Dank ihres richtigen Riechers konnten Sven Erger und Thomas Bernik bereits Mitte 2018 eine nachhaltige Plattform für neue und gebrauchte Premium-E-Bikes gründen. Gut vier Jahre später betreibt Rebike Mobility in Kempten das größte E-Bike-Refurbishment-Center Europas und bietet seiner Kundschaft neben dem Kauf auch hochwertige E-Bikes im Abo – oder zur Kurzzeitmiete. Wir haben mit Gründer und Inhaber Sven Erger gesprochen.
E-Bikes, im Keller refurbished – die Anfänge
Rebike-Mitgründer Sven Erger hat zunächst Maschinenbau in Köln und später noch Wirtschaftswissenschaften studiert. Für unser Interview erreichen wir Sven zu Hause in München – er hatte sich beim Rennradfahren im Münchner Umland einen Oberschenkel gebrochen, weil ihm ein Huhn ins Rad gelaufen war.
EMTB-News: Sven, woher hast Du die Kristallkugel?
Wie bitte?
Naja, Mitte 2018 konntet Ihr ja anders nicht wissen, was ab 2020 in der E-Bike-Welt los sein würde!
Das stimmt. Aber es war schon abzusehen, dass E-Bikes ein zunehmend interessanter Markt werden und beim Kauf gebrauchter E-Bikes im Netz einfach eine große Unsicherheit herrscht, weil alles dabei ist: von Top-Ware, bis zu Diebesgut, bis zur Katze im Sack. Wer da keine Expertise mitbringt, läuft Gefahr, auf die Nase zu fallen. Genau damit sind wir dann gestartet: Wir haben gleich 2 Jahre Garantie gegeben auf Akku und Motor: Das fehlt ja bei Ebay Kleinanzeigen, so wie gutes Bildmaterial – wie sieht das Fahrrad WIRKLICH aus? – und verlässliche Informationen über den Zustand.
Musstest Du nach 20 Jahren in Großkonzernen einfach mal was mit den Händen machen oder gab es einen strategischen Plan, den Gebrauchtkauf von E-Bikes zu Deinem Geschäftsmodell zu machen?
Nach meinem Ausstieg aus der Welt der Konzerne hab ich zunächst ein Sabbatical gemacht und mich dann mit der Frage beschäftigt, was danach passieren sollte. Am besten selbstständig machen … Und da kam dann diese Idee. Ich fand das spannend, weil es nachhaltig ist, E-Bikes wieder in den Markt hineinzubringen – und wir so auch einen Anteil an der Mobilitätswende haben. Beides Dinge, die für die kommenden Generationen superwichtig sind.
Uns war gleich zu Anfang auch klar, wenn wir’s machen, dann richtig: Wir nehmen eine beträchtliche Summe Geld in die Hand und bauen damit eine Firma auf, die man auch skalieren kann: Das war uns wichtig.
Und wie seid Ihr das angegangen?
Ich habe so 30, 40 E-Bikes bei Ebay-Kleinanzeigen gekauft und bin mit einem Sprinter durch Deutschland gefahren, hab die eingesammelt und im heimischen Keller selbst refurbished.
Die habt Ihr dann aber nicht bei Ebay-Kleinanzeigen wieder verkauft!
Nee: Wir haben gleich zu Anfang einen Webshop gebaut, der hieß damals noch „Rebike1“: die Domain Rebike.de war einfach nicht frei, die haben wir dann später kaufen können.
Unser erster Verkauf ging schon nach ein paar Stunden und am Ende unserer Testphase im Oktober (2018) war klar: Das mit dem Einkauf ist zwar etwas knifflig, aber kann man mit dem Verkauf von E-Bikes im Netz Geld verdienen. Also haben wir unsere erste Finanzierungsrunde gefahren und Investoren gesucht. Uns war klar, dass wir so 2-3 Jahre brauchen, bis wir das komplette Geschäftsmodell haben und anfangen zu skalieren.
Gebrauchte, hochwertige E-Bikes – ein knapper Rohstoff
Woher bekamt Ihr in dieser Phase Eure Gebrauchträder?
Wir haben zuerst alle Vorführräder von den Herstellern, also alle Messeräder aufgekauft, die waren aber auch ehrlich gesagt schnell verdampft.
Wie habt Ihr das gelöst?
