Neue RockShox Boxxer Ultimate im Test: Mit dem Modelljahr 2024 bekommt die Boxxer das zweite Mal in ihrer langen Karriere dickere Standrohre verpasst: 38 mm Durchmesser sollen gemeinsam mit spannenden internen Updates für maximale Kontrolle auf modernen Highspeed-Downhill-Strecken sorgen. Wir konnten die neue Federgabel in Whistler bereits testen.
RockShox Boxxer Ultimate – Infos und Preise
Das offensichtlichste Update an der neuen RockShox Boxxer 2024 sind wohl die dickeren Standrohre. Diese messen nun 38 mm statt wie bisher 35 mm und erhöhen damit die Steifigkeit der Downhill-Federgabel. Intern gibt’s zudem ein Upgrade auf die 2022 vorgestellte Charger 3-Dämpfung sowie eine überarbeitete DebonAir-Luftfeder, die in einer eigenen Kartusche arbeitet und eine besonders lineare Kennlinie zaubern soll. Die Ultimate genannte High-End-Version mit allen Extras wechselt für 2.279 € den Besitzer – wir sind sie in Whistler mehrere Tage lang gefahren.
- Laufradgrößen 27,5″ / 29″
- Federweg 180 mm, 190 mm, 200 mm
- Federung Boxxer DebonAir+ (Luftfeder)
- Dämpfung Charger 3 RC2
- Farben Rot / Schwarz
- Achsmaß 20 mm x 110 mm Boost
- Offset 44 mm (27,5″) / 48 mm (27,5″, 29″) / 52 mm (29″)
- Gewicht 2.840 g (200 mm, 48 mm Offset, Herstellerangabe)
- www.sram.com
Preis 2.279 € (UVP) | Bikemarkt: RockShox Boxxer Ultimate kaufen
Im Detail
Die neuen 38 mm-Standrohre bieten RockShox zufolge den perfekten Kompromiss aus Nachgiebigkeit und Steifigkeit. So möchte RockShox wohl den immer schneller und ruppiger werdenden World Cup-Pisten Rechnung tragen. Ein kleines, aber nettes Detail sind die neuen Einstellhilfen im Bereich der Klemmung, dank derer man erkennen kann, wie weit man die Standrohre durch die Brücken geschoben hat. Dazu gibt’s die bereits von anderen RockShox-Gabeln – oder der Konkurrenz – bekannten Entlüftungsventile am Casting. Diese sollen verhindern, dass sich im Inneren Druck aufbaut – etwa weil die Dichtungen beim Einfedern Luft „verschlucken“ –, der dann als zusätzliche Feder fungiert.
Die überraschendste Neuerung gibt’s an der Luftfeder. Diese hört zwar weiterhin auf den bekannten Marketing-Terminus DebonAir, arbeitet nun jedoch in einem eigenen Rohr innerhalb des Standrohrs. Dadurch verringert sich der Durchmesser des Kolbens und die Luftfeder wird linearer. Die Erklärung ist einfach: Ein großer Kolben komprimiert auf 200 mm Hub einfach mehr Luft auf einen kleinen Raum als ein kleiner Kolben. Eine ähnliche Bauweise findet sich etwa an der Fox 38-Federgabel (Test).
RockShox setzt an der neuen Boxxer zudem auf eine 14 mm dicke Kolbenstange – statt bisher 10 mm –, die hohl ist und weiteres Volumen für eine größere Negativfeder bietet. Dadurch soll die Gabel sensibel ansprechen und Traktion generieren. Am anderen Ende des Federwegs gibt’s einen neuen und ziemlich langen Durchschlagschutz und natürlich die Option, Volumenspacer für mehr Progression einzubauen. Interessant sind zudem die neuen Ölflusslöcher in den Standrohren. Diese befinden sich stets unterhalb der Öldichtung und sollen mehr Schmieröl in den Gleitbuchsen zirkulieren lassen. Zudem gibt RockShox an, dass sie im Fall einer vollen Federwegsausnutzung das im Casting befindliche Luftvolumen besser verteilen, da dieses um den Bereich zwischen den Gleitbuchsen erweitert wird.
Wenig überraschend befindet sich im rechten Standrohr der 2024er Boxxer Ultimate die im letzten Jahr vorgestellte Charger 3-Dämpfung. Bei dieser lassen sich High- und Lowspeed-Compression sowie die Lowspeed-Zugstufe extern verstellen. Eine Besonderheit des Designs soll sein, dass die High- und Lowspeed-Kreisläufe sich nicht mehr signifikant gegenseitig beeinflussen. Stark vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um zwei verschiedene Pfade, die das Öl im Inneren des Dämpfers nehmen kann. Schließt man einen Pfad etwas, möchte tendenziell mehr Öl durch den anderen fließen – beides beeinflusst sich gegenseitig. RockShox hat die beiden Ventile hingegen seriell geschaltet, wodurch das Öl erst durch das leichtgängigere HSC-Ventil und dann durch die Lowspeed-Nadel fließt. Dadurch sollen sich die beiden Einstellrädchen nicht mehr aufeinander auswirken.
