter für die Messe so programmiert, dass er ein Bier aufmacht, Golfbälle puttet oder M&Ms ausgibt. Das Teaching [Anlernen der Bewegungsabläufe des Roboters, Anm. d. Red.] ist mittlerweile richtig schnell und intuitiv geworden. Bei den Robotern haben wir beispielsweise auch einen global führenden Roboterhersteller als Kunden und da lernst du schon unheimlich viel über die präzise Steuerung und Regulation der E-Maschine. Und da können wir auf Mitarbeitende zugreifen, die das halt seit 20 Jahren machen und ihr Entwicklungs-Know-how teilen.
Holger: Ich hätte gerne so einen Robbi zum mitnehmen … Können wir das einrichten?
Tobias: Damit der dir dann zu Hause den Siebträger reinschraubt?
Holger: Frage ist ja: Wäre das dann ein Vollautomat? Was kostet denn so ein Roboter?
Felix: Die sind gar nicht so extrem teuer – irgendwas im niedrigen bis mittleren fünfstelligen Bereich. Das arbeiten die wieder rein. Was hier noch spannend ist: Wir lassen parallel zur Produktion immer wieder Dauerlauftests machen. Das sind mehrere Motoren pro Tag, die dann parallel jeweils einen 100-Stunden-Test absolvieren. So finden wir zuverlässig Probleme und sind schnell darin, Abweichungen zu erkennen.
Holger: Testet ihr denn jeden Motor – unabhängig vom Dauerlauf?
Felix: Ja, 100 %. Jeder Motor durchläuft einen definierten Test, in dem wir Leistung, Widerstand, Vibration und einige weitere Parameter messen. Der Test dauert etwas weniger als zehn Minuten. Wenn der Motor nicht innerhalb der Toleranzen liegt, wird er aussortiert und nachgearbeitet. Am Ende packen wir die fertigen Motoren dann in diese wiederverwendbaren Ladungsträger. Und von hier gehen die geprüften Motoren dann auf die Reise zu den OEMs – und von da zu den Kundinnen und Kunden auf die Trails. Wir machen relativ viel Qualitätsarbeit und -prüfung, gerade, um sicherzustellen, dass wir wirklich nur einwandfreie Ware innerhalb eng gesteckter Toleranzen ausliefern.
[Mit diesem Einblick in die Produktion verabschieden Holger, Felix und ich uns nach einem gemeinsamen Mittagessen vom TQ-Standort in Inning am Ammersee. Nach kurzer Fahrt erreichen wir einen Vorort von München, wo einige feine Trails auf uns waren. Hier hatte ich meine Reichweitenfahrt mit dem Scott Contessa Lumen gemacht. Mit ein paar Impressionen der Fahrerei geht dieser Hausbesuch zu Ende.]
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