Bei Syntace hat man ja Erfahrung mit dem Thema Lenkung – schließlich sind Lenker und Vorbauten das Herz der Firma. Doch auch wenn die neueste Entwicklung namens „KIS“ (steht für: Keep it stable) wieder an der Lenkung ansetzt, hat sie ziemlich wenig mit den bewährten Vorbauten und Lenkern von Syntace gemein. Wir haben die Neuheit am Liteville 301CE E-Bike getestet.
KIS ist so ziemlich das erste System, das durch ein zusätzliches Drehmoment in die Lenkung eines Fahrrads eingreift. Es handelt sich nicht um einen Lenkungsdämpfer, wie er an Motorrädern manchmal zu finden ist, und auch nicht um eine Umschlagsdämpfer, der an Kinder- und Trekkingrädern ein Umschlagen des Vorderrades verhindert – auch wenn letzterer relativ nah an KIS herankommt. Übrigens: Das Liteville 301 CE hatten wir hier schon im Test – es wird bald durch eine neue Version mit integriertem KIS ersetzt. Unser Demonstrator hat KIS auffällig und wenig elegant auf dem Oberrohr montiert; diese Version gibt es nicht zu kaufen.
Was ist KIS?
Das System KIS – hier bereits am MTB getestet – sorgt dafür, dass sich die Lenkung des Fahrrads nicht mehr frei drehen lässt. Stattdessen dreht das System Lenker und Vorderrad in Geradeaus-Stellung. Umgesetzt ist diese Funktion durch eine im Oberrohr positionierte Feder, die durch einen Gurt gespannt wird, wenn das Vorderrad einlenkt. Der Gurt wickelt sich beim Lenken auf einer Scheibe auf. Durch den Durchmesser der Scheibe ändert sich das Drehmoment, das die Feder auf die Lenkung ausübt, in Abhängigkeit vom Lenkwinkel. Bei extremem Einlenken stößt das System dann an einen Lenkwinkelbegrenzer, was Beschädigungen vermeidet.
Wie fährt sich KIS?
„Das kommt drauf an …“ – Leider kann ich keine kurze Antwort auf die Frage geben, wie sich KIS fährt. Denn der Fahreindruck hängt von der Fahrsituation und von der Vergleichsbasis ab. Nach etwa einer halben Stunde Fahrt hatte ich mich an KIS gewöhnt. Weil ich auf einem „Demonstrator“ unterwegs war, konnte ich das System jederzeit aktivieren und deaktivieren – sehr praktisch für den direkten Vergleich.
Bei niedrigen Geschwindigkeiten und beim Fahren im Sitzen ist der Einfluss von KIS am deutlichsten zu spüren. Das Vorderrad zieht geradeaus, der Eingriff erinnert vom Gefühl her ein wenig an das Anschieben des E-Bike-Antriebs (bei geringer Unterstützung). Beispielsweise beim Herausbeschleunigen aus Kurven fühlt sich das genau richtig an: Fahrt aufnehmen und das Bike gerade ausrichten. KIS fühlt sich ein wenig an, als hätte das Fahrrad plötzlich eine Mittenmarkierung, man spürt, wo geradeaus ist. Dieser Eindruck ist subtil – ich habe mich vorher auch nie gefragt, wo eigentlich beim Fahrrad geradeaus ist – wird aber extrem deutlich, wenn das System wieder ausgeschaltet wird: Dann fühlt sich das Fahrrad hypernervös um die Mittellage an. Plötzlich werde ich gewahr, dass Fahrradfahren ein Balancieren im instabilen Zustand ist, dass die Lenkung nach links und rechts abkippen will; dass ich ständig nervös lenke. Lasse ich KIS dann weitere 3 Minuten ausgeschaltet, verlässt mich mein Gespür für diese Nervosität wieder. Das über Jahrzehnte gelernte Gefühl ist sehr schnell wieder zurück. Doch es kann niemand bestreiten, dass es unintuitiv ist, dass die Geradeausfahrt ohne Kurven unmöglich, und die Schlangenlinien eigentlich recht nervös sind.
