Leatt Enduro 3.0 Helm im Test: Die Südafrikaner von Leatt haben eine neue 3 in 1 Helmlösung für Enduristen am Start. Wir haben den Helm für alle Lebenslagen in den drei Modi Halbschale, Open Face und Fullface für euch getestet.
Leatt Enduro 3.0 Helm: Infos und Preise
Im Wettbewerb um Helme für den harten Geländesport mischt Leatt nun seit einigen Jahren erfolgreich mit. Das Portfolio bietet Fullface- und Halbschalenhelme von Trail bis Downhill. Was fehlt, ist ein trendiger Open Face Helm, der eine Mischung zwischen Fullfacehelm und Halbschale ist. Bei Leatt war man so innovativ, einfach alle Helmgattungen in einem Transformer von Helm zu vereinen. Heraus kam der Enduro 3.0. Der 3 in 1 Helm kostet 289 € und ist in drei Größen sowie vier Farben erhältlich.
- Größen: S / M (getestet)/ L
- Farben: Pine, Titanium, Stealth, White
- Gewicht (Größe M)
- Halbschale: 467 g
- Open Face: 593 g
- Fullface: 723 g
- www.leatt.com
- Preis 298 € (UVP) | Bikemarkt: Leatt Enduro 3.0 Helm kaufen
Im Detail
Mit „x in 1“-Helmkonzepten haben sich bereits einige Hersteller auf den Markt getraut. Die Ergebnisse waren oft durchwachsen. Während viele Modelle funktional Top sind, scheitert es oft am passenden Style. Entsprechend gespannt waren wir auf das Konzept von Leatt mit dem Enduro 3.0. Beim Erstkontakt mit dem MTB-Helm fällt gleich das Gewicht auf. 467 g im Halbschalenmodus ist kein Wert zum Jubeln. Man muss hier allerdings beachten, dass der Helm die Aufnahmen für den Kinnbügel bzw. die Ohrenschützer vorhalten muss – diese Aufnahmen gibt es gewichtstechnisch nicht zum Nulltarif. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Helm nach der ASTM F1952–10 (Prüfnorm für DH Helme) zertifiziert ist und die Kräfte im Falle eines Sturzes auf den Kinnbügel oder die Ohrenschützer über die benannten Aufnahmen in den Helm geleitet werden. Im Open Face Modus wiegt der Helm 593 g und im Fullface Modus 723 g. Damit sind diese beiden Modi, was die Gewichtswertung angeht, voll konkurrenzfähig.
Optisch kann der Helm mit einer schlichten, eher schnörkellosen Form punkten. Die insgesamt eher rundliche Form des Helms wird durch 13 Luftöffnungen im Halbschalenmodus unterbrochen. Die schon angesprochenen Aufnahmen, ein Schlitz im Schläfenbereich und ein kreisrundes Loch hinter dem Ohr bleiben im Halbschalenmodus optisch erhalten. Abdeckungen hierfür gibt es keine. Der Bereich der Helmschale, in dem die weiteren Teile eingesetzt werden, ist etwas abgesetzt, was aber nicht negativ auffällt. Das in drei Stufen einrastbare Visier liegt für eine Halbschale eher auf der langen Seite, macht unserer Meinung nach stilistisch aber durchaus etwas her. Nicht zuletzt im Open Face- oder Fullface-Betrieb. Bei diesen beiden Helmgattungen sind die Visiere in der Regel etwas länger als bei einer Halbschale.
Für den perfekten Fit sind im Lieferumfang Polster in unterschiedlichen Stärken enthalten. Sollte sich beim Demontieren der Polster ein Velcro-Klebepunkt lösen, kann er einfach durch einen im Lieferumfang enthaltenen neuen Klebepunkt ersetzt werden. Der Versteller für den Kopfumfang lässt sich in der Höhe in drei Stufen einstellen, den Umfang justiert man wie gewohnt durch Drehen eines Verstellers. Der Riemen wird einem magnetischen System von Fidlock geschlossen. Eine Feinjustage des Riemens im Ohrbereich ist möglich.