Wir haben schnell beschlossen, wir bauen ein vorgelagertes Rental-Geschäft mit Neurädern auf – einerseits ein Short-Term-Rental mit zwei super Läden in den beiden Top-Tourismus-Spots Garmisch und Oberstdorf. Der Unterschied hier ist, im Gegensatz zu anderen Läden: Du hast bei Rebike eigentlich immer ein fast neues E-Bike. Die laufen im Verleih nur so 1.500 bis 2.000 Kilometer, dann ziehen wir die wieder zurück ins Refurbishment. Bei anderen Verleihern sind Räder zum Ende der Saison halt komplett durchgejuckelt, mit 8.000, 10.000, 15.000 km oder sowas.
Probleme elegant lösen: Sind gute, gebrauchte E-Bikes schwer zu bekommen, kann man sich einfach selber welche herstellen – mit Verleihstationen und einem E-Bike-Abo!
Unser zweiter vorgelagerter Arm ist die Langzeitmiete mit den E-Bike-Abos: Läden kann man schwer skalieren, denn das bedeutet halt immer Manpower und Managementpower. Also haben wir im Winter 2019/20 einen Piloten gestartet, wieder viel Geld investiert und viel gelernt, hatten Betrugsfälle und verschwundene Fahrräder und haben dann technisch aufgerüstet, mit Online-Bonitätsprüfungen und so weiter, um einen sicheren Mietabschluss online zu haben, mit hoher Sicherheit gegen Betrug. Da hat uns dann zunächst der Corona-Wahnsinn einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie ja allen, und dann war ja Anfang März gefühlt zwei Wochen Stillstand und Schockstarre, was passiert da jetzt – und dann, weiß man ja, ging das dann alles durch die Decke. Auch das Abo!
Rebike heute
Und wie ist Eure Situation aktuell?
Heute haben wir also mit Rebike eine Plattform für E-Bike-Miete von 3 bis 24 Monaten, alles all-inclusive, im Anschluss kommt die Ware zurück zu uns nach Kempten ins Refurbishment Center und dann gehen die in den Verkauf. Im Prinzip haben wir da ein zirkuläres Geschäftsmodell, wo wir ein Produkt zweimal an den Kunden geben. Das Abo ist für viele Biker interessant die flexible bleiben wollen. Statt sich ein Top E-Mountainbike für 7 oder mehr Tausende Euro zu kaufen kann man es sich beispielsweise bei uns über den Sommer mieten und vor dem ersten Schnee zurückgeben – im nächsten Frühjahr hat man dann wieder die Wahl. Das ist schon sehr cool für Biker, die ambitioniert sind und gerne die neueste Technik haben wollen.
Ich hörte, Ihr seid gerade umgezogen?
Wir haben gerade unsere neue Adresse in Kempten im Allgäu bezogen und sind damit jetzt Europas größter Refurbisher im E-Bike-Bereich.
Wie läuft das Refurbishment denn genau ab?
Bei Rebike in Kempten arbeiten aktuell über 60 Menschen allein im Refurbishment. Wir bieten eine Premium Generalüberholung mit 140 einzelnen Prüfschritten. Das E-Bike sieht danach aus wie neu. Das ist unser Anspruch. Dafür wird nicht nur gereinigt und überarbeitet. Wir haben ein großes Ersatzteillager mit tausenden Teilen und tauschen Komponenten sofort aus, wenn sie nicht mehr unserem Qualitätsanspruch genügen … wie gesagt, der ist „wie neu“. Das wollen wir natürlich auch zeigen: Durch unser 360 Grad Fotostudio schaffen wir dann volle Transparenz für die Kunden. Jedes Bike kann man sich bis ins kleinste Detail online anschauen, reinzoomen und drehen.
Globale Lieferketten und ein zirkuläres Geschäftsmodell
Für Neuräder steht Ihr ja in Konkurrenz mit jeder Menge Händlern, die auch gern neue Räder anbieten wollen – aber aufgrund der Lieferproblematiken nicht können. Wie schafft Ihr es denn, neue Fahrräder anzubieten?
Wir haben da grundlegend zwei Sourcing-Kanäle: Einerseits kaufen wir Neuware bei den Herstellern, mit einem Vorlauf von ca. 1,5 Jahren. Da spielen wir so in etwa auf dem Niveau der großen Händler und werden deshalb von den Herstellern ein Stück weit bevorzugt behandelt.
