Specialized Hillbilly Grid Trail im Test: Der Hillbilly ist im Hause Specialized seit jeher der Reifen für lockere Böden und Matsch. Vor einigen Monaten haben ihn die US-Amerikaner einer Frischekur unterzogen und bieten den grobstolligen Hinterwäldler nun in 27,5″ oder 29″-Größe mit Trail- oder Downhill-Karkasse in ihrer weichsten Gummimischung an. Wir haben ihm in widrigen Winter-Verhältnissen auf den Zahn gefühlt.
Specialized Hillbilly – Infos und Preise
Specialized ist zwar eine US-amerikanische Firma, die Reifenentwicklung findet jedoch in Deutschland statt. Hier hat auch der neue Specialized Hillbilly seinen Ursprung: Der Intermediate-MTB-Reifen wird inzwischen ausschließlich in der weichsten T9-Mischung und in 2,4″-Breite angeboten. Bei der Laufradgröße bleibt die Wahl zwischen 27,5″ und 29″, außerdem kann man sich für die etwas dünnere Grid Trail oder die DH-fähige Grid Gravity-Karkasse entscheiden. Unser Grid Trail-Testreifen in 29″ bringt für heutige Verhältnisse durchaus leichte 1.070 g auf die Waage – auch die ebenfalls getestete Gravity-Version ist mit 1.377 g eher auf der leichten Seite.
- Laufradgrößen 27,5″ / 29″
- Reifenbreiten 2,4″
- Gummimischung T9 (weich)
- Karkasse Grid Trail, Grid Gravity
- Gewicht 1.070 g (gewogen, Grid Trail, 29″) | 1.377 g (gewogen, Grid Gravity, 29″)
- www.specialized.com
Preis: 70 € (UVP) | Bikemarkt: Specialized Hillbilly kaufen
Im Detail
Zugegeben: Rein optisch hat sich am neuen Hillbilly gar nicht so viel geändert. Specialized setzt hier immer noch auf große, fast quadratische Stollen, was ihm ein sehr ähnliches Profil wie beispielsweise dem bekannten Maxxis Shorty oder Schwalbe Magic Mary verschafft. So sollen sich die Stollen zum einen tief in weiche Böden graben können, zum anderen jedoch gute Selbstreinigungseigenschaften aufweisen. Dreck soll also durch die schnelle Umdrehung der Reifen einfach rausgeschleudert werden und das Profil nicht zusetzen.
In der Mitte soll ein Wechsel aus eng zusammenstehenden und etwas weiter distanzierten Blöcken für Bremsgrip sorgen. Dieses Feature wurde ziemlich unverändert vom Vorgänger übernommen. Außen hingegen sind die Stollen nun breiter abgestützt und wechseln sich in ihrer Form ab. Das macht den Reifen den Entwicklern zufolge etwas stabiler und verhindert abknickende Stollen auf harten Untergründen. Damit soll der Hillbilly nun deutlich Allround-freundlicher und im waldigen Mittelgebirge auch als Ganzjahresreifen-tauglich sein.
Neuerdings gibt es den Hillbilly nur noch in 2,4″ Breite – zuvor hatte man die Wahl aus 2,3″ oder 2,6″. Der Mittelwert scheint sich im Mountainbike-Bereich jedoch durchzusetzen – die Zeit sehr breiter Reifen ist jedenfalls vorbei. Egal, zu welcher Karkasse man greift, der Hillbilly kommt in der weichsten T9-Gummimischung. Diese soll Vibrationen dämpfen und so nicht nur viel Grip liefern, sondern auch ein plötzliches Verspringen oder Ausbrechen des Reifens verhindern. Natürlich ist der Specialized Hillbilly in sämtlichen Versionen Tubeless-geeignet und wurde auch von uns so getestet. Die Grid Trail-Karkasse mit 60 TPI verfügt laut Specialized über einen durchgehenden Pannenschutz, in der schwereren Gravity-Variante ist dieser doppelt ausgeführt. Unser Trail-Testreifen wiegt tatsächlich exakt 1.070 g, was auch der Angabe von Specialized entspricht und damit eher auf der leichten Seite für einen Trail- bis Enduro-Matschreifen ist.
Auf dem Trail
Wir sind den Specialized Hillbilly in Größe 29″ und mit Grid Trail-Karkasse mehrere Wochen im Winter an einem Trailbike gefahren. Die meiste Zeit haben wir ihn mit einem Specialized Butcher Grid Trail T7 am Heck kombiniert, konnten ihn jedoch auch an Front und Heck gemeinsam testen. Außerdem sind wir die DH-Version in schlammigen wie extrem losen Bedingungen an einem Specialized Demo gefahren – doch dazu später mehr. Die Montage ist gewohnt problemlos, die Reifen lassen sich sowohl in neuem Zustand auf Syncros-Felgen als auch später auf dem DT Swiss EXC 1200 Spline-Laufrädern problemlos mit einer Standpumpe tubeless installieren und verlieren über Nacht nicht merklich an Luft.