Natürlich dürfen auch die zuerst am RockShox Flight Attendant-Fahrwerk (Test) eingeführten ButterCups nicht fehlen – kleine Gummi-Puffer am Ende der jeweiligen Kolbenstangen. Diese sollen Vibrationen rausfiltern und so die Hände auf langen Abfahrten schonen.
Auf dem Trail
RockShox hat mich für einige erste Fahreindrücke der neuen Boxxer Ultimate nach Whistler eingeladen. Das Bike-Mekka in Kanada ist perfekt geeignet, um eine Downhill-Gabel auf die Probe zu stellen und bietet eine große Variation an Untergründen und Strecken-Charaktern – vom Jump-Trail bis zum Double Black-Tech-Trail. Eigentlich war geplant, den Test auf meinem Specialized Demo durchzuführen, in dem die 2024er Boxxer das alte Modell (alte RockShox Boxxer Ultimate im Test) ersetzt und so für eine ideale Vergleichbarkeit gesorgt hätte. Leider ist dieses allerdings auf dem Weg nach Kanada verloren gegangen, sodass ich die RockShox Boxxer Ultimate schlussendlich in einem 2018er GT Fury getestet habe.
Von oben betrachtet wirkt die neue Boxxer tatsächlich ein gutes Stück wuchtiger als das alte Modell – 3 mm können viel ausmachen. Beeindruckend ist allerdings die Sensibilität, die meine Testgabel von Beginn an an den Tag legt. Es ist zwar gut möglich, dass RockShox bei den Testmodellen besonders viel Sorgfalt beim Zusammenbau walten lässt, trotzdem liegen die Toleranzen offensichtlich auf einem extrem hohen Niveau. So ist kein nennenswerter Stick-Slip-Effekt zu spüren und die Gabel federt butterweich ein.
Beim Setup habe ich mich zunächst auf die Empfehlungen der RockShox Trailhead-App verlassen und den Luftdruck später um etwa 3 psi angehoben. Beide Druckstufen-Einsteller waren zunächst in der Mitte, den Rebound habe ich nach Gefühl und eher schnell eingestellt. Leider hatte ich am GT Probleme, den Lenker auf eine für mich angenehme Höhe zu bekommen, was zu einiger Rumprobiererei in Sachen Gabel-Einstellungen geführt hat.
Bei der Charger 3-Dämpfung soll es sich um eine längere Version der Zeb-Variante handeln – und das spürt man. Das Fahrgefühl der neuen Boxxer Ultimate fällt sehr ähnlich zu den aktuellen Single-Crown-Gabeln der US-Amerikaner aus. Auffällig ist auch die erhöhte Steifigkeit: Ein Verwinden oder gar Blockieren der Gabel lässt sich nicht mehr provozieren oder feststellen. Bei der alten Gabel war dieses deutlich spürbar, wenn man sehr hecklastig ins Flat gesprungen ist, die neue Version zeigt sich hier ziemlich unempfindlich.
Die ersten zwei Test-Tage fanden in strömendem Regen auf ziemlich technischen, schwarzen Strecken im Whistler-Bikepark statt. Die neue RockShox Boxxer Ultimate vermittelt in verblocktem Terrain nicht mehr ganz das sehr geschmeidige Gefühl des Vorgängers. Stattdessen muss man den Lenker etwas fester greifen und mit mehr Nachdruck auf die korrekte Linie zusteuern. Es ist jedoch kein himmelweiter Unterschied und ich hatte nie das Gefühl, unkontrolliert und Ping-Pong-artig den Trail hinuntergeworfen zu werden. Downhill-Strecken werden immer schneller und ruppiger und es erscheint offensichtlich, dass bei der Entwicklung irgendwo Kompromisse gemacht werden müssen. RockShox hat es mit der Steifigkeit glücklicherweise nicht übertrieben.
Auffälliger als das steifere Chassis fand ich allerdings die Federwegsausnutzung. Die alte Gabel zeigte sich hier häufig recht freudig und konnte vor allem in Bremswellen und Löchern in Anliegern gerne mal etwas tiefer wegtauchen, als ich als angenehm empfunden habe. Besserung schafften hier 4 bis 5 Volumenspacer in der Luftkammer. Die neue Boxxer Ultimate hat eine linearere Kennlinie, die gemeinsam mit der Charger 3-Dämpfung dazu beiträgt, die Gabel ungewohnt hoch im Federweg zu halten. Whistler kann Ende Juli fiese Löcher in den Kurven haben, weshalb ich viel Gelegenheit hatte, diese Eigenschaft zu beobachten. Ohne Volumenspacer und mit offener Highspeed-Compression sackt die Boxxer Ultimate kaum weg. Natürlich fällt das Feedback an die Hände etwas direkter aus – allerdings werden den Schlägen die schlimmsten Spitzen genommen und ich hatte nie Probleme, den Lenker in schnellen Kurven sicher festzuhalten.