Da wir ja aber auch Gebrauchträder verwerten können, sind unser zweiter Kanal die Leasinggesellschaften mit ihren Rückläufern. Das ist unser Vorteil: Das kann der klassische Fahrradhandel nicht. Zudem, und das wird ja mit jedem Jahr mehr, kommen ja auch unsere eigenen Rückläufer wieder in den Abverkaufskreislauf zurück: Räder, die aus unseren E-Bike-Abos dann zum Verkauf auf unserer Website landen.
Weiterhin schauen wir jederzeit nach größeren Deals oder Insolvenzen. Da gab es im letzten Winter eine, wo wir dann auf einen Schlag 1,2,3.000 gebrauchte E-Bikes aufgekauft haben. Mal zur Größenordnung, in einen großen 40-Tonner gehen so hundert Bikes rein. Da kann man sich vorstellen, das muss man nicht nur transportieren und lagern, sondern auch verwerten können. Auch hinsichtlich der finanziellen Power, solche Volumen überhaupt auf einen Schlag abzunehmen.
Wie funktioniert das mit der Lagerkapazität bei solchen großen Posten?
Klar haben wir eigene Lagerkapazitäten, aber nicht für so große Dinger: Rebike sitzt nicht ganz zufällig an der Logistikachse Kempten – so können wir Lagerkapazitäten schnell und flexibel am Bedarf entlang nach oben skalieren.
Rebike – smarte Logistik und ein Servicenetzwerk
Wie weit ist Euer Aktionsradius? Wie löst Ihr Probleme von Kund*innen, die weit weg sitzen?
Der Vorteil von Anbietern wie Swapfiets oder Dance ist, die haben nur wenige bzw. ein Modell, sind nur im urbanen Bereich. Für die ist es natürlich einfach, mal schnell ein Bike auszutauschen. Wir bieten das E-Bike-Abo zurzeit bundesweit in Deutschland und Österreich an. Das ist nicht immer ganz einfach.
Genau: Verglichen damit hängt Ihr ja maximal weit aus dem Fenster.
Ja, das stimmt, aber die deutlich spezifischeren Probleme unserer Kundschaft wollten und können wir lösen: Nämlich zunächst mit einer guten Logistik und über ein Servicenetzwerk: Wir haben bis jetzt ca. 250 Partner, die findest Du unter rebike.com/reklamationen-werkstattpartner_service, vom kleinen Fachhändler bis hin zu großen Ketten, die den Service machen für unsere Abokunden. Wenn also jemand ein Problem hat mit seinem Abo-E-Bike, ruft der oder die bei uns im Customer Care an, da haben wir allein acht gute Leute sitzen. Die koordinieren dann einen Termin, schauen, wo der Kunde oder die Kundin sitzt und ob wir da schon Partnerwerkstätten haben. Wenn nicht, fangen wir dort sofort an, mit der Akquise und schaffen beim Kunden neue Servicepartner. Die Abrechnung erfolgt dann direkt mit uns. Du als Kunde hast dann überhaupt keine Kosten damit. Bei Dir in Hamburg zum Beispiel haben wir auch schon eine Werkstatt für Dich und arbeiten zudem bundesweit mit den mobilen Anbietern Yeply, Govecs und GetBike Service zusammen.
Funktioniert das immer?
Ganz ehrlich: Servicefälle laufen nicht immer zu 100 % glatt. Das zu behaupten, wäre gelogen. Aber wir als Unternehmen stellen sicher, dass dem Kunden immer geholfen wird, egal wie: Unser worst Case ist, wenn wir nicht in einer vernünftigen Zeit eine Lösung am Start ist, ziehen wir das Fahrrad zurück, tauschen es idealerweise wenn wir dasselbe Modell noch einmal da haben, oder ziehen es zurück, reparieren es mit höchster Priorität und schicken es wieder zum Kunden.
Wieviel technisches Verständnis braucht man, um bei Euch als Kunde glücklich zu werden?