Die Karkasse fühlt sich zwar vergleichbar zu den vorher installierten Maxxis Minion Exo+ Reifen an und auch das Gewicht ist nur unwesentlich höher, doch bereits nach wenigen Trail-Metern muss ich feststellen, dass ich im Luftdruck leicht nach unten muss – die Reifen fühlen sich etwas steifer an. Etwa 1,5–1,6 bar (hinten meist 0,1 bar mehr als vorn) stellen sich in den nasskalten Bedingungen als passend heraus.
Gespannt war ich natürlich auf den Rollwiderstand – Grip ist mir auf meinen anspruchsvollen Hometrails zwar wichtig, allerdings muss ich ja auch noch annehmbar bequem auf den Berg kommen. An der Front rollt der Hillbilly auch auf ausgedehnten Touren absolut akzeptabel. Gemeinsam mit dem Butcher T7 konnte ich keinen wesentlichen Nachteil gegenüber der Minion DHF/DHR II-Kombination vorher feststellen. Die Abrollgeräusche auf Asphalt sind hingegen merklich lauter – längere Asphalt-Anstiege fühlen sich dadurch relativ zäh an. Das war bei einem Reifen dieser Kategorie allerdings erwartbar. Überraschenderweise empfand ich den Rollwiderstand des Hillbillys am Hinterrad ebenfalls als absolut akzeptabel und in meinem subjektiven Empfinden nur schwer vom Butcher T7 unterscheidbar. Der Reifen gleitet tatsächlich relativ gut über harte Untergründe und bollert bei Weitem nicht so, wie man es von einem so aggressiven Profil erwarten würde.
In losen Böden mit natürlichen, unbefestigten Kurven ist der Specialized Hillbilly eine Offenbarung. Ich musste mich erst mal daran gewöhnen, wie spitz ich in Kurven fahren kann, ohne die Kontrolle an der Front zu verlieren. Nur unvermittelt auftauchende Wurzeln setzen der Übermütigkeit ein Ende. Tatsächlich hatte ich jedoch nicht das Gefühl, dass der Reifen auf Felsen oder Wurzeln übermäßig abschmiert, wie es bei vollwertigen Schlamm-Reifen häufig der Fall ist. Natürlich rutscht man an einer glitschigen Wurzel ab – ich konnte jedoch einige feuchte Trails mit hartem Boden, längeren Fels-Überquerungen und Wurzelpassagen fahren und hatte kein schwammiges Gefühl an der Front. Einen Vorteil bietet das aggressive Profil hier allerdings auch nicht. Insgesamt scheint es jedoch so, dass die Kombination aus breiter abgestützten Stollen und weicher, dämpfender Gummimischung dem Hillbilly wie beabsichtigt ziemlich gute Allround-Fähigkeiten spendiert hat.
Die meiste Zeit über bin ich den Hillbilly nur an der Front gefahren – man braucht schon sehr viele steile, schlammige Trails, um das Gefühl zu haben, am Heck darauf angewiesen zu sein. Zudem bietet der Butcher große Bremsstollen und ein ebenfalls relativ offenes Profil, wodurch er am Hinterrad auch im Nassen eine gute Figur macht. Und auch wenn der Rollwiderstand mit dem Hillbilly an Front und Heck nicht so schlimm war wie erwartet, würde er mich auf ausgedehnten Touren schon stören.
Auch auf dem Downhill-Bike hat der Hillbilly an Front und Heck einen unauffälligen, aber guten Eindruck gemacht. Das Bild ist insgesamt ein ähnliches: Am meisten profitiert man in sehr losen Böden, wo sich die Stollen gut eingraben können. Doch auch ausgefahrene Strecken mit sehr steinigem Boden, wie er auf der iXS Cup-Strecke in Ilmenau üblich ist, bringen den Reifen nicht ans Limit. Die Dämpfung fällt durch die vergleichsweise dünne Karkasse für einen Downhill-Reifen eher niedrig aus – wie wir schon am Cannibal (Specialized Cannibal Test) feststellen konnten. Allerdings stört das in schlammigen Winter-Verhältnissen, wenn sich ohnehin alles sehr gedämpft und indirekt anfühlt, in keiner Weise. Der Hillbilly ist mit seinem Profil auch eine gute Alternativ für sehr lose Strecken mit tiefen Staublöchern, wie wir im trockenen Frühjahr im italienischen Piemont feststellen konnten. Auch hier ergab sich trotz vieler spitzer Steine kein Defekt – allerdings bietet das weiche T9-Gummi diesen nur wenig Widerstand und verschleißt am Hinterrad enorm schnell.
Das ist uns aufgefallen
- Profil Auf den ersten und auch auf den zweiten Blick sieht das Profil des Hillbilly relativ unverändert aus. Hauptsächlich wurde jedoch die Abstützung der Seitenstollen angepasst. Das macht sich vor allem in den besseren Allround-Eigenschaften bemerkbar: Auf harten Untergründen vermittelt der Reifen ein direktes Gefühl und wird nicht schwammig.
