Wir haben das Lapierre Overvolt Carbon mit auf die Trails genommen. Ob uns das leichte e-Trailbike mit Bergab-Genen in Frankreich überzeugen konnte, erfahrt ihr im ersten Test.
Lapierre, eine Tochterfirma der Accell Bike Group, hat das Potential, den e-MTB-Markt mit dem neuen Overvolt gehörig zu beeinflussen. Mit der Einführung des neuen Lapierre Overvolt Carbon für 2017 stellt das Unternehmen Performance in den Mittelpunkt der High-End-Produktlinie. Der Umschwung hin zu E-Bikes schlägt im Moment große Wellen in der Radindustrie. In der Accell Gruppe betrug dieser Sektor im Jahr 2015 um die 45 Prozent. Accell hat mittlerweile über zwölf Jahre Erfahrung im Bereich der E-Bikes und Lapierre, als Teil dieser Gruppe, hat die Möglichkeiten, mit der Erfahrung im Mountainbike-Geschäft zu punkten.
Im Test konzentrierten uns auf die Ausstattungsvarianten AM900 und AM800, da diese die markantesten Merkmale der 2017er Bikes aufweisen.
Lapierre Overvolt Carbon: In der Hand
Lapierre hat in Zusammenarbeit mit Downhill-Legende Nicolas Vouilloz die Eigenschaften der neuen Räder entwickelt. Das Design wurde auf das niedrige Gewicht und die Verwendung von Carbon abgestimmt, ein besonderes Augenmerk lag auf der Verwendung von speziellen Laufrädern.
Die Felgen für die AM Overvolt wurden geschweißt, hitzebehandelt und mit unterschiedlichen Breiten (30 mm vorne und 25 mm hinten) ausgestattet. Ein breiterer Vorderreifen soll für mehr Grip und Präzision sorgen. Der etwas schmalere Hinterreifen bietet zwar etwas weniger Grip, aber dafür eine bessere Gesamtbalance und vor allem bei viel Druck in schnellen Kurven – im Übrigen sind die Laufräder am Overvolt Carbon die ersten speziell für E-MTB-Bikes gefertigten Modelle mit Boost-Standard für vorne und hinten. Die DH-Hinternabe wurde auf 148 mm reduziert und mit verstärkten und größeren Lagern und J-Bend Speichen versehen.
Lapierre hat eine eigene, mechanisch angesteuerte Sattelstütze entwickelt, die 14 Entwicklungsstufen durchlaufen hat. Wir sind gespannt auf die Performance.
Am Hinterbau kommt das VPP OST+ System zum Einsatz, das hier 140 mm Federweg bietet. An der Front verrichten Federgabeln mit 150 mm ihren Dienst. Für eine gute Bodenfreiheit werden Kurbeln mit 170 mm langen Kurbelarmen verwendet – hier war Fahrgefühl im Uphill der entscheidende Faktor.
Da die Batterie direkt in den Rahmen mit eingebaut werden sollte, hat man sich für Carbon als Material entschieden. Die dadurch gegebene Gewichtsreduktion war deshalb nicht der ausschlaggebende Punkt. Im Vergleich zu anderen Systemen wurde die Batterie 7 cm tiefer und etwas weiter hinten eingefügt. So wurde eine gute Erreichbarkeit gewährleistet, um das Overvolt einfach aufladen zu können – auch ohne Entnahme der Batterie.
Lapierre Overvolt Carbon – Technische Daten
Ausstattung
An der Ausstattung gibt es nichts zu meckern. Lapierre hat an den Topmodellen die EX1 Schaltgruppe von SRAM verbaut, welche uns bereits in der Vergangenheit mit der zuverlässigen Schaltperformance, auch unter Last, überzeugen konnte. Die Wahl der Laufräder ist gut und das Reifenset fühlte sich robust an. Wir hatten allerdings nicht genügend Zeit ins Detail zu gehen und genau zu testen, inwieweit sich die Steifigkeit verbessert hat. Zu diesem Zeitpunkt können wir nur Nicos Meinung vertrauen, der die Verbesserungen in der Steifigkeit sehr zu schätzen weiß. Wir gehen mal davon aus, dass man dem schnellen Franzosen glauben kann…
Die Sattelstütze von Lapierre arbeitete während des Tests fehlerfrei. Die SRAM Guide 4-Kolbenbremse funktionierte tadellos und wir hatten immer das Gefühl, die richtige Bremskraft zur Verfügung zu haben. Trotzdem wären die SRAM Code Bremssättel das erste Upgrade, das man in Erwägung ziehen sollte, wenn man Rennen mit langen Abfahren fahren sollte.
