Diese ganze „Biobike“ vs. E-Bike-Diskussion ist mindestens so alt wie … das E-Bike. Also deutlich über 10 Jahre. Dieses Fass wird auch höchstens in einigen dunklen Foren-Ecken immer wieder aufgerissen, wo man sich dann mit völlig durchgekauten Argumenten Abende lang die Taschen vollhauen kann. Viele fahren E-Bike, viele Mountainbike, manche beides und manche wechseln auch mal … so bekannt, so langweilig. Wer die Chance hatte, beides gründlich zu testen, kommt schnell auf den Trichter, dass man zwar dieselben Trails fährt, die Geräte jedoch vollkommen unterschiedlich ausfallen, sich ganz anders fahren und in ganz anderen Situationen Spaß machen oder ärgerlich sind.
Nun gibt’s seit einigen Jahren jedoch die Klasse der Light-E-Bikes. Die treten tatsächlich mit dem Anspruch auf, die besseren Mountainbikes zu sein, auch wenn das nicht jeder Hersteller so sagt. Dadurch, dass sie leichter sind, sollen sie sich fahren wie Mountainbikes, gleichzeitig jedoch ausreichend Power haben, um jeden Berg mit Leichtigkeit hinaufzufliegen. Das Beste aus beiden Welten also? Bei solchen Aussagen werde ich immer schnell skeptisch, denn die Erfahrung zeigt, dass man durch Kompromisse auch gerne mal das Schlechteste übernimmt. Ich erinnere mich noch daran, als Quads für die Straße auf einmal voll en vogue waren, bis man gemerkt hat, dass man damit nicht nur genauso nervig im Stau steht wie jeder Autofahrer, sondern im Regen auch noch nass wird. Und sau peinlich sieht man damit auch aus, aber das ist nur meine subjektive Meinung. Nicht wegzureden ist, dass der Markt der Light-E-Bikes am Wachsen ist: Fast jeder Motorenhersteller hat mittlerweile ein eigenes Aggregat im Angebot und ein Light-E-MTB ist fester Bestandteil der Produktpalette fast aller relevanten Bike-Firmen.
Zumindest rein optisch sind Light-E-MTB mittlerweile nicht mehr leicht von ihren unmotorisierten Geschwistern zu unterscheiden [ziehe den Slider hin und her zum Vergleichen].
Angestoßen wurde dieser Artikel bei der diesjährigen Bike Connection Winter in Massa Marittima, Toskana. Dabei handelt es sich um eine nicht öffentliche Messe, bei der Hersteller Medienvertreter nicht nur ihre neusten Produkte unter die Nase halten können, sondern man diese auch direkt im angrenzenden Trailpark testen kann. Das Test-Center war so derartig E-Bike-dominiert, dass ich nicht umhin konnte, das ländliche italienische Stromnetz zu bewundern, das dieses unglaubliche Kabel- und Ladegerät-Gewusel offensichtlich recht problemlos ausgehalten hat. Zumindest in touristisch erschlossenen Gebieten scheint Italien über eine beeindruckende Infrastruktur zu verfügen.
Besonders pompös fiel die riesige Focus-Flotte bestehend aus Focus VAM² SL (Test) und Focus JAM² SL (Test) – zwei Light-E-Bikes für den Down-Country und Trail-Einsatz – aus. Einschränkend muss man sagen, dass ein Teil der Bikes trotz miserablem Wetter die meiste Zeit vom anwesenden Mitarbeiter-Team selbst in Beschlag genommen wurde, die auf den Geräten offensichtlich ihren Spaß hatten. Dass die Schwaben vom Light-Trend überzeugt sind, wurde auch in unserem Meeting deutlich, das ungewöhnlicherweise nicht aus einer Powerpoint-Präsentation voller Neuheiten bestand, sondern in einem interaktiven Ratespiel, das darin endete, dass Light-E-Bikes ’ne ganz geile Sache sein sollen.
