Wie steht es um die aktuelle Entwicklung von Akkuzellen und was dürfen wir als E-Mountainbiker in Zukunft erwarten? In den vergangenen Jahren war ein Wechsel der Zellgröße von 18650 (18 mm Durchmesser und 65 mm Höhe) hin zu 21700 (21 mm Durchmesser und 70 mm Höhe) zu beobachten – es hat sich also die Baugröße der zylindrischen Zellen verändert, womit größere Kapazitäten der Akkupacks einfacher zu realisieren sind. Bei der Zellchemie, also der Zusammensetzung einer Zelle, hat sich hingegen bisher relativ wenig getan. Li-Ionen Akkus sind seit einigen Jahren Standard und in der Welt der E-Mobilität sehr weit verbreitet, da Herstellungskosten, Leistungsdichte und Haltbarkeit in einem effizienten Verhältnis zueinander stehen. Wir werfen in diesem Artikel einen Blick auf die neuen Li-S-Batterien.
Hintergrund zur aktuellen Entwicklung von Li-S Zellen
Aktuell macht eine Meldung die Runde, dass ein Forscherteam einen Li-S Akku entwickelt haben soll, dessen Speicherkapazität und Haltbarkeit höher ist, als die von Lithium-Ionen-Akkus und die zudem auch noch günstiger sind. Sieht so die Akku-Technologie der Zukunft aus?
Dr. Mahdokht Shaibani hat gemeinsam mit seinem australischem Forscherteam vom Fachbereich Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik der Monash University eine Li-S Batterie entwickelt, die eine herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie in Sachen Haltbarkeit und Speicherkapazität um Längen schlägt. Das Zauberwort lautet hier CMC – Lithium Carboxymethylcellulose – als Bindemittel um Li-S Zellen haltbarer und damit industriell verwendbar zu machen.
Daneben sollen die Kosten für die Produktion aufgrund der verwendeten Materialien wie Schwefel weitaus niedriger sein, da Schwefel unter anderem ein Abfallprodukt aus der Erdölindustrie und somit ein weltweit verfügbarer, kostengünstiger Rohstoff ist.
Nun wurden die ersten Prototypen dieser Zellen vom deutschen Forschungs- und Entwicklungspartner, dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) hergestellt. Hier forscht man bereits seit zehn Jahren an Lithium-Schwefel-Zellen.
Welches Problem lösen Li-S Zellen?
Natürlich stellt sich immer die Frage, welches Problem damit gelöst werden soll und ob im übertragenen Sinn das Ganze visionär betrachtet für uns E-Mountainbiker von Vorteil sein kann. Nun, bei der Problemlösung kann man ganz klar erkennen, dass sowohl die Kosten für den Energiespeicher als auch das Gewicht und die Kapazität gegenüber der aktuell verfügbaren, weit verbreiteten Lithium-Ionen Technologie optimiert werden könnten. Genau diese Punkte – Preis, Gewicht und Kapazität – sind es, welche uns aktuell stark beschäftigen und bei der Konstruktion und Auslegung eines E-MTBs aktuell noch konträr zueinander stehen.
Wie wäre es also, wenn uns Li-S Batterien die Möglichkeit bieten würden, mit einem 1000 Wh Akku unterwegs zu sein und dabei das Gewicht nicht höher ist, als bei aktuell handelsüblichen Akkupacks? Es wäre für die Entwicklung des E-MTBs zielführend, da somit die Ausrichtung eines elektrifizierten Bikes effizienter erfolgen könnte, ohne dabei die großen Kompromisse eingehen zu müssen, wie wir sie aktuell sehen.
Anwendungsbeispiel im E-MTB
Mit einem Li-S Akku könnten aktuelle E-Mountainbikes mehr Akkukapazität haben, aber an Gewicht verlieren. Beides würde sich in einer besseren Performance und größeren Reichweite auswirken!
Dieser Kompromiss soll anhand eines Fallbeispiels erläutert werden: Nox Helium Enduro Pro und Specialized Kenevo 2020
Das Nox Helium Hybrid darf von der Konstruktion her als klassisches E-Enduro bezeichnet werden, mit dem Fokus auf Gewichtsreduzierung kommt hier ein leichtes Fazua Evation Antriebssystem mit kleinem 252 Wh Akku zum Einsatz – so wiegt das Nox Helium mit 180 mm Fahrwerk und Stahlfederdämpfer etwas unter 20 kg – beachtlich!