900+ | 800 | 700 | 70th Ultimate | |
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Kurbel | SRAM EX1 | FSA CK745 | FSA CK745 | |
Schaltgruppe | SRAM EX1 | Shimano XT | SRAM NX | |
Federgabel | RockShox Pike RC | RockShox Pike RC | RockShox Yari RC | |
Dämpfer | RockShox Deluxe RT | RockShox Deluxe RT | RockShox Deluxe RT | |
Laufräder | 27,5+ Alex MD40/Formula D | Lapierre eAM | Mavic EX630/Formula D | |
Bremsen | Guide RE | Guide RE | Guide RE | |
Preis | 6.499€ | 5.999€ | 5.299€ | 6.999€ |
Geometrie
Hier werden die Dinge interessant. Normalerweise benötigen Bosch-Motoren eine relativ lange Kettenstrebe und die Batterieaufnahme muss an den Rahmen angeglichen werden. Lapierre hat es geschafft, die Kettenstrebenlänge auf 475 mm zu reduzieren – das ist allerdings immer noch 40 mm länger im Vergleich zu unserem Test mit dem Shimano-System und 32mm länger als beim kürzlich getesteten Cannondale Moterra. Die Reach des Lapierre ist im Vergleich zu anderen getesteten Rädern etwas niedriger. Die Werte wurden vom Testteam ermittelt, welche einen direkten Vergleich von Gewichtsverteilung, Körperposition und Handhabung machten.
Lapierre hat das Rahmendesign um die Position der Batterie herum entwickelt. Der zentrale Schwerpunkt soll in Verbindung mit dem geringen Gewicht dadurch für eine hohe Agilität sorgen.
S | M | L | |
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Sitzrohrlänge | 420 mm | 440 mm | 480 mm |
Oberrohrlänge | 570 mm | 600 mm | 625 mm |
Steuerrohrlänge | 110 mm | 120 mm | 130 mm |
Lenkwinkel | 66° | 66° | 66° |
Sitzwinkel | 73° | 73° | 73° |
Kettenstrebenlänge | 475 mm / 485 mm | 475 mm / 485 mm | 475 mm / 485 mm |
Tretlagerabsenkung | – 5 mm | – 5 mm | – 5 mm |
Reach | 387 mm | 415 mm | 437 mm |
Stack | 597 mm | 606 mm | 616 mm |
Lapierre Overvolt Carbon: Auf dem Trail
Obwohl unser Zeitrahmen zum Testen des 900+ und des 800+ begrenzt war, war er ausreichend, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Die Testbedingungen der zwei Tage waren wechselhaft und obwohl die Trails rund um Dijon/Frankreich hervorragend waren, sind wir keine extrem technischen Trails gefahren.
Uphill
Die Trails für den Uphill waren größtenteils flüssig, aber oft mit nassen Wurzeln durchzogen. Die Leistungsentfaltung war gut, mit reichlich Grip auf dem Hinterreifen. Die Motorunterstützung war konstant und deutlich spürbar, das Rad kletterte reibungslos und folgte der Lenkbewegung – auch auf technisch anspruchsvollen und kurvigen Abschnitten. Absteigen und schieben mussten wir nur an steilen oder zu nassen und rutschigen Passagen. Es gibt eine „Walk“-Funktion, aber diese ist nicht sehr hilfreich im nassen Unterholz mit null Haftung.
Mit der nötigen Geschwindigkeit lässt sich das Rad gut ausbalancieren – die Plus-Size-Reifen helfen hier, verglichen mit den normalen 27,5“-Reifen. Am Overvolt kann man beide Reifengrößen fahren, wir bevorzugten allerdings die Plus-Variante in 27,5“.
