Endlich hat SRAM ein eigenes Motorsystem! Mit dem Powertrain Motorsystem beginnt eine neue Ära für SRAM, denn jetzt hat man, neben Schaltung, Bremsen und diversen AXS-Gadgets, auch ein komplettes Antriebssystem für E-Bikes im Portfolio. Was hinter der Entwicklung des SRAM Eagle Powertrain steckt, verraten wir euch hier.
SRAM Eagle Powertrain E-Bike Motorsystem – die Innovationen
✅ neu entwickelte Software für die Motorcharakteristik
✅ zwei Unterstützungsmodi – Rally und Range
✅ volle Integration von Eagle AXS Transmission
✅ Auto-Shift – automatisches Schalten
✅ Coast-Shifting – Gangwechsel, ohne zu pedalieren
✅ zwei unterschiedliche Akkus (630/720 Wh)
✅ Range Extender (250 Wh)
✅ Kompatibel mit AXS App
SRAM Eagle Powertrain – die Entwicklung
Da ist es, das Motorsystem von SRAM! Bitte was?! SRAM hat jetzt einen E-Bike-Motor? Ja, allerdings geht es um viel mehr, als nur um einen Motor. Beim SRAM Eagle Powertrain handelt es sich nämlich um ein komplexes Motorsystem mit Akku, Motor und Display, bei dem die Schaltung einbezogen, vielleicht sogar im Vordergrund steht …
Mit der Entwicklung wurde 2020 begonnen. Auf einem weißen Blatt Papier skizzierte man ein E-Bike-System, bei dem der Motor nur ein Baustein eines komplexen, großen Ganzen ist. Unter dem Projektnamen „Apollo“ lief dann eine umfangreiche Entwicklung, für die das Team in Schweinfurt kontinuierlich wuchs und auch im Gebäude massiv expandiert wurde. Es mussten Softwareentwickler*innen und Spezialist*innen für E-Bike-Systeme eingestellt werden, im Test Lab in Schweinfurt musste Platz geschaffen werden, um vollkommen neu entwickelte Testzyklen an komplett neuen Prüfständen fahren zu können.
Für das Powertrain-System haben wir komplexe neue Prüfstände entwickelt. Damit können in unserem Test Lab in Schweinfurt umfassende Versuche mit allen möglichen E-Bike Komponenten und dem Gesamtsystem durchgeführt werden.
Christian Jäger, Test Lab Manager Schweinfurt
Das größte von acht Test Labs, die SRAM unterhält, steht in Schweinfurt. Es ist auf Schaltungen spezialisiert und war maßgeblich an der Entwicklung des Eagle AXS Powertrain beteiligt. Eigens dafür wurden komplett neue Prüfstände aufgebaut und neuartige Testzyklen entwickelt und gefahren. 90 % der Testmaschinen wurden hier entwickelt. Für das Eagle Powertrain wurden drei Prüfstände gebaut:
- Prüfstand 1 für komplette E-Bikes
- Prüfstand 2 für Kleinteile, wie Pods etc.
- Prüfstand 3 für Akkuhalterungen u. Ä.
Neben Schaltungen und Powertrains werden im Test Lab in Schweinfurt auch Zipp-Naben und Laufräder getestet. Innerhalb der Test-Auslastung fallen 70–80 % auf Entwicklung, 10 % auf Tests aus der laufenden Produktion und ca. 10 % gehen auf Tests von Fremdmarken. Der Grund, weshalb SRAM ein derart großes Testlabor unterhält, ist einfach: Im Labor kann man extrem valide testen. In Kombination mit einem ausgedehnten Fieldtesting – das unter realen Bedingungen auf dem Trail stattfindet –, ist diese Methode zielführend und kann die Entwicklung neuer Produkte beschleunigen.
Um beispielsweise Auto-Shift zu entwickeln, zu testen und zu finishen, wurden Fahrszenarien, unter anderem ein Flowtrail aus der Nähe, virtuell nachgebaut. So konnte man in der finalen Abstimmung von Algorithmus und Software die Anzahl der Schaltvorgänge reduzieren – das System etwas „weniger nervös“ machen – und anpassen. Auch die Charakteristik der Unterstützungsmodi wurde hier gefinisht.
Coronabedingt erfolgte die Entwicklung des Autoshift-Algorithmus anfangs in heimischen Garagen. Erste Testfahrten wurden mit herkömmlichen Eagle AXS-Antrieben durchgeführt, welche die Schaltvorgänge gelegentlich mit lautem Krachen quittierten. Durch den höheren Verschleiß, der am Anfang auftrat, waren wir herausgefordert, die Schaltsynchronisation zu optimieren und fürs Powertrain-E-Bike anzupassen. In Verbindung mit dem Umstieg auf unsere neue Technologie Eagle Transmission wurde das Schalterlebnis dann auf ein vollkommen neues Level gehoben, was rückblickend als Meilenstein in der Autoshift-Entwicklung betrachtet werden kann.
