Innata Chamois im Test: Noch nie haben wir einen Biketest auf einem extra für uns zusammengeschweißten Rahmen durchgeführt. Doch das ist keine Sonderbehandlung, denn das Innata Chamois wird lediglich auf Bestellung und nach den exakten Vorgaben des Kunden gefertigt – keine Massenfertigung also. Dementsprechend simpel fällt die Formsprache des Rahmens aus, denn nur so lassen sich individuelle Anpassungen schnell umsetzen. Wir haben der Kreation der aus Brescia/Italien stammenden Marke auf den Zahn gefühlt.
Innata Chamois – kurz & knapp
Custom Geometrie? Ja, bitte!
Die Chance, ein so einmaliges E-Bike zu testen, das man sich sogar beliebig anpassen lassen kann, war auch für uns eine neue Erfahrung. Unser Test fand auf einem späten Prototyp einer Mittelklasse-Version statt – es war das zweite von insgesamt sieben Bikes, die produziert wurden, bevor die eigentliche Produktion auf Bestellung startet. Innata nehmen zwar bereits Kunden Bestellungen an, finalisieren jedoch aktuell noch einige Details. Unser Innata Chamois-Testbike verfügte über ihre Basis-Geometrie und stellte sich schnell als optimal für klassische Endurotrails alter Schule heraus, wie man sie beispielsweise am Gardasee vorfindet.
Der Preis liegt bei 6.969 € (UVP Italien) | Bikemarkt: Innata Chamois kaufen
Innata Chamois – Technische Daten
Geometrie
Ausstattung
- Rahmen: Aluminium Custom Geometrie
- Gabel: Rockshox Yari / 150 mm
- Dämpfer: Monarch Plus RC3 / 150 mm
- Schalthebel: Shimano XT
- Schaltwerk: Shimano XT
- Kassette: Shimano HG-701
- Kurbeln: FSA
- Bremse: Shimano XT, 203 / 180 mm Scheiben
- Laufräder: RWR DH
- Reifen: Maxxis Highroller DH Karkasse, 27,5″ x 2,5″
- Naben: RWR Boost / vorne 15 x 110 mm – hinten 12 x 148 mm
- Sattel: PRO Tharsis 9.8
- Sattelstütze: PRO
- Lenker: FSA Grid HB 800 35 mm
- Vorbau: FSA Grid ST 35 mm
- Motor: Brose
- Display: Bloks
- Akku: 558 Wh
- Leistung: 250 W
- Gewicht: 23,85 kg
- Preis: 6.969 € (UVP)
Motor & Akku
Details zum Innata Chamois
Eine der wenigen offen liegenden Brose-Batterien
Das Innata Chamois basiert auf einem regulären Brose-Antrieb mit einer offen auf dem Unterrohr montierten 558 Wh Batterie. Unser Testbike verfügte über die neueste Brose-Software und somit über mehr als ausreichend Leistung. Eine offenliegende Brose-Batterie ist uns bisher äußerst selten begegnet, allerdings ist sie notwendig, um den Rahmen entsprechend flexibel an die Bedürfnisse der Kunden anpassen zu können. Eine deutlich schickere integrierte Batterie würde solchen Modifikationen nur im Wege stehen.
- Motor: Brose
- Akku: 558 Wh
- Leistung: max. 250 Watt
- Display: Bloks
Fernbedienung rechts – auch etwas Neues!
Die auf der rechten Seite liegende Fernbedienung für den Motor sorgte zunächst für etwas Stirnrunzeln, stellte sich jedoch als relativ unproblematisch heraus. Mit dem Brose-Antrieb mussten wir die Motoreinstellungen äußerst selten ändern, sodass es letztendlich kaum eine Rolle spielte, wo sich das Display und die Bedienknöpfe befanden.
Innata Chamois in der Hand
Die Komponenten sind robust und funktionell.
Wie wir anfangs bereits erwähnten, fand der Test auf einem Vorproduktionsmodell statt. Das bedeutet, dass die Geometrie bereits der des Serienmodells entsprach, allerdings noch einige Detailfragen beim Rahmenfinish zu klären waren. Zum Beispiel wird sich die Kabelführung auf der Unterseite des Unterrohrs befinden und nicht seitlich und die Anbindung der Kettenstreben an das Hauptlager wird sich leicht ändern.
Aus nächster Nähe betrachtet, ist das Design eher simpel, was laut Innata der Tatsache geschuldet ist, dass es so flexibel wie möglich sein sollte. Alles kann geändert werden: von der Rahmenfarbe, über Komponenten bis zur Geometrie – lediglich die Rohrform ist fix. Innata haben allerdings einige Basis-Versionen mit der von ihnen empfohlenen Ausstattung, anhand derer der Endkunde dann finale Anpassungen vornehmen lassen kann. Die Wartezeit soll in etwa zwei Monate betragen, da jeder Rahmen exklusiv auf Bestellung handgeschweißt und anschließen im Ofen hitzebehandelt wird. Um die Custom-Geometrien zu verwirklichen, muss zudem jedes Rohr extra abgelängt und zugeschnitten werden.