Ich ertappe mich, KIS als den ersten Eingriff mit Drehmoment in die Lenkung zu bezeichnen. Das ist aber Quatsch: Denn durch die Lenkgeometrie – insbesondere Lenkwinkel, Nachlauf und Gabeloffset – gibt es teils ziemlich hohe Drehmomente in der Lenkung. Seit flache Lenkwinkel (zu Recht) Mode sind, ist ein abkippendes Lenkverhalten bei niedrigen Geschwindigkeiten die Regel und nicht die Ausnahme. Wir haben uns nur eben daran gewöhnt, dass es um die Mittellage quasi kein Lenkmoment braucht, mit zunehmendem Lenkwinkel aber ziemlich hohes Lenkmoment. KIS ist so designt, dass es das geometriebedingte Abkippen kontert. Sein Drehmoment wirkt in die gleiche Richtung wie das, welches aus dem Nachlauf des Vorderrades resultiert.
Idealisiert würden wir durch KIS lenkwinkelunabhängig die gleichen Drehmomente zum Lenken brauchen. Bei gewissen Geschwindigkeiten, ich sage mal: 10 – 20 km/h, funktioniert das super. Das Bike fährt sich intuitiver, ja: stabiler. Die Mittellage ist klar spürbar, die Lenkbewegungen fallen intuitiv und ruhig aus. Bei hohen Geschwindigkeiten dagegen sind die Effekte weniger deutlich zu spüren. Wer sehr aktiv fährt und das Fahrrad eigentlich rein durch ein aktives In-die-Kurve-Lehnen steuert, der wird von KIS beim Lenken wenig spüren oder sich – zumindest beim Erstkontakt – daran stören: Schließlich wirkt es dem gewohnten In-die-Kurve-Klappen entgegen. Allerdings: Bei solch dynamischer Fahrweise sind die Kreiselkräfte ohnehin so groß, dass KIS sich weniger bemerkbar macht. Denn die von KIS erzeugten Lenkmomente sind nur vom Lenkwinkel (gemeint ist der Winkel, in dem eingelenkt ist, nicht der Steuerkopfwinkel!), nicht von der Lenkrate oder der Fahrgeschwindigkeit abhängig.
Wie groß ist eigentlich das zusätzliche Drehmoment zur Mitte hin? Nicht sehr hoch. Je nach Reifen, Untergrund und Neigung des Fahrrads schafft es KIS im Stand und unbelastet nicht, das Vorderrad auf exakt geradeaus zu drehen. Das liegt auch am Momentenverlauf in Abhängigkeit des Lenkwinkels. Übrigens: Auch durch den Nachlauf und die Kräfte im Radaufstandspunkt gibt es (wenn das Fahrrad fährt) ein Rückstellmoment, welches wir allerdings durch unsere Schwerpunktposition und gelernte Lenkkräfte überstimmen.
Beim Schieben des Fahrrads fällt KIS stark auf, beispielsweise als ich das Fahrrad das erste Mal in den Transporter geladen oder durch die Kellertür geschoben habe. Manchmal ist das Geradeaus-Lenken praktisch, manchmal hinderlich, in erster Linie ist es ungewohnt.
Wirkt KIS wirklich Untersteuern entgegen, wie es beim Canyon-Presscamp hieß (Canyon nutzt das System für ein Jahr exklusiv an Nicht-E-Bikes)? Auf dem Papier ja, in der Praxis erscheinen mir die durch die Feder ausgeübten Momente zu gering.
Benötigt man zusätzliche Kraft zum Lenken, etwa in schnell aufeinander folgenden, engen Kurven? Nein, meiner Erfahrung nach nicht. Außer es würde sich dabei um ganz langsam gefahrene Kurven handeln, in die man sonst das Vorderrad kippen lassen könnte – ein mir aber eher theoretisch erscheinendes Szenario. Schnell aufeinander folgende, enge Kurven werden auch mit KIS am besten durch Gewichtsverlagerung gefahren.
