Der Mountainbike-Sport boomt in Europa – immer mehr Destinationen in den Alpen, aber auch im Mittelgebirge versuchen sich dem Trend anzuschließen. Auch im „grünen Herz Deutschlands“, im Thüringer Wald, will man den Anschluss nicht verpassen und investiert in entsprechende Angebote. Im vergangenen November wurde erstmals Bilanz über die Saison 2022 gezogen – MTB-News war vor Ort.
Mittig in Deutschland platziert und von Metropolregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet, dem Nürnberger Raum oder Leipzig bequem erreichbar, ist der Thüringer Wald eigentlich dafür prädestiniert, eine von Deutschlands führenden Mountainbike-Regionen zu sein. Trotzdem taucht die vor allem durch den Rennsteig-Wanderweg bekannte Region in Umfragen unter aktiven Mountainbikern in Sachen Beliebtheit höchstens im Mittelfeld auf. Daran möchte unter anderem der Regionalverbund Thüringer Wald e. V. etwas ändern und hat Ende November 2022 Presse- und Branchenvertreter nach Suhl eingeladen, um Bilanz zu ziehen, Highlights vorzustellen und einen Ausblick in die kommende Saison zu geben.
Kern des Vortrags war eine Auswertung des Mountainbike Tourismus Forums e. V. (hier das Interview mit Geschäftsführer Nico Graaff) mit Fokus auf den Thüringer Wald. Wer sich mit der Branche auskennt, den dürften die meisten Ergebnisse wenig verwundern: Mountainbiker*innen, die sich für den Thüringer Wald interessieren, sind knapp 40 Jahre alt – meist zwischen 30 und 50. In diesem Ausmaß erstaunlich ist, dass über 70 % gerne All Mountain und Enduro fahren und sich vor allem abwechslungsreiche Singletrails und nicht ausschließlich Flowtrails wünschen. Nur etwa 13 % bezeichnen sich als Touren-Fahrer. Mountainbiker in Thüringen sind keine reinen Adrenalin-Junkies, sondern suchen das Naturerlebnis, möchten auch gerne mal abschalten und interessieren sich für Kultur, Kulinarik und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten wie das Wandern. Dazu passt, dass beschilderte MTB-Routen als wichtiger angesehen werden als Lift-Unterstützung.
So spannend die Ergebnisse der Umfrage waren, so wenig scheinen die aktuellen Angebote des Thüringer Waldes dazu zu passen. Aushängeschild ist unter anderem der Bikepark Oberhof, der in den vergangenen Jahren stark ausgebaut wurde und in dieser Zeit ein Wachstum der jährlichen Besucherzahlen von etwa 3.500 auf 12–13.000 Besucher erlebt hat. Dieser bietet neben einigen technisch anspruchsvollen Naturtrails vor allem stark ausgebaute Bikepark-Strecken, Flowtrails und eine große Jumpline. Zu seinen Besuchern zählen auch viele Kinder und Jugendliche – also weit jüngere Personengruppen als die etwa 40 Jahre aus der Umfrage. Dazu könnten neben den bereits erwähnten Strecken auch die geringen Höhenmeter und der sehr langsame Lift beitragen, die den Park äußerst Kinder-freundlich machen.
Einen zweiten Bikepark findet man in Steinach am Silbersattel – unter anderem bekannt durch den iXS Downhill Cup oder die Deutsche Downhill-Meisterschaft 2020. Dieser ist allerdings deutlich schwieriger zu erreichen und spricht mit seinem steileren Gefälle und den härteren, technisch fordernderen Strecken eher das klassische Bikepark- und Downhill-Publikum an – nicht den vorher ermittelten All-Mountain-Biker mit Erholungsbedarf. Entsprechend hat man mit jährlich 3.600 Besuchern trotz einiger Investitionen ein deutlich kleineres Publikum. Um das zu ändern, will man dank Förderung durch das Land in den kommenden Jahren etwa 700.000 € investieren. Das klingt vielversprechend, gerade da auch ein neuer, deutlich längerer Lift im Gespräch ist, mit dem man das vorhandene, durchaus hohe Potenzial des Hangs besser ausnutzen könnte. Für das klassische Bikepark-Publikum scheint hier also eine spannende und vielversprechende Destination in Planung zu sein, auf die auch MTB-News in den kommenden Jahren ein Auge werfen wird.
Neustes MTB-Highlight in Thüringen ist die Schiefergebirgstrophy, nach Vorbild des Stoneman Miriquidis im Erzgebirge. Es gibt zwei Touren mit 50–60 km, die einige der Highlights der Region Thüringer Meer abfahren. Wer die Strecke erfolgreich in 2 Tagen zurücklegt und sich vorher gegen eine Gebühr eine Stempelkarte holt, darf am Ende auch eine Schiefer-Trophäe entgegennehmen. Alle Infos zur Tour gibt’s unter: www.schiefergebirgstrophy.de
Auch ansonsten gibt es einige kleine, aber feine Angebote, wie das Trailwerk, ein Netz von MTB-Strecken in einem stillgelegten Bergwerk, das von Lucas Rham betrieben wird, der MTB-News gelegentlich bei Tests unterstützt. Zusätzlich gibt es eine stetig wachsende Zahl von Thüringer MTB-Guides und Fahrtechnik-Trainern. Mit der Firma Racement hat man sogar den Organisator des iXS Downhill Cups in seinen Reihen und mit Ilmenau, Bad Tabarz und Steinach gleich drei Austragungsorte. Dazu kommt noch der Rookies Cup in Oberhof und natürlich schnelle Fahrer*innen wie Nina Hoffmann – in Sachen Downhill-Racing spielt Thüringen also in der obersten Liga mit.
Auffällig still hingegen ist es in Thüringen um das Thema Trailcenter – was natürlich in krasser Diskrepanz zur Umfrage steht. Der ebenfalls eingeladene Tourenguide Dirk Messing aus Georgenthal relativiert auf Nachfrage: Viele Mountainbiker würden sich selbst schlecht einschätzen und wären viel eher Touren-Fahrer als echte All-Mountain und Enduro-Biker. Das stößt bei den Veranstaltern auf Zustimmung. Ganz abstreiten lässt sich dieser Punkt zwar nicht – Selbstüberschätzung ist vielen Mountainbikern nicht gerade fremd. Der Sprung vom Trail-Fahrer zum eher auf Schotterwegen beheimateten Touren-Radler ist allerdings groß. Zudem erscheint es nicht ganz schlüssig, eine so große Umfrage durchzuführen, die ja Objektivität herstellen soll, diese dann aber so subjektiv zu interpretieren. Sollte die Umfrage wiederholt werden, würde es sich natürlich anbieten, eine entsprechende Nachfrage einzubauen, die hilft, die Selbsteinschätzung besser zu beurteilen.
Den Verantwortlichen vom Regionalverbund Thüringer Wald scheint die Problematik dennoch bewusst zu sein. So verschweigt man nicht, dass es bei der Entstehung neuer Trailcenter und legaler, ausgeschilderter Trail-Routen große Hindernisse zu überwinden gibt. Ein Projekt, in das man in den vergangenen Jahren große Hoffnungen gelegt hat, ist sogar eingefroren worden. Generell scheint die Taktik zu sein, auf große Leuchtturm-Projekte zu setzen, in der Hoffnung, dass diese Nachahmer finden und die vorhandene Skepsis bei Naturschutz und Bürokratie überwinden. Bisher lassen Erfolge noch auf sich warten.
Warst du schon einmal zum Mountainbiken im Thüringer Wald? Wie hat es dir gefallen?