Du bekommst für uns ein komplett fahrfertig montiertes, eingestelltes E-Bike, bei dem Du lediglich den Lenker gerade stellen musst und Pedale dran machen. Und für alles ist sowohl eine Anleitung als auch Werkzeug dabei, damit auch Leute bei uns glücklich werden, die mit so etwas noch nie zu tun hatten. Wem das noch zu weit weg ist: Wir haben gerade zwei Stores aufgemacht. Einen in Frankfurt am Main und einen in München, um auch die Kund*innen abzuholen, nicht online kaufen, sondern die auf die physische Erfahrung eines E-Bike-Kaufs Wert legen. Dort bekommst Du Abos, neue, sowie gebrauchte E-Bikes und natürlich auch Service.
Wie siehst Du Euren Start im Rückblick?
Man muss ganz klar sagen: Wir waren sicher Profiteur der Entwicklungen am Fahrradmarkt und konnten die Vision, die wir im Kopf hatten, komplett professionell aufbauen. Letztlich haben wir für Rebike natürlich auch die richtigen Investoren gefunden: Vorwerk Ventures ist einer unserer Hauptinvestoren, der Freistaat Bayern also die BayBG … Circularity aus UK ist unser Lead-Investor, dazu Tengelmann … Ein solches Geschäft in so kurzer Zeit so groß zu machen: Da musst Du finanzstark sein, sonst hast Du keine Chance.
Rebike – die Zukunft?
Wie ist Dein Nachtschlaf?
lacht – Joah, der ist ganz gut mittlerweile! Naja, es sind jetzt vier Jahre. Da so sechs bis sieben Tage die Woche …
OK, also der Schlaf ist gut – aber rar?
Geht eigentlich: Zeit ist sicher limitiert, aber mir ist auch mein Sport wichtig, und die Familie: Wenn man Kinder hat, dürfen die ja auch nicht zu kurz kommen. Meine Tochter ist jetzt 17. Die ist langsam aus dem Gröbsten raus. Die wollen dann ja auch nicht mehr den ganzen Tag betüddelt werden. Aber so sehr man da aufpassen muss: Wenn Du so eine Firma gründest, musst Du darauf vorbereitet sein, dass Du einen Haufen Deiner Zeit investieren wirst.
Innenansichten einer Firmengründung: Nachtschlaf wird (nicht) überbewertet!
Was macht Rebike in fünf Jahren?
Das gleiche wie jetzt, nur mit Sicherheit größer – und noch in anderen Ländern! Ich denke, unser Refurbishment Center ist dann bestimmt doppelt so groß.
Was machst Du in fünf Jahren?
Ich hoffe, ich bin dann noch genau so am Ruder wie jetzt!
OK, aber am Ruder sein kann ja auch heißen „14 Meter Mahagoni in der Südsee“.
Oh, nee. Ich bin ja hier in München – und gebürtiger Rheinländer! Im Moment hoffe ich erstmal, ab November wieder trainieren zu können: Mein Unfall war Ende Mai und jetzt hab ich das Bein voller Metall!
Wie steht es um die E-Mobilität in fünf Jahren?
Ich glaube fest und hoffe gleichzeitig, dass sich die Infrastruktur massiv verbessert in Deutschland. Wenn man mal andere Länder ansieht, wie Belgien, Dänemark oder die Niederlande, sind die ja Welten vor uns. Es hat sich ja schon viel getan in den Städten, durch Corona, aber es muss noch viel, viel mehr gemacht werden, gerade im städtischen Umfeld: eine saubere Trennung zwischen Radverkehr und Autos. Hier in München hat man die Straßen zwar schmaler gemacht, zugunsten der Radfahrenden, aber so richtig sicher fühlt man sich da nicht. Ich träume von Schnell-Lines für Fahrräder. Das kenne ich aus Dänemark oder auch aus Bozen. Da muss die deutsche Politik sich endlich mal ein Beispiel dran nehmen.
Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen mit dem Fahrrad oder E-Bike zur Arbeit pendeln. Wir haben aktuell ca. 120 Mitarbeitende – die bekommen alle ein gratis E-Bike als Abo und ein SEHR großer Teil von denen kommt mittlerweile mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich glaube, das kommt jetzt auch langsam in der Gesellschaft so an.
… und Du selbst: Bio- oder E-Bike?
Na – ich bin ja im Herzen Rennradfahrer. Beim Mountainbike stellt sich die Frage schon eher. Da ist beides toll!
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin gute Besserung!
E-Bikes gebraucht kaufen oder im Abo mieten – wäre das etwas für Dich?
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