Aller Style und Fit hilft nichts, wenn ein Helm nicht sicher ist. Auch hier lassen sich die Südafrikaner nicht lumpen. Dazu wurde der Helm nach den üblichen Standards getestet und hat mit dem Kinnbügel sogar die ASTM F1952–10 Zertifizierung für DH-Helme. Zur Prävention vor Gehirnerschütterungen nutzt Leatt das eigens entwickelte 360° Turbine Technology System. Es soll die Rotationsbeschleunigung des Schädels, und somit des Gehirns, drastisch reduzieren, sodass eine Gehirnerschütterung weniger schnell auftritt. Das Visier, das im Falle eines Crashs einen ziemlich langen Hebel darstellt, ist mit Sollbruchstellen versehen, sodass der Hebel beim Crash nicht oder nur bedingt wirken kann.
Damit man die Brille während des Uphills komfortabel verstauen kann, wurden am Hinterkopf des Enduro 3.0 zwei Ports zum Verstauen einer Brille eingelassen. Goggles lassen sich unter das Visier Spannen, wenn es nach oben gestellt ist. So ist man in jedem Modus mit jeder Brille für alles gerüstet.
Auf dem Trail
Der Basteltrieb lässt sich beim Erstkontakt mit dem Helm nicht unterbinden, sodass wir sofort die anderen Modi auschecken mussten. Wir haben beim Open Face-Modus angefangen. Der Umbau dauert nur Sekunden: Haken der Ohrenschützer in den Schlitz, das Runde ins Runde, etwas Kraft, klick, fertig. Die Ohrenschützer sehen optisch zwar ein wenig aufgesetzt aus, aber das heißt nicht, dass den Damen und Herren ein stylischer Fauxpas unterlaufen wäre. Der Helm sieht im Open Face Modus einfach super stylisch aus! Montiert knarzen die Ohrenschützer zwar recht laut, im Betrieb geben sie aber keinen Laut von sich. Zum Demontieren der Ohrenschützer drückt man mit etwas Kraft auf den runden Knopf, auch erkennbar durch den Schriftzug „Press Here“, zieht am Ohrenschützer und löst ihn so heraus. Hier darf man beim Aufbringen der Kraft keine Angst haben, etwas zu zerstören, man benötigt einfach etwas Druck auf dem Knopf.
Beim Fullface-Modus läuft der Hase wie beim Open Face: Metall in den Schlitz, das Runde ins Runde. Mit welcher Seite man beginnt, ist egal. Das Einklicken der ersten Seite ist easy, bei der zweiten Seite steht der Kinnbügel schon etwas unter Spannung, sodass man hier etwas mehr Kraft benötigt. Aber auch hier keine Panik, ihr macht nichts kaputt. Klick, klick, fertig: Nun hält man einen vollwertigen Fullface-Helm in der Hand. Wenn man es sehen will, sieht man auch hier natürlich, dass der Kinnbügel aufgesetzt ist. Wie beim Open Face-Modus geht das aber voll klar. Dreht man den Helm einmal auf dem Präsentierteller um 360 °, ergibt das im Halbschalenmodus lang wirkende Visier Sinn. Denn der Helm wirkt wie ein richtiger Single Use Fullface Helm. Von unserer Seite zeigt der Daumen kerzengerade nach oben.
Die Passform des Enduro 3.0 in in allen Modi erstklassig. Der Helm liegt umlaufend satt an. Die relativ dicken Polster und die Einstellung des Kopfumfangs führen dazu, dass es nirgends zu unangenehmen Druckstellen kommt und man gleich das Gefühl hat, den Helm den ganzen Tag tragen zu können. Die Passform ließe sich bei Bedarf dank der mitgelieferten Polster noch individualisieren. Einzig im Fullfacemodus stellt das Anziehen des Enduro 3.0 eine kleine Herausforderung dar. Hier blieben alle Tester mit dem Hinterkopf an der Kopfumfangsverstellung hängen. Den Kopfumfang auf die größte Weite zu stellen, den Helm anzuziehen und dann den Umfang einzustellen schafft ein wenig Abhilfe. Der Fidlock-Helmverschluss funktioniert wie gewohnt super.
Nun stellt sich nach der Bastelei und vor der Ausfahrt die Frage, welchen Modus man nutzen möchte. Wir starten die entspannte Feierabendrunde im gewohnten Halbschalenmodus. Helm auf den Kopf, Brille in die Ports und ab gehts. Wie üblich, erstmal bergauf. Die Brille hat man nach wenigen Metern vergessen, sie drückt nämlich nirgends unangenehm gegen den Kopf. Der Helm bleibt hingegen präsent. Zwar ist der Enduro 3.0 super komfortabel, drückt nirgends und wackelt nicht herum. Er ist als reine Halbschale aber doch etwas dickbäuchig, und das spürt man. So pedaliere ich den Berg hinauf und komme auf Betriebstemperatur. Mein Kopf glüht. Zugegeben, es ist Sommer, 30° C, die Sonne scheint, natürlich wird einem warm.
