Reifen die im Uphill ebenso wie im Downhill Grip bieten und standhaft genug sind um mit dem höheren Drehmoment und Gewicht eines E-Bikes klarzukommen: Diese Punkte schrieb sich Michelin bei der Entwicklung ihrer neuen Produktlinie ins Lastenheft. Wir konnten den neuen, für eMTBs optimierten Michelin Force AM Reifen an unserem Lapierre Overvolt AM 200 bereits auf den staubigen Trails in Cannes / Frankreich testen – Bedingungen in denen er ohne Frage brilliert. Lest weiter, um alle Details zu erfahren.
Kurz & knapp
In den letzten Jahren hat Michelin viel Zeit und Geld in die Entwicklung ihrer neuen Mountainbike-Reifen-Pallette gesteckt. Selbst erklärtes Ziel ist, wieder zu den Großen der Industrie zu gehören, wie es in den 1990er Jahren bereits der Fall war. Dieses Umstandes bewusst, machten wir uns auf den Weg nach Cannes im Süden Frankreichs um mehr über ihre neuste Produktlinie zu erfahren. Insbesondere interessierten uns dabei ihre ersten “E-Bike ready”-Reifen, die auf dem Profil der Michelin Force und Wild Reifen basieren.
Spezifikationen
Michelin Force AM in der Hand
Wir konnten den, für mäßig aggressives All-Mountain-Terrain konzipierten, Michelin Force AM Reifen in der 2,6″ Breite testen. An der Karkasse setzt Michelin auf ihre neue Shield-Technologie, die durch die GumX3D-Gummimischung auf der Lauffläche ergänzt wird. Wie der Name bereits impliziert, besteht diese aus drei verschiedenen Gummiarten: einer unteren Race-Lage zur Kraftübertragung, einer äußeren Lage auf der Lauffläche für mehr Traktion und einer seitlichen Lage, um zusätzliche Seitenführung zu generieren. Michelin legten während der Entwicklung zudem viel Wert auf Robustheit und Grip auf dem Trail, insbesondere aufgrund des höheren Drehmoments eines eMTBs. Die Michelin Force AM und Wild AM Reifen wurden deshalb zusätzlich für diese höhere Belastung entwickelt und getestet.
Die Art und Weise in der Michelin mit technischen Details umgeht, unterscheidet sich vom Großteil der Konkurrenz, denn sie halten die viele Materialien und Konstruktionsmethoden streng geheim. Die meisten Informationen erhielten wir über ihre neue Shield-Technologie, bei der es sich um eine hochdichte, diagonal gewebte Zwischenlage der Karkasse handelt. Die Shield-Karkasse wird von Michelin in drei verschiedenen Ausführungen angeboten: Die von uns getestete E-Bike Version mit “Trail Shield” bietet logischerweise den höchsten Schutz und setzt auf einen 3-lagigen Kern mit je 60 TPI (Threads per Inch = Fäden pro Zoll). Bei aller Geheimniskrämerei ist jedoch nennenswert, dass Michelin mit Sicherheit eine ordentliche Summe ihres 689.000.000 € R&D-Budgets in die neue Produktlinie investiert hat. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal Michelins ist, dass sie ihre eigenen Gummimischungen herstellen und alle Reifen für moderne, breite Felgen ausgelegt sind. Der von uns getestete, 2,6″ breite Michelin Force AM Reifen kann sogar auf bis zu 40 mm breite Felgen montiert werden, allerdings führte Michelin die meisten Tests auf 25 – 30 mm breiten Felgen durch.
Das Profil des Michelin Force AM ist vor allem auf Vortrieb und – dank des gleichmäßigen Übergangs auf die Seitenstollen – Richtungswechsel ausgelegt. Bremsmanöver erfolgen kontrolliert, da die verschiedenen Gummimischungen gut mit unterschiedlichen Böden interagieren.