Unser Innata Chamois-Testbike wurde in 10 Tagen in aller Schnelle zusammengeschweißt und aufgebaut, um es zum verabredeten Testdatum fertig zu haben. Die gewählte Geometrie des M-Rahmens lag sehr nahe an der aktueller Mainstream eMTBs. Allerdings unterschied sich die Ausstattung mit einem breiten Lenker, kurzen Vorbau und gestreckten Cockpit von den meisten Modellen großer Marken. Uns gefällt das ziemlich gut, da es einfach mehr Kontrolle über das E-Bike vermittelt.
Das Innata Chamois verfügt über 150 mm Federweg vorne und hinten. Am Heck arbeitet ein zuverlässiges Viergelenker-System mit einem RockShox Monarch Plus RC3-Dämpfer, der das Hinterrad sicher auf dem Boden hält. Vorne befand sich eine etwas günstigere RockShox Yari-Federgabel, die jedoch sehr solide Performance ablieferte. Interessanterweise ist die Top-Version des Chamois mit einer 160 mm Formula Selva ausgestattet – einer bekanntermaßen leistungsstarken Federgabel.
Die gewählten Laufräder sind robust und basieren auf den sehr stabilen und handgemachten Downhill-Laufrädern der kleinen italienischen Marke RWR. Selbst auf den sehr steinigen und harten Trails am Gardasee waren sie nach mehreren harten Abfahrten noch wie neu – und wir haben dort bereits einige gute Enduro-Laufräder in nur einem Run zerstört. Besonders hervorzuheben ist auch, dass Innata Maxxis Highroller II-Reifen mit Downhill-Karkasse montiert haben, womit sie unseres Wissens nach eine der wenigen Firmen sind, die das tun. Wir haben in den letzten paar Jahren so viele Löcher und Schlitze in so viele verschiedenen Reifen gefahren, dass es eine Wohltat ist, endlich eine Firma zu sehen, die bereits ab Werk ein E-Bike mit Downhill-Reifen ausliefern – andere Firmen könnten sich hier eine Scheibe abschneiden.
Innata Chamois auf dem Trail
Uphill
Der Brose-Motor ist am Gardasee perfekt.
Das Innata Chamois fühlt sich bergauf sehr ausbalanciert an und die Federung an Front und Heck scheint gut miteinander zu harmonieren. Der Gardasee bietet eine Menge an steinigen und engen Kurven, mit dem Chamois hatten wir jedoch selten Probleme, denn dank des Brose-Motors dreht es bei schwierigen Anfahrten nicht unkontrolliert durch. Der Motor scheint für derartige Bedingungen geradezu wie gemacht zu sein. Dank des breiten Lenkers und kurzen Vorbaus reagiert das eMTB sehr präzise und direkt auf Lenkimpulse und zirkelt geschmeidig um enge Serpentinen oder über kleine Stufen. Man bekommt jedoch jederzeit ausreichend Feedback vom Boden und muss nicht raten, was unter einem passiert, wofür sich vor allem der Viergelenk-Hinterbau verantwortlich zeichnet. Er bietet eine schöne, stabile Plattform, und generiert dennoch ausreichend Grip.
Downhill
Das Chamois zirkelt willig um jede Kurve.
Direkt zu Anfang waren wir wirklich davon überrascht, wie schnippisch und leicht sich das Innata Chamois anfühlt, obwohl es – wie alle E-Bikes – einiges an Gewicht mit sich bringt. Es lässt sich geschmeidig über Drops ziehen und marschiert problemlos durch wirklich steinige Trails. Die ausgestatteten Reifen und Laufräder geben dem Rad einen sehr Enduro-mäßigen, direkten Charakter, was sich auch in der Fahrweise widerspiegelt. Die Federung spricht sanft an und wird gegen Ende sehr progressiv – insgesamt hat man das Gefühl “im Rad zu sitzen” und hinter dem breiten Cockpit sehr sicher aufgehoben zu sein.
Normalerweise sind wir Fans von sehr langen Rahmen, allerdings kann man nicht abstreiten, dass diese auf den technischen, engen und ausgesetzten Serpentinen am Gardasee ihre Nachteile haben. Die Geometrie des Innata Chamois ist hier jedoch genau richtig und das Rad zirkelt willig um jede Kurve – es ist offensichtlich, in welchem Terrain das Rad entwickelt wurde.