Aber es wird wärmer als in den Helmen, die ich sonst trage. Wir untersuchen den Helm, schließlich hat er einige Luftöffnungen und sollte etwas stärker kühlen. Unsere Untersuchungen zeigen: die Luftöffnungen sind nicht durch Strömungskanäle miteinander verbunden, die Kühlung erfolgt demnach nur an den Luftöffnungen, nicht jedoch dazwischen. Das geht klar, aber nicht bei 30° C. Hier würde ich auf einen anderen Helm zurückgreifen. Im Downhill ist erst mal alles wie es sein sollte. Durch die gute Passform des Enduro 3.0 sitzt die Schüssel bombenfest auf dem Kopf, ohne zu drücken. Der Helm ist auffällig unauffällig. Für die Halbschale im Downhill gibts volle Punktzahl.
Next day, next ride. Die Böden sind nass. Ich treffe mich mit Mitch und ein paar Racern. Ich weiß, der Tag könnte wild werden. Ich entscheide mich für den Open Face-Modus. Wie beim Halbschalenmodus wird es bei Betriebstemperatur etwas warm um den Kopf. Es ist allerdings nur 20° C warm, sodass die Temperatur im grünen Bereich liegt. Der Komfort ist im Open Face-Modus super. Die Ohrenschützer geben noch etwas zusätzlichen Halt und man hat beinahe das Gefühl, der Kopf sei in ein Fullface-Modell gehüllt. Eine Besonderheit stellt der Riemen beim Open Face-Modus dar: Die Riemen anderer Open Face-Modelle sind an den Ohrenschützern des Helms befestigt. Hier kann es bei manchen Köpfen zu Druck im Schläfenbereich kommen. Nicht so beim Enduro 3.0. Der Riemen ist an der Halbschale befestigt, sodass die Ohrenschützer nicht noch zusätzlich an den Kopf gepresst werden, sondern eher sanft anliegen. Hier drückt auch nach langen Tagen im Sattel nichts unangenehm. Tage, an denen man das Rowdytum auf dem Bike zelebrieren möchte, kann man guten Gewissens im Open Face Modus absolvieren und den Extraschutz durch Ohrenschützer mitnehmen.
Und nun ab in den Bikepark. Natürlich nutze ich den Helm hier im Fullface-Modus. Das Anziehen des Helms ist mit dem eingangs beschriebenen Struggle vebunden: Kopfumfang auf maximale Weite, Kopf in den Helm und dann den Kopfumfang einstellen. Das ist kein Drama, aber ein Nachteil im Vergleich zu einem Single Use Fullface-Helm. Wenn der Helm erstmal sitzt und man die ersten Abfahrten meistert, stellt sich wieder das angenehme Gefühl der Gemütlichkeit ein. Der Helm ist einfach bequem.
Aber alle Gemütlichkeit beiseite. Wir machen Sport, ich komme auf Betriebstemperatur und möchte den Helm im Lift ausziehen, kurz etwas trinken oder essen. Hier erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich dann doch lieber den Helm auflasse oder eine Runde nichts trinke. Im Vergleich zu reinen Fullface Helmen muss man aber auch die klaren Vorteile benennen. Der Helm ist leichter und besser belüftet als die meisten reinen Fullfacehelme. Wir halten also fest: Ist der Kopf erst einmal im Helm, gibt es nichts zu monieren. Nicht ganz optimal, aber hey, ich habe einen einzigen Helm und bin immer für alles gerüstet.
Fazit – Leatt Enduro 3.0 Helm
Leatt ist mit dem Enduro 3.0 ein großer Wurf gelungen: Nicht nur, dass der Helm in allen drei Modi mit kleinen Abstrichen wirklich super funktioniert. Er lässt euch dabei auch noch verdammt gut aussehen! Wer sich jetzt noch fragt: "Wozu brauche ich den?", dem kann ich antworten: Aufgrund des geringen Packvolumens wäre das mein persönlicher Helm für den nächsten Kanada-Trip. Mir fallen aber auch viele Gründe ein, den Helm in heimischen Gefilden zu nutzen.