Die Entwicklung der neuen Michelin-Reifen hat bereits im Jahr 2014 begonnen. Der Fokus lag dabei auf einem Maximum an Grip, hoher Pannensicherheit und möglichst wenig Rollwiderstand. Aktuell liegen noch keine Preise vor – diese werden in den kommenden Wochen bekanntgegeben.
Auf dem Trail
Als Testrad diente uns ein Lapierre Overvolt AM 200 – ein Rad, das wir etwas vor sechs Monaten zuletzt gefahren sind. Es erwies sich jedoch als sehr geeignet für den Reifentest, der vor allem auf knochenharten Singletrails und flowigen, sprunglastigen Downhill-Strecken stattfand. Da wir während des Tests keine Chancen hatten die Reifen unter feuchten Bedingungen zu testen, können wir zu diesem Zeitpunkt leider keine Angaben dazu machen.
Testvideo
Grip und Dämpfung
Wir starteten unseren Test mit dem Michelin Force AM Reifen am Vorder- sowie Hinterrad. Das Profil des Reifens ist in der 2,6″ Breite sehr rund – die Seitenstollen sind zwar ausgeprägt, jedoch nicht so hoch wie am Michelin Wild AM. Als Erstes fiel uns auf, wie weich der Übergang von den Mittel- zu den Steinstollen ist, was insbesondere bei den vorherrschenden Testbedingungen gut zu spüren war. Das dadurch vermittelte Vertrauen machte es leicht das Gewicht weit aufs Vorderrad zu verlagern. Grip war ausreichend vorhanden und der Reifen brach, auch wenn man viel Druck gab, nicht unvermittelt weg.
Am Hinterrad spielt offensichtlich der Bremsgrip des Reifens eine größere Rolle. Der Michelin Force AM reagierte auf Bremsmanöver sehr smooth und vermittelte ein fast schon klebriges Gefühl. Auch auf harten Anstiegen im Turbo-Modus war der Grip erstaunlich, es fühlte sich an, als ob die komplette Oberfläche des Reifens Bodenkontakt hält.
Da die Teststrecken teils sehr felsig, teils sanft waren und beinahe alles boten, was es zum Testen braucht – inklusive Sprüngen und extrem steilen Uphill- und Downhillpassagen – war die Dämpfungscharakteristik des Reifens leicht einzuschätzen. Unserer Meinung nach bietet der Michelin Force AM Reifen einen guten Kompromiss zwischen Grip und Rollwiderstand. Trotz geringer 1,2 bar Reifendruck, 95 kg Fahrergewicht und des ohnehin schon schwereren E-Bikes, hatten wir nicht das Gefühl, dass die Reifen Energie rauben oder in Kurven bei viel Druck wegklappen. Obwohl wir uns größte Mühe gaben, konnten wir dem Reifen keinen Snakebite zufügen, Felsen und große Löcher steckte er ohne Probleme weg.
Selbstreinigung
Da die Bedingungen, wie eingangs erwähnt, knochentrocken waren, können wir hier nur eine sehr eingeschränkte Einschätzung abgeben. Das Profil sollte offen genug sein, um auch klebrigen Matsch abzuschütteln. Aufgrund der gleichmäßigen Motorunterstützung und der großen Auflagefläche des 2,6″ breiten Reifens, müssen die Stollen nicht so hoch wie bei einem unmotorisierten Bike sein, um genügend Grip zu erzeugen, was sicherlich positiv zur Selbstreinigung des Reifens beiträgt.
Rollwiderstand
Die schnellen und trockenen Trails auf unserer Testrunde passten zum Michelin Force AM wie die Faust aufs Auge. Sobald wir etwas Druck gaben, reagierte der Reifen sehr gut und wir haben uns schnell sicher genug gefühlt, um uns mit ordentlich Geschwindigkeit in die Abfahrten zu stürzen. Durch das große Volumen des 2,6″ breiten Reifens, fühlte er sich leicht und griffig an, sobald wir im Uphill die volle Power wirken ließen. Bei geringer Unterstützungsstufe auf flachen Schotterpisten rollte der Reifen griffig, aber leicht dahin. Theoretisch erlauben einem E-Bikes, aufgrund der zusätzlichen Motorunterstützung, noch breitere Reifen zu montieren. In diesem Fall hielten wir es jedoch nicht für nötig, im Gegenteil: Wir konnten beim Bosch-Motor sogar eine geringere Unterstützung als normal wählen und dennoch ein solides Tempo fahren.