Die Charger 3-Dämpfung fällt für meinen Geschmack relativ stark aus, sodass ich normalerweise versuche, Low- und Highspeed-Compression so offen wie möglich zu fahren. Durch den zu tiefen Lenker meines Testbikes bin ich allerdings eine etwas geschlossenere Lowspeed-Compression gefahren. Interessant für den Vergleich der körperlichen Ermüdung wäre ein Test auf einer mir bekannten Downhill-Strecke. Durch die schiere Größe des Bikeparks in Whistler sind wir nur selten dieselbe Strecke mehrfach gefahren. Zudem gibt es auf den schnellen, ruppigen Strecke im Park viele Kreuzungen, weshalb man selten mehrere Minuten am Stück auf Zug durchfährt.
Das ist uns aufgefallen
- Steifigkeit Die neue Boxxer ist ohne Frage spürbar steifer als der Vorgänger. Ein Verwinden der Gabel ließ sich während der Fahrt nicht provozieren. RockShox hat es allerdings nicht übertrieben, weshalb man immer noch ausreichend Kontrolle in technischen, verwinkelten Segmenten hat.
- Federkennlinie Die neue Kennlinie fällt linearer als zuvor aus. Ob es daran liegt oder auch an der neuen Charger 3-Dämpfung lässt sich schwer sagen – allerdings steht die neue Boxxer spürbar höher im Federweg und sackt deutlich weniger weg als das alte Modell.
- Montage RockShox legt viel Wert auf den korrekten Ablauf der Montage-Sequenz der Gabelbrücken. Dies soll sicherstellen, dass die Gabel spannungsfrei arbeiten kann. Der Ablauf findet sich ziemlich weit unten im Benutzerhandbuch und ist recht kompliziert beschrieben. Hoffentlich folgt noch eine leichtere Anleitung oder ein Video dazu.
- Montage-Linien Die Markierungen für die Höhe der Brücken sind ziemlich praktisch – komisch, dass bisher noch niemand drauf gekommen ist.
- Entlüftungsventile In Whistler legt man ziemlich viele Höhenmeter zurück – entsprechend ändert sich der Luftdruck im Casting. Auf dem Berg konnten wir stets deutlich hören, wie Luft aus den Entlüftungsventilen entwichen ist. Die neue Version zum Drehen ist zwar etwas umständlicher als der Druckknopf, allerdings bekommt man damit nicht so schnell ölige Hände.
- Schutzblech Die neuste Boxxer-Generation hat ein anschraubbares Schutzblech spendiert bekommen. Dieses fällt wesentlich größer – und damit besser – aus als die Version an Zeb, Lyrik & Co. Allerdings ist es immer noch kleiner als beliebte, mit Kabelbindern befestigte Versionen und Dreck kann auf schnellen Strecken weiterhin Richtung Goggle schießen. Hoffentlich gibt es bald größere Aftermarket-Versionen.
- Endanschlag Schon bei der alten Boxxer war es schwer, einen richtigen Durchschlag herbeizuführen. Auch das neue Modell setzt auf einen sehr langen Elastomer, der bereits mehrere Zentimeter vor Ende des Federwegs eingreift. Die volle Ausnutzung des Federwegs ist damit selbst bei harten Einschlägen eher die Ausnahme.
Fazit – RockShox Boxxer Ultimate
Die neue RockShox Boxxer Ultimate 2024 kann vor allem auf Highspeed-Downhill-Strecken voll überzeugen. Sie steht hoch im Federweg und sackt auch bei harten Schlägen oder Löchern in Anliegern kaum weg. Die erhöhte Steifigkeit führt zudem zu mehr Präzision in schnellen Kurven und verhindert das Verwinden der Gabel in harten Landungen. Man muss den Lenker zwar manchmal etwas fester greifen als beim Vorgänger, behält jedoch auch in technischen Wald-Passagen sicher seine Linie.
Pro / Contra
Pro
- extrem sensibles Ansprechverhalten
- hohe Lenkpräzision durch erhöhte Steifigkeit
- viel Gegenhalt in ruppigen Passagen
- hervorragende Verarbeitung
Contra
- hoher Preis
- weniger komfortabel als Vorgänger-Modell
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Testablauf
RockShox hat uns für den Test der neuen Boxxer Ultimate 2024 nach Whistler, Kanada mitgenommen. Dort konnten wir die Gabel mehrere Tage lang in einem GT Fury-Downhill-Bike auf den abwechslungsreichen Strecken in Whistler testen. Die Kosten für die Reise hat RockShox übernommen.
Hier haben wir RockShox Boxxer Ultimate 2024 getestet
- Whistler, Kanada: Der größte Bikepark Nordamerikas mit einer unglaublichen Vielzahl an technisch höchst fordernden Strecken. Doch auch berühmte Sprung-Strecken wie A-Line oder Dirt Merchant finden sich im Repertoire des Parks. Einer der besten Orte der Welt, um eine Downhill-Gabel auf die Probe zu stellen.
- Fahrstil
- verspielt
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- ausbalanciert, Gegenhalt über die Feder, Druckstufe sehr offen, schneller Rebound
- Vorlieben bei der Geometrie
- eher kurz, hoher Stack, ausgewogener Sitz- und Lenkwinkel
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