Scheibenbremsen, Oneby, Dropper Post, Fahrwerke und Co.: Es gibt so viele technische Details, die Mountainbikes immer wieder auf das nächste Level gehoben haben. Light Support Driveunits sind für uns der nächste Schritt Mountainbiken noch geiler zu machen, nur halt mit einem Motor. Denn was das Handling auf dem Trail angeht stehen Light-E-MTBs ihren Pendants ohne Motorunterstützung in nichts nach, unterscheiden sich aber ganz klar vom Handling der trägeren Full-Power-EMTBs
Felix „Stixi“ Stix, Product Manager bei Focus
Ich möchte mal ganz unwissenschaftlich vom Ergebnis ausgehen und sagen: Ja, so ein Light-E-MTB, das macht schon echt Spaß. Ich meine, es ist zu sehr großen Teilen ein Mountainbike (mega spaßig) mit etwas mehr Power und Gewicht. Es wäre auch komisch, wenn aus diesen Zutaten etwas komplett Bescheuertes herauskäme. Und ja klar, ich fahre auch ganz gerne schneller oder mit ein paar Herzschlägen weniger die Minute bergauf. Und nein, das hat nix mit Faulheit zu tun. Wer motiviert ist und Bock auf Ballern hat, der tritt halt auch beim E-Bike ordentlich in die Pedale. Dass manche es nicht tun, ist ja nicht die Schuld der Maschine.
Light-E-Bikes fühlen sich für mich häufig so an, wie Zwift & Co. vorgeben zu sein: Vollkommen gefühlsecht, aber der Widerstand lässt sich aufs jeweilige Trainingsziel einstellen. Man wird sogar nass bei Regen, spürt den Flow auf dem Trail, fliegt super realistisch auf die Schnauze und muss im Winter alles nachher sauber machen. Es ist also kein Wunder, dass viele Profis damit regelmäßig trainieren.
Als Ingenieur lernt man allerdings schnell, dass man sich bei jeder technischen Lösung nicht nur auf einen Faktor fokussieren darf, sondern die Vor- und Nachteile im Gesamtpaket berücksichtigen muss. Die Cartoon-Serie Southpark hat das mal sehr pointiert und definitiv nicht jugendfrei in der Folge „The Entity“ dargestellt, in der ein neuartiges Fahrzeug unglaubliche Geschwindigkeit mit super geringem Verbrauch und perfekter Umweltverträglichkeit vereint, dem Fahrer jedoch eine zumindest auf Dauer sicherlich sehr unangenehme und gesellschaftlich auch nicht ganz akzeptierte Körperposition zumutet.
Die Variostütze etwa gilt heutzutage als eine der besten Innovationen am MTB, war zu Beginn jedoch hochumstritten, bringt sie doch zusätzliches Gewicht und Komplexität mit sich. Und in derselben Position befindet sich aktuell das Light-E-Bike. Persönlich wäre ich definitiv nicht bereit, mein bei häufigem und artgerechtem Einsatz ohnehin etwas Service-bedürftiges Trail-Bike gegen eine Elektro-Version auszutauschen.
Ich hab einfach keine Lust irgendwo zu stehen und keine Steckdose, kein neues Kabel für irgendeinen Sensor, kein Internet für eine Fehlerbehebung oder was weiß ich was zu haben. Passiert das regelmäßig? Vermutlich nicht, aber wenn doch, ist es nervig und mir macht unmotorisiertes Fahren einfach so viel Spaß, dass es mir das nicht wert ist. Würde ich mir deshalb kein Light-E-Bike kaufen? Nein! Es würde aber mein Mountainbike nicht ersetzen, sondern dieses etwa zum Training im Winter ergänzen. Aktuell habe ich kein E-MTB, ausschließen möchte ich es aber nicht.
Light-E-MTB rücken immer näher an motorlose MTB heran. Die Motoren werden kleiner, alles wird leichter, die Modulation und Sensorik noch feinfühliger und selbst die Hersteller entwickeln ihre Bikes mittlerweile parallel und achten penibel darauf, dass die E-Variante der ohne E optisch extrem ähnlich ist. Ob dies aber in Zukunft das Aus für normale Mountainbikes bedeutet, wage ich stark zu bezweifeln. Ja, in manchen Bereichen wird die elektrische Version die Bio-Version vielleicht ersetzen – Enduro oder All Mountain – aber in anderen Bereichen wie Marathon oder XC wird das Bio-Bike auch weiterhin vorne mitspielen. Hier zählt das letzte Gramm deutlich mehr, als die Performance den Trail hinauf. Wer schon einmal mit einem Enduro den Forstweg in beinah Schrittgeschwindigkeit hinauf gewippt ist, weiß, dass dies schlichtweg keinen Spaß macht. Meiner Meinung nach wird das Light-E-MTB das MTB überall dort verdrängen, wo der Uphill nur bewältigt wird, damit man danach von oben wieder runter ballern kann. Denn genau das macht mit dem E-Bike einfach doppelt soviel Spaß!
Rico Haase, Chefredakteur eMTB-News
Nicht ganz vergessen sollte man auch, dass selbst Gravity-lastige Enduro-Mountainbiker vielleicht gar nicht so nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnungen à la „wie krieg ich die meisten spaßigen Tiefenmeter für die wenigsten Watt?“ aufstellen. Kein Homo Fahrspaß-Oeconomicus also. Ich mein, es gibt Leute, die joggen 42 km am Stück. Ich laufe nicht mal zu Dönerladen. Warum nehmen die nicht das Auto oder den Zug? Oder wie ich, das Fahrrad? Auch wenn ich primär Mountainbike fahre, um bergab zu fetzen, macht mir der Anstieg jetzt vielleicht nicht Spaß im eigentlichen Sinne, befriedigt aber irgendwie auch ein Bedürfnis nach Betätigung. Das kennt sicher auch jeder Hobby-Handwerker, der auch nicht jeden Arbeitsschritt gnadenlos abfeiert, das Ergebnis im Lichte des geleisteten Aufwands allerdings schon.
Kann das Light-E-MTB in eine Position kommen, in der es wirklich als sinnvolle und natürliche Weiterentwicklung des Mountainbikes gesehen werden kann? Ich habe wenige Einblicke in die aktuelle Entwicklung, aber theoretisch ja – warum auch nicht. Wenn die Technik und Infrastruktur so ausgereift ist, dass man keinen signifikanten Nachteil mehr wahrnehmen kann und die Vorteile überwiegen, dann wird das ohne Frage so kommen. Aktuell sehe ich das aber für Light-E-Bikes noch nicht – dafür hingegen für elektronische Helferlein oder Schaltungen. Doch das ist ein Thema für einen anderen Tag …
[email protected] – künftig nur noch Light-E-MTB?
Light-E-Bikes machen Spaß und können ihr Versprechen – mehr Power bei noch moderatem Gewicht – häufig einlösen. Wo sie gegenüber dem Full-Power-E-Bike allerdings nicht abspecken ist die Komplexität der zusätzlichen elektronischen Bauteile. Mich persönlich schreckt das definitiv davon ab, mein Trail-Bike gegen ein Light-E-MTB auszutauschen. Dafür müsste nicht nur das Antriebssystem ziemlich ausgereift und quasi nicht wahrnehmbar sein, sondern auch die Infrastruktur so gut, dass ich mir sicher sei kann, überall gut versorgt und sofort einsatzbereit zu sein. Kann das passieren? Warum nicht, hier müssen wir einfach abwarten!
Was meinst du: Kannst du dir vorstellen, dein MTB in absehbarer Zukunft mit einem Light-E-MTB zu ersetzen?
72 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDa hat schon so mancher Voralpenbewohner welche ja wie immer betont wird "richtige Berge" fahren schnell die Klotzgrenze erreicht 😁
Logisch am Tag, Du wahrscheinlich 2 oder 3 Tage. So lange hält dein Akku nicht durch.
Auf meinem 8Km Mtb-Inselkurs (nur 164Hm) sehe ich sehr oft Leute die den Eindruck vermitteln, sie kämen zum sterben in den Wald.
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