Pannensicherheit
Das Spaßige am Materialtesten ist, dass es einem nicht gehört und man versuchen kann sein Limit zu überschreiten und es zu zerstören. Genau das haben wir einige male probiert – meistens jedoch aus Versehen. Uns wurde allerdings schnell klar, dass die Karkasse des Michelin Force AM extrem robust ist und auch dicke Schläge wegsteckt, ohne dass wir viel davon gespürt hätten. Die größere Masse und Geschwindigkeit eines E-Bikes bedeutet, dass man häufiger Gefahr läuft, Reifen und Felgen zu beschädigen. Breite Felgen können hier helfen und die Modelle an unserem Testbike fielen mit 35 mm Breite in genau diese Kategorie. Zwischendurch hatten wir sogar lediglich 0,9 bar im Reifen – dennoch fuhr er sich stabil und wies keine Beschädigungen auf.
Einige der Teststrecken wiesen Sektionen auf, in denen glatte Kurven mit viel Bremseinsatz, auf hartes Gerüttel und Löcher folgten und waren somit sehr geeignet, um die Stollen auf Abrieb oder gar Abriss zu testen. Die Reifen schlugen sich hier solide und wiesen weder nennenswerten Verschleiß, noch abgerissene Stollen auf. Auch heftige Bremsmanöver, bei denen der Reifen voll auflag, führten zu keinem exzessiven Abrieb. Für einen ernsthaften Verschleißtest bräuchten wir selbstverständlich mehr Zeit und Kilometer, aber der erste Eindruck war sehr positiv und mit den aktuellen Marktführern vergleichbar.
Fazit
Zwar liegen E-Bikes noch nicht im Fokus vieler Reifenhersteller, Michelin gehen jedoch mit gutem Beispiel voran und bringen einen Reifen auf den Markt, der die zusätzliche Belastung am E-Bike berücksichtigt. Nach einem ersten Test steht für uns fest, dass der Michelin Force AM definitiv ein Kandidat für unseren Lieblings-eMTB-Reifen ist. Um uns darauf festzulegen, bräuchten wir allerdings noch etwas mehr Zeit um ihn auch auf feuchten, schlammigen und wurzeligen Trails zu fahren. Insbesondere die Uphill-Eigenschaften in diesen Bedingungen sind dabei von Interesse. Der Rollwiderstand fühlt sich sehr gering an und auch Michelins Zielsetzung eines sehr robusten Reifens scheint er gerecht zu werden. Uns gefällt auch die Breite von 2,6″, dadurch ist der Reifen nicht zu breit und schwerfällig und fühlt sich sehr ähnlich an, wie Michelins normale All-Mountain-Reifen. Für die oft an E-Bikes verbauten, breiten Felgen ist der Michelin Force AM in dieser Variante ideal, zudem besitzt er ein sehr rundes Profil und gute, berechenbare Kurveneigenschaften – ein Reifen an den man sich schnell gewöhnt und im Uphill und Downhill das Limit suchen kann.
Stärken
- rollt gut und viel Grip im Uphill
- weicher Übergang von Mittel- zu Seitenstollen
- Gewicht
Schwächen
- flache Stollen, die schnell verschleißen
Was haltet ihr davon, habt ihr euch schonmal einen E-Bike spezifischen Reifen gewünscht?
Weitere Informationen
Website: www.bike.michelin.com
Text & Redaktion: Alex Boyce | eMTB-News.de
Bilder: Michelin, Alex Boyce