- Tubeless-Fähigkeit Die Reifen waren sowohl in der Trail als auch Gravity-Version sehr einfach und mit einer gewöhnlichen Pumpe tubeless zu montieren. Wir konnten im Testzeitraum auch keine durch die Seitenwand diffundierende Tubeless-Milch feststellen, wie es bei Specialized-Reifen in der Vergangenheit häufiger der Fall war.
- Verschleiß Die winterlichen Ausfahrten auf den Hometrails haben nur leichte Verschleißspuren hinterlassen, wobei ich den Reifen nicht sehr lange am Hinterrad gefahren bin. Anders sieht es am Downhill-Bike aus: Nach 2 Tagen und etwa 8.000 Tiefenmetern auf einer enorm staubigen, aber auch steinigen und steilen Strecke in Norditalien bietet der Hinterreifen ein Haifischzahn-artiges Profil. Die T9-Gummimischung liefert zwar viel Grip, verschleißt auf steilen, harten Böden jedoch stark.
- Karkasse Ich hatte im Testzeitraum und trotz einiger sehr steiniger und ruppiger Test-Strecken keine Platten zu beklagen. Im Vergleich zu den bekanntermaßen sehr steifen Schwalbe-Karkassen (Super Gravity & Super Downhill) am ebenfalls grobstolligen Schwalbe Magic Mary vermitteln die Hillbillys ein etwas nachgiebigeres und schwammigeres Gefühl. Beim Umstieg kann etwas Umgewöhnung nötig sein – es empfiehlt sich auch, leicht höhere Luftdrücke zu fahren. Im Vergleich zu Maxxis-Karkassen liegt Grid Trail wohl zwischen Exo+ und DoubleDown und Grid Gravity etwas unter DH. Die Steifigkeit der Karkassen fühlt sich allerdings sehr ähnlich an.
Fazit – Specialized Hillbilly
Der Specialized Hillbilly ist in seiner jüngsten Iteration eine hervorragende Wahl für feuchte Herbst- und Frühjahrs-Ausfahrten. Die groben Stollen sorgen für viel Grip in lockerem Erdboden, ohne auf härteren Böden zu schwammig zu werden. Der Rollwiderstand ist für einen Reifen dieser Kategorie völlig in Ordnung – für Enduro-Touren würden wir ihn allerdings vor allem als Vorderreifen empfehlen. Leichte Abzüge gibt's nur für den rapiden Verschleiß am Downhill-Bike.
Pro / Contra
Pro
- Grip in losem Gelände
- gute Haftung im Nassen
- stabile Seitenstollen
Contra
- starker Verschleiß im DH-Einsatz
Testablauf
Wir sind die Specialized Hillbilly-Reifen in der Grid Trail-Ausführung im Winter 2022/23 auf vielen, häufig nassen und schlammigen Enduro-Touren gefahren. Ein Großteil der Höhenmeter wurde aus eigener Kraft zurückgelegt. Hauptsächlich waren wir im Thüringer Wald unterwegs, mit einigen Abstechern in andere Trail-Gebiete. Wir sind den Hillbilly häufig in Kombination mit einem Butcher T7 am Heck, allerdings auch an Front und Heck gleichzeitig gefahren. Zudem hatten wir einen Satz mit Gravity-Karkasse am Downhill-Bike.
Hier haben wir die Specialized Hillbilly-Reifen getestet
- Thüringer Wald Vorwiegend von Steinen durchsetzter Nadelboden. Viele Wurzeln, eher harter Untergrund, der dafür auch bei Nässe viel Grip bietet. Ab und an tiefe, auch mal schlammige Passagen, kaum gebaute Kurven, viel Offcamber.
- Pfalz Lockerer, tiefer Sandboden mit vielen gebauten Kurven, aber auch technischen Passagen. Immer wieder große Felsen und Felsplatten, dazu einige Sprünge und eher hohe Geschwindigkeiten.
- Erzgebirge Kurze, aber dafür sehr steile und technisch extrem anspruchsvolle Abfahrten. Viele scharfkantige Felsen, Felsplatten, aber vor allem sehr, sehr viele Wurzeln und eine sehr natürliche Streckenführung mit kaum gebauten Kurven.
- Piemont, Italien Extrem harte, ausgebolzte und sandig-staubige Downhill-Strecke mit viel Gefälle über etwa 700 Tiefenmeter.
Körpergröße | 183 cm |
Schrittlänge | 85,5 cm |
Oberkörperlänge | 60 cm |
Armlänge | 61 cm |
Gewicht | 80 kg |
- Fahrstil
- verspielt
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- ausbalanciert, Gegenhalt über die Feder, Druckstufe sehr offen, schneller Rebound
- Vorlieben bei der Geometrie
- eher kurz, hoher Stack, ausgewogener Sitz- und Lenkwinkel