Hat KIS das Potential, eine Innovation von der Größe der Teleskopstütze oder der Scheibenbremse zu sein? Das ist schwer zu sagen. Wenn ich mich an die Einführung der Dropperpost erinnere, gab es damals auch viele Skeptiker: Ein neues Bauteil am Fahrrad – das bedeutete mehr Gewicht, Ausfallrisiko und vor allem: Braucht man das wirklich? Die gleichen Gedanken kann ich zu KIS nachvollziehen. Aber wer weiß, vielleicht ist es – oder eine Weiterentwicklung davon – in einigen Jahren Standard.
Ist das System eher etwas für Uphill oder Downhill? Erneut würde ich sagen: Es kommt auf die Geschwindigkeit an. Wer im Sitzen zügig einen wurzeligen Trail bergauf fährt, wird die Lenkungsfeder sicher schätzen, denn wenn ein Schlag den Lenker überraschend auslenkt, zieht KIS sofort zur Geradeausfahrt zurück. Wer ganz langsam bergauf fährt, wird den „Abklapp-Schutz“ schätzen. Man darf es sich aber nicht falsch vorstellen, als ob die Lenkung nur noch geradeausfahren wollte. Sie lässt sich immer leichtgängig drehen, nur eben bevorzugt mittig, mit weniger kleinem Bogen. Die gleiche Linie lässt sich mit KIS mit weniger Schlangenlinien fahren, insofern wird die Lenkung durchaus beruhigt. Bergab gilt das gleiche, nur eben bei hohen Geschwindigkeiten untergeordnet.
Wer noch skeptisch ist: kein Problem. Fahrräder werden auch in Zukunft ohne das System fahren, und KIS wird sicher noch weiterentwickelt. Wer die Chance hat, sollte auf jeden Fall ein Fahrrad damit probefahren – und zwar am besten eines, bei dem das System leicht an- und ausgeschaltet werden kann, denn dieser A-B-Vergleich ist der eindrücklichste Weg zu merken, was mit der Lenkung, wie wir sie gewohnt sind, nicht so ganz passt …
Fazit
Ist KIS also ein cleverer Assistent oder ein unnötiges Gimmick? Weder noch. In meinen Augen ist KIS ein Schritt hin zu einer verbesserten Lenkung am Fahrrad. Eine, die uns Arbeit abnimmt, und das Fahrrad intuitiver fahrbar macht. Eine, bei der wir Kraft aufwenden, um die Richtung zu ändern, aber nicht, um ein ungewolltes Einschlagen und Schlangenlinien des Lenkers zu verhindern. Würde ich mir, wenn ich vor die Wahl gestellt würde, KIS kaufen? Auch wenn es noch nicht perfekt ist und ich kein Fan von zusätzlichen Bauteilen bin: ja. In meinen Augen überwiegen die Fälle, in denen die Feder das Richtige tut, deutlich die ganz wenigen Situationen, in denen sie das Falsche tut.
Pro / Contra
Stärken
- Wartungsfrei
- Stabilisiert die Lenkung in den meisten Fahrsituationen
- Kontert Abkippen von flachen Lenkwinkeln bei geringer Geschwindigkeit
Schwächen
- Gewohnheit ist ein starker Gegner
- ca. 80 g Mehrgewicht
KIS ist sicher eine der am schwierigsten zu beschreibenden Neuerungen der letzten Jahre – wer von euch würde es am liebsten sofort ausprobieren?
Körpergröße | 176 cm |
Schrittlänge | 82 cm |
Oberkörperlänge | 63 cm |
Armlänge | 65 cm |
Gewicht | 70 kg |
From gravel to enduro riding, as long as it’s a bicycle I’m happy! Electric or bio-powered – if it’s rolling, it’s rolling. Fun is always first…
- Fahrstil / Riding style
- Verspielt, schnell, gerne auch mal im Drift. / Playful, fast, skidding is always welcome.
- Ich fahre hauptsächlich / I mainly ride
- Trails – jeder Art!/ Trails – no matter which!
- Vorlieben beim Fahrwerk / Preferred suspension setup
- Popp muss sein, aber mit Sicherheit wenn es drauf ankommt./ It’s got to have some pop – but also safety for when things go wrong.
- Vorlieben bei der Geometrie / Preferred geometry
- Spaß muss sie machen! / It’s got to be fun!