Downhill
Bergab treten die großen Unterschiede des Lapierre zu den anderen getesteten E-Bikes zu Tage. Das niedrige Gesamtgewicht und der zentrale Schwerpunkt inklusive der verlängerten Kettenstrebe vermitteln ein sehr stabiles Gefühl. Bei Richtungswechseln reagiert das Rad spontan und zuverlässig. In technisch anspruchsvollen Enduro-Bedingungen hatten wir das Gefühl, dass das Rad sich schnell und geschmeidig bewegen wollte und dennoch sehr stabil und ausbalanciert blieb. Der niedrige Schwerpunkt war das augenscheinlichste Merkmal und gab uns das Gefühl, wir könnten mit dem Rad „Rennen fahren“. Bedenkt man, dass Nico dieses Rad entwickelt hat und E-Bike-Rennen gerade in Frankreich immer populärer werden, ist das keine Überraschung. Wir hatten leider nicht genügend Zeit, mehr ins Detail gehen zu können, aber wir können sagen, dass das dies ein klarer Pluspunkt für das Overvolt ist.
Setup des Lapierre Overvolt Carbon
Mit der Plus-Size-Bereifung sind die 140/150 mm Federweg ideal. Wir mussten den Dämpfer nicht anpassen, er passte mit einem Sag von 30 Prozent ausreichend gut. Die Federgabel im Boost-Standard zeigte sich geschmeidig und hinterließ ebenfalls einen guten Eindruck.
Für ein perfektes Fahrwerks-Setup hätten wir noch etwas mehr Zeit benötigt, aber grundsätzlich „fahrbereit“ eingestellt ist das Overvolt sehr schnell. Der OST+-Link war zeigte vor allem in ruppigen Abschnitten hervorragende Performance und sorgte für ein sicheres Fahrgefühl. Das Fahrrad ist definitiv auf Fahrer ausgerichtet, die schneller bergab fahren wollen und nicht für pure Streckenfahrer.
Motorensystem
Bosch stellt zuverlässige und leistungsfähige Systeme her, welche wahrscheinlich zu den Marktführern im Moment zählen. Während unseres Testzeitraumes lief das System problemlos. Wir fuhren normale Trails und die Batterien (500 Wh) hielten über 4 Stunden im Sportmodus. Der CX-Motor treibt den Fahrer voran, aber wir taten uns schwer damit, einzuschätzen wieviel Unterstützung wir wirklich durch den Motor erhielten. Wir testeten die Wasserfestigkeit des Systems, indem wir einen Fluss durchquerten (wie auf dem Bild zu sehen ist). Dieses kleine Experiment verursachte bei den Marketingleuten sorgenvolles Stirnrunzeln (obwohl die Idee von den Lapierre-Profis kam…) – das System hat aber nicht aufgegeben und ohne Probleme nach einem ca. 10-sekündigen Untertauchen weitergearbeitet.
Lapierre hat das größere Displaysystem gewählt, wir bevorzugen allerdings die neueren und kleineren Displays. Positiv ist es für alle, die gerne viele, exakte Fahrdaten im Blick haben. Der Geschwindigkeitssensor war standardmäßig mit einem Magneten an den Speichen befestigt, auch hier bevorzugen wir einen Sensor, welcher an der Scheibenbremse montiert wird. Diesen konnten wir, im Gegensatz zu anderen Montagearten, nur einmal aus der vorgegebenen Position ausschlagen.
Fazit zum Lapierre Overvolt Carbon
Das Lapierre Overvolt 900+/800+ hat eine solide Performance gezeigt. Wir hatten allerdings das Gefühl, dass wir nicht genügend Zeit hatten, um das Rad auf Herz und Nieren zu prüfen. Das Rad fuhr auch unter nassen und matschigen Bedingungen, es war sehr stabil und reagierte gut auf den Trails und hatte eine ideale Geometrie für Fahrer, die gerne Spaß bei den Abfahrten haben.
Die Möglichkeit, verschiedene Reifenbreiten zu verwenden, bedeutet, dass das Rad an jeden Fahrer und Fahrstil angepasst werden kann.
Der Rahmen sieht unverwechselbar aus und mit einer wirklich gut durchdachten Gewichtsverteilung gibt er dem Fahrer im Vergleich zu den Standard-Geometrien bei E-Bikes die Möglichkeit, seine Grenzen sicher und entspannt herauszufinden. Das Aussehen des Rahmens wird sicher nicht alle Leute ansprechen, aber es ist wirklich durchdacht und eine ausgezeichnete Variante mit den aktuellen Bosch-Antrieben. Nico Vouilloz ist eine Legende, wenn es um das Mountainbiken geht und ganz speziell, wenn es um sein Set-up geht. Seine Gedanken im Bereich der E-Bikes umgesetzt zu sehen ist spannend. Das Overvolt ist ein Fahrrad erster Güte und wir würden es gerne öfters fahren.
Bilder: Damian Macarthur
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