Pro / Contra
Pro
- dank Form und dicker Polster sehr komfortabel
- Helm für jede MTB-Situation
- funktioniert in jedem Modus hervorragend
Contra
- im Halbschalen-Modus recht schwer
- mäßige Belüftung aufgrund fehlender Luftkanäle
- unkomfortables Aufsetzen im Fullface-Modus
Ein Helm für alles oder doch Spezialisten: wie seid ihr aufgestellt?
Preisvergleich Leatt Enduro 3.0 Helm
Warum MTB-News Helme nicht auf dem Prüfstand testet
Jeder Helm muss verschiedene Tests und Normen bestehen, bevor er auf dem europäischen Markt verkauft werden darf. Die Praxisrelevanz dieser Normen, bei denen die Helme nach einem standardisierten Verfahren auf einem Prüfstand getestet werden, wird teilweise kontrovers diskutiert. Um eine Verkaufserlaubnis für den europäischen Markt zu erhalten, müssen Fahrradhelme bestimmte Standards erfüllen.
Hierzulande besonders relevant ist die Prüfnorm DIN EN 1078. Bei dieser Norm fällt der Helm – inklusive Prüfkopf, dessen Masse zwischen 3,1 und 6,1 kg beträgt – zunächst aus einer Höhe von etwa 150 cm mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 19,5 km/h auf eine Stahlplatte. Anschließend fällt der Helm aus einer Höhe von circa 110 cm auf ein dachförmiges Ziel. Die Aufprallgeschwindigkeit beträgt hier 16,5 km/h. Im Prüfkopf befindet sich ein Sensor, der die Beschleunigung misst. Liegt diese unter 250 g, gilt der Test als bestanden und die Norm ist erfüllt.
Die Hersteller der Helme kommunizieren nur, wenn der Helm den Test bestanden hat – nicht jedoch mit einem konkreten Prüfergebnis. Die schwedische Versicherung Folksam hat 2015 mit einem aufwändigen Versuchsaufbau mehrere Helme auf dem Prüfstand getestet und anschließend die Ergebnisse veröffentlicht. Studien aus dem American Football zeigen, dass Gehirnerschütterungen ab einer Einwirkung von 60 bis 100 g auftreten können. Bei einer Einwirkung von 250 g – also dem Höchstwert, den ein Helm bei der DIN EN 1078 aufweisen darf – liegt ein 40-prozentiges Risiko für eine Schädelfraktur vor.
Bei unserem MTB Helm Test haben wir uns gegen einen Test auf dem Prüfstand entschieden. Dieses Thema haben wir vorab redaktionsintern diskutiert und uns dabei unter anderem folgende Fragen gestellt:
- Simuliert man auf dem Prüfstand nur die beiden Situationen, die auch für die Erfüllung der DIN EN 1078-Norm relevant sind?
- Wie relevant ist ein Aufprall aus einer Höhe von 150 cm mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 19,5 km/h auf eine Stahlplatte für einen Trail- oder Enduro-Helm?
- Und wie relevant ist ein Aufprall aus einer Höhe von 110 cm auf ein dachförmiges Ziel für einen Trail- oder Enduro-Helm?
- Sollte man nicht auch die auf den Kopf einwirkenden Rotationskräfte messen?
- Wie simuliert man im Labor einen bei einer Trailfahrt typischen Sturz?
- Müsste man nicht mehrere Ausführungen ein und desselben Helmes auf dem Prüfstand testen, um eine Serienstreuung auszuschließen?
- Wie, wo und wann testet man?
- Wie viel Schutz bietet ein Helm, der im Labor hervorragend funktioniert, in der Praxis aber schlecht auf dem eigenen Schädel sitzt?
- Wie viele Helme müsste uns eigentlich jeder Hersteller zuschicken, damit wir jedes Modell sinnvoll im Labor und auf dem Trail testen können?
Die Antwort auf die Frage, weshalb wir die Helme nicht im Labor auf dem Prüfstand getestet haben, ist also komplexer, als man zunächst annehmen würde. Unter idealen Bedingungen hätten wir natürlich gerne jeden Helm auch hinsichtlich seiner konkreten Schutzwirkung möglichst objektiv, reliabel und valide getestet. Generell begrüßen wir es, wenn die Hersteller der Helme den Fokus vor allem auf sicherheitsrelevante Aspekte legen und würden uns eine praxisrelevante Überarbeitung der aktuell für Trail- und Enduro-Helme notwendigen DIN EN 1078 wünschen.
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