Sollte man in Zeiten von Corona noch mit dem E-Bike auf den Trail gehen? Verboten ist unser geliebtes Hobby aktuell (noch) nicht – und doch gibt es einige gute Gründe, das Mountainbike im Keller zu lassen oder zumindest das eigene Verhalten auf dem Trail zu überdenken.
Die Verhaltensregeln, die das Bundesgesundheitsministerium für den Umgang mit dem Corona-Virus empfiehlt, sind klar: Abstand von anderen Menschen, Körperkontakt vermeiden, richtiges Husten und Niesen, regelmäßiges und ausreichend langes Händewaschen. Sport im Allgemeinen oder auch Mountainbiken im Speziellen wird dort (logischerweise) nicht erwähnt. Und gerade in Anbetracht der frühsommerlichen Bedingungen, die aktuell draußen herrschen, würden die meisten wohl sehr gerne viel Zeit auf dem Bike im Wald verbringen. Aber:
Mountainbiken ist aktuell keine gute Idee. Womöglich ist es sogar eine ziemlich dumme Idee.
Natürlich kann man unsere geliebte Sportart hervorragend alleine betreiben. Wenn man die Hygieneregeln beachtet und nicht in der Gruppe unterwegs ist, ist die Ansteckungsgefahr praktisch nicht vorhanden. Und aktuell gibt es noch keine Verbote in Deutschland, was Aktivitäten an der frischen Luft angeht – anders als beispielsweise in Spanien, wo einem empfindliche Geldstrafen aufgebrummt werden, oder in Italien, wo anscheinend nur noch professionelle Straßenfahrer unter Mitnahme ihrer Lizenz aufs Rad dürfen. Die meisten Bikeparks sind allerdings entweder geschlossen oder stellen ihren Betrieb ein. Auch das Befahren von offiziellen Vereinsstrecken, Flowtrails und Pumptracks ist untersagt.
Das Problem ist das nicht unerhebliche Unfall-Risiko beim Mountainbiken.
„Die meisten Unfälle passieren im Haushalt!” oder „Ich fahr vorsichtig, mir wird schon nix passieren!”, so lauten beliebte Gegenargumente. Statistisch betrachtet passieren deutlich mehr Unfälle im Haushalt, was aber vor allem daran liegt, dass sich mehr Leute um den Haushalt kümmern (nämlich praktisch jeder) als es Mountainbiker gibt (nämlich deutlich weniger als praktisch jeder). Und die Prämisse, dass einem nix passieren wird, weil man heute ausnahmsweise mal vorsichtig fährt, hat zumindest den Autor dieses Artikels bislang leider nur sehr unzuverlässig vor Stürzen bewahrt.
Die medizinische Versorgung wird in Zeiten von Corona auch in Deutschland immer schwieriger. Ein Corona-Patient muss im schlimmsten Fall dringend intensivmedizinisch versorgt werden. Ein Mountainbiker mit gebrochenem Schlüsselbein eher nicht.
Wer aktuell beim Mountainbiken einen Unfall baut, der muss womöglich mit einer erheblich eingeschränkten medizinischen Versorgung rechnen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich diese Lage in den kommenden Tagen und Wochen noch zuspitzt. (Un)Fälle, die nicht akut behandlungsbedürftig sind, können zurückgewiesen werden. Wenn ihr wegen einem Sturz im Krankenhaus landet, dann darf euch niemand besuchen. Passend dazu wollen wir an dieser Stelle die World Cup-Rennfahrerin Theresia Schwenk, die in der Vergangenheit immer wieder auf erfrischende Art und Weise von ihren Rennerlebnissen für uns berichtet hat, zu Wort kommen lassen:
Vergangenen Sonntag hatten wir eine sehr unschöne Situation bei unserem Enduro-Training im Heidelberger Wald. Mein Bruder Robert ist schwer gestürzt und hat sich dabei eine schlimme Verletzung am Ellenbogen zugezogen. Er wurde notoperiert und ist seitdem in der orthopädischen Klinik, also bestens versorgt. Heute steht die zweite Operation an. Wir dürfen ihn aufgrund der aktuellen Lage nicht besuchen, was ich aber absolut respektiere und nachvollziehen kann. So durfte ich frische Klamotten, Laptop, Handy-Ladekabel und Co. nur an der Pforte abgeben. Und allein dort war schon Ausnahmezustand. Es darf nur eine Person an der Pforte sein.
Worauf ich eigentlich hinaus möchte: Die Krankenhäuser und unser gesamtes Gesundheitssystem bereiten sich aktuell auf ein Chaos vor! Es ist aktuell nicht clever, sich aus Spaß- oder Trainingszwecken draußen in Gefahr zu bringen. Inwieweit es gefährlich ist, jetzt noch draußen Enduro fahren zu gehen, muss jeder selbst entscheiden. Ich habe für mich beschlossen die kommende/n Woche/n indoor zu fahren, auch wenn das Wetter aktuell zu etwas Anderem einlädt. Die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sind uns bestimmt dankbar, wenn wir uns draußen nicht in Gefahr begeben. Denkt darüber nach! Bei uns ist es in letzter Sekunde nochmal gut ausgegangen. Ich möchte mir nicht ausmalen was passiert wäre, wenn wir doppelt oder dreifach so lange auf den Rettungswagen hätten warten müssen und eine Not-OP nicht so schnell hätte durchgeführt werden können.
Der verantwortliche Notarzt an der Unfallstelle war uns keineswegs böse, dass wir am Sonntag noch draußen unterwegs waren. Dennoch klärte er uns sehr nett und ehrlich über die aktuelle Situation in den Kliniken auf. Aktuell werden alle Patienten, die nicht zwingend im Klinikum sein müssen, nach Hause geschickt. Alle Operationen, die aktuell nicht zwingend notwendig sind, werden verlegt und wirklich alles andere auf das Mindeste runtergefahren. Das deutsche Gesundheitssystem möchte mit allen Mitteln italienische Verhältnisse in den kommenden Wochen verhindern. Lasst uns helfen, indem wir es ihnen nicht unnötig schwer machen!
Ich liebe das Mountainbikern und die Freiheit draußen im Wald und ich denke euch geht es genauso! Aus Respekt gegenüber den Ärzten, Krankenpflegern, Rettungssanitätern und Co. lasse ich mein Bike gerade aber in der Garage. Ich kann es verkraften, ein paar Wochen für die Gesundheit anderer Menschen darauf zu verzichten. Ihr auch? Denkt darüber nach was ihr macht und bleibt gesund!
– Theresia Schwenk
Den Worten Theresias möchten wir uns anschließen. Auch wir lieben das Mountainbiken, E-Mountainbiken und Rennradfahren. Wir können niemandem verbieten, auf sein Hobby zu verzichten – diese Anweisung kann höchstens von ganz oben kommen und es kann durchaus sein, dass diese Anweisung eher früher als später kommt. Bis dahin möchten auch wir aufrufen, auf jegliche unnötige Risiken zu verzichten. Muss man unbedingt anspruchsvolle Enduro-Trails fahren oder reicht es heute vielleicht auch einfach mal aus, entspannt durch den Wald zu rollen, sich körperlich eher bergauf als bergab zu verausgaben und dabei lieber das wunderbare Wetter zu genießen als den nächsten KOM zu holen? Auch damit kann man einen Beitrag leisten, um die aktuelle Situation so positiv wie möglich zu gestalten.
Die Trails laufen nicht weg, die Berge schon gar nicht.
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