Dominique Fuss, Senior Electrical Engineer
Doch nicht nur für die Abstimmung der neuen Fahrmodi und der neuen Motor-Charakteristik musste man kreativ werden, nein, auch die Entwicklung der neuen Akkus hatte es in sich. Denn auch hier wurden nicht nur Zellen aneinandergehängt, Spannungen geprüft, Hitzeentwicklung gecheckt, sondern auch die Metallhülle hart getestet.
Das Software-Team, kurz EE-Team genannt, hatte alle Hände voll zu tun, denn in Schweinfurt wurde quasi die komplette Powertrain-Software entwickelt. Vom Algorithmus für Auto- und Coast-Shifting, über Diagnose-, Update-, System- und Servicetool, bis hin zur kompletten AXS-Anbindung (App und Hardware). Für all dies mussten unzählige Zeilen Programmcode geschrieben werden. Dazu kam dann noch die Benutzungsoberfläche des Bridge-Display, bei der das Team der Softwareentwicklung auch Hand angelegt hat.
SRAM hat eine große Nähe zu Herstellern von Bikes und Parts und ist in der Fahrradbranche bestens vernetzt. Im Branchensprech nennt man Hersteller kurz OE. Diese Abkürzung kommt von OEM – Original Equipment Manufacturer –, was man als Erstausrüster, also u. a. Fahrradhersteller, übersetzen kann. Hier liegt eine weitere Besonderheit der Entwicklung vom Powertrain. Anders als manch andere Motorsystem-Hersteller hat SRAM nicht allein an seinem Produkt gewerkelt und dann das fertige System den OEs vorgestellt, damit die es ordern und verbauen. Nein, SRAM hat potenzielle Partner schon frühzeitig mit ins Boot geholt, damit auf die Bedürfnisse Rücksicht genommen werden kann. Man kann sagen, dass das SRAM Eagle Powertrain Motorsystem ein Produkt vieler fruchtbarer Kooperationen ist.
Für mich war das spannendste am Projekt „Apollo“ die Zusammenarbeit zwischen den OEs und uns. Das System wurde nicht im stillen Kämmerchen erdacht und nach Fertigstellung den Herstellern serviert, sondern zusammen mit unseren Partnern entwickelt.
Sebastian Koch, Application Engineer E-Bike Systems
Um das Powertrain-E-Bike-System zu entwickeln, brauchte man natürlich auch Bikes. SRAM ging hier einen eigenen Weg und ließ sich nur für die Entwicklung eigene Prototyp-Rahmen in Asien fertigen, die in Deutschland komplettiert und über einen langen Zeitraum gefahren wurden. Die Flotte dieser Prototypen war so groß, dass man jedem Bike einen eigenen Namen gab, da eine Nummerierung nicht ausgereicht hätte. Es gab Testbikes mit den Namen: Charlie Brown, Lucy, Snoopy, Frieda, Chief Wiggum, Tingeltangel Bob, Fat Toni, Cartman, Heidi, Mario, Luigi, Koopa, Donkey Kong, Rosalina, Elliott, Son Goku, Heino, Jürgen oder Wolfgang, um nur einige zu nennen. Die komplette Liste umfasst mehr als 35 Namen, denn so viele Prototypen-E-Bikes gab es in der gesamten Entwicklungs- und Testphase.
Bei den vielen E-Bikes, welche wir für die Entwicklung verwendet haben, sind wir dazu übergegangen, jedem Bike einen einprägsamen Namen zu geben. So war „Morty“ für eine lange Zeit mein treuer Wegbegleiter.
Sebastian Koch, Application Engineer E-Bike Systems
Aber auch die OE-Partnerfirmen, die bei der Entwicklung schon früh im Boot waren, waren findig und überaus spontan. Nukeproof beispielsweise nahmen einen bestehenden Megawatt-Aluminiumrahmen, flexten ein Loch ins Oberrohr, damit das Display Platz hat, und modifizierten das Unterrohr und die Motoraufnahme, damit ein neuer Akku und eine andere Motorhalterung Platz bekommen. Diese ganze Prozedur war innerhalb von zwei Wochen erledigt. Wer weiß, wie langwierig manche Prozesse in größeren Firmen dauern können, weiß, wie verdammt schnell das ist.
Für das neue SRAM Powertrain Motorsystem entwickelte man auch einen neuen Speedsensor. Dieser sitzt am Ausfallende und wird, ähnlich wie ein UDH-Schaltauge, ins Ausfallende des Rahmens geklickt. Um Tuning zu unterbinden und möglichst viele Signale pro Radumdrehung zu bekommen, setzt man nicht nur auf einen Magneten, sondern auf sechs Stück, die in einer Platte untergebracht sind, die direkt mit der Bremsscheibe auf die Nabe geschraubt wird.
SRAM Eagle Powertrain im Test
Ausführliche Infos zum SRAM Eagle Powertrain Motorsystem und einen Test gibt’s hier: SRAM Eagle Powertrain im Test
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