Da es sich wie bereits erwähnt um ein Einzelstück handelte, waren wir zu Beginn ein wenig ängstlich, etwas kaputt zu machen – unser Testfahrer bringt immerhin 95 kg auf die Waage und hat schon so einige Komponenten zerstört. Nachdem wir jedoch einige Durchschläge an den Reifen kassiert hatten, was möglicherweise am etwas gering gewählten Luftdruck lag, einigen tiefen Löchern nicht mehr ganz ausweichen konnten, einige Drops gemeistert, und generell viele kleine und große Schläge auf dem Trail eingesteckt hatten, wuchs das Vertrauen in den stabilen Rahmen mehr und mehr.
Trail
Wir würden es lieber im Enduro Einsatz sehen.
Der Gardasee ist unter Mountainbikern für viele Dinge berühmt – sanftes Trailsurfen ist allerdings nicht darunter. Wir haben unseren Guide Stefano deshalb extra darum gebeten, uns auch auf einige leichtere, flowigere Trails zu führen. Dabei stellten wir fest, dass das Innata Chamois relativ komfortabel dahinrollt, ohne den Fahrer in eine unbequeme Position zu zwingen oder durchzuschütteln. Das Chamois findet seinen Weg präzise um Steinspitzen herum und lässt sich dank des sehr sanften Brose-Motors auch kurze, knackige Anstiege hoch drücken. Allerdings kann man nicht verneinen, dass seine Gene im Downhill liegen und es sich lieber eine steinige Rinne nach unten stürzen möchte. Die Ausstattung schreit Enduro und das Marketing dreht sich um das Thema Enduro – also würden wir es auch lieber im Enduro Einsatz sehen.
Tuning-Möglichkeiten
Wenn man spezifische Vorstellungen für die Geometrie hat, muss man einfach nur das Telefon in die Hand nehmen und Dario anrufen, um es mit ihm zu besprechen. Der Designer wird dann die Werte entsprechend anpassen und schwupp – hat man seine ganz persönliche Geometrie. Eines muss jedoch klar sein: Man sollte wissen, was man da macht! Man kann sich das Rad in grellem Pink lackieren lassen, das hat keinen Einfluss auf die Performance – wer jedoch Änderungen an der Geometrie vornimmt, sollte einen gewissen Erfahrungsschatz mit sich bringen und genau wissen, in welchem Gelände er das eMTB fahren wird.
Test-Fazit zum Innata Chamois
Einem E-Bike die richtige Geometrie zu verpassen ist nicht so leicht – aktuell gibt es eine Menge anerkannter Interpretationen. Das von uns gefahrene Innata Chamois wies ziemlich durchschnittliche Werte auf und konnte mit einer sehr durchdachten, Enduro-würdigen Ausstattung punkten. Zieht man in Betracht, dass an den Rädern von der Geometrie bis zur Ausstattung beinahe alles angepasst werden kann, scheint der Preis ziemlich konkurrenzfähig zu sein. Auf unseren Testtrails am Gardasee zeigte sich das Rad sehr spaßig und wendig – zu gerne würden wir eine an unsere Bedürfnisse angepasste Version zusammenschweißen lassen. Die Kombination aus Brose-System und Custom-Geometrie ist ungewöhnlich und eröffnet einige Optionen, die uns bisher noch nicht bekannt waren.
Stärken
- voll anpassbar
- gute Basis-Geometrie für Enduro-Trails
- sehr sanfter Motor
Schwächen
- keine integrierte Batterie
- Brose-Batterie ist ziemlich groß
Hier haben wir das Innata Chamois getestet
- ORT: Wir haben das Innata Chamois auf einigen relativ unbekannten Enduro-Trails bei Toscolano Maderno am Ufer des Gardasees getestet. Wir sind einige Male geshuttelt um mehrere verschiedene Trails fahren zu können und sind etwa 1200 hm auf dem E-Bike nach oben geklettert. Wir wurden von Stefano Bianchini geguidet, der in der Gegend verschiedenste Touren für alle Könnensstufen anbietet. Viele der Testtrails spiegelten den bekannten, italienischen “Gardasee-Charakter” wider, mit erosionsbeständigen Felsen und langen, flowigen Abfahrten auf frischem Untergrund.
Testerprofil Alex Boyce
- Testername: Alex Boyce
- Körpergröße: 183 cm
- Gewicht (mit Riding-Gear): 95 kg
- Schrittlänge: 88 cm
- Armlänge: 69 cm
- Oberkörperlänge: 67 cm
- Fahrstil: weich, gerne mit Sprüngen, jedes Terrain, Uphill im Turbo-Modus
- Was fahre ich hauptsächlich: E-Bike, Enduro, Gravel.
- Vorlieben beim Fahrwerk: gutes Ansprechverhalten und direkte Lenkung, Plusreifen
- Vorlieben bei der Geometrie: breiter Lenker (800 mm), langer Hauptrahmen, mittellange Kettenstreben
Video zum Innata