Das Specialized Kenevo in der 2020 Variante wiederum wiegt je nach Ausstattungsvariante etwa 24 kg, was vor allem dem großen Energiespeicher von 700 Wh (3,6 kg) geschuldet ist. Zudem hat dieses Bike mit dem Brose Drive S einen stärkeren Antrieb. Würde ein Energiespeicher auf Lithium-Schwefel Basis also bei gleichem Gewicht die doppelte Energiemenge speichern können, wäre es der Gewichtsreduktion an E-Mountainbikes dienlich, ohne dabei an Reichweite oder Leistung zu verlieren. In die andere Richtung gedacht, könnte ein E-Enduro wie das Nox Helium noch leichter werden und das damit verbundene Fahrgefühl immer weiter einem klassischen, motorlosen MTB ähneln.
Li-S Zellen – praktischer Nutzung?
Doch kommen wir zur praktischen Umsetzung der Li-S Energiespeicher. Hier sind wir erwartungsgemäß noch sehr weit davon entfernt, diese Akkus in der Praxis massenhaft nutzen zu können. Denn aktuell ist die Baugröße bzw. Leistungsdichte dieser Energiespeicher noch nicht auf dem Niveau klassischer Lithium-Ionen Zellen, wie Dr. Holger Althues, Leiter der Abteilung Chemische Oberflächen- und Batterietechnik am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, in einem aufschlussreichen Bericht im Deutschlandfunk erklärt.
Darüber hinaus gibt es einige weitere Probleme wie beispielsweise die mechanische Stabilität der Kathode, die sich unter der betriebsbedingten Zuführung von Lithium soweit ausdehnt und wieder zusammenzieht, dass es zu Micro-Beschädigungen kommt, was die Zelle schnell altern lässt. Im aktuellen Versuchsstadium ist hier von etwa 200 Ladezyklen zu lesen.
Dieses Problem ist bei Li-S Zellen schon länger bekannt und hier kommt das australische Forschungsteam wieder ins Spiel. Denn wie ein wissenschaftlicher Artikel auf US-Fachblatt „Science Advances“ verrät, ist es mittels einer speziellen Schicht aus Bindemittel (CMC) und Kohlenstoff möglich, die erhöhten mechanischen Belastungen auszugleichen, wobei CMC als Brückenglieder dient und so die Bestandteile der Kathode stets in Verbindung bleiben. Diese Struktur ist insofern besonders, weil eine hohe Durchlässigkeit gegeben ist. Diese wiederum ist nötig, um die Ionendiffusion zu gewährleisteten und Volumenschwankungen, die beim Lade- und Endladevorgang auftreten, auszugleichen.
Meinung @eMTB-News.de
Natürlich wissen wir, dass Innovationen wie diese aktuell (noch) nicht viel mit einem praktischen Nutzen zu tun haben, spannend finden wir es dennoch, die Entwicklung in diesem Bereich zu verfolgen. Alles in allem wollen wir hier nicht tiefer in die Zellchemie und den daraus resultierenden, physikalischen Gegebenheiten einsteigen, hoffen aber, mit diesem Artikel einen kleinen Einblick geben zu können, welche Entwicklungen sich hier und da in puncto Akku-Technologie auftun. Ein E-Mountainbike ist eben nicht nur Mechanik, sondern auch spannende Elektrik – dies unterscheidet uns von der Welt der klassischen Biker.
Für alle, die sich noch etwas mit der Entwicklung von Energiespeichern beschäftigen wollen, sei folgende, in Auszügen relativ leicht verständliche Studie des Frauenhofer Instituts von 2017 nahegelegt: Entwicklungsperspektiven für Zellformate von Lithium-Ionenbatterien in der Elektromobilität.
Beschäftigt ihr euch mit Zelltechnologie und was sind in diesem Punkt eure realistischen Erwartungen an ein E-Mountainbike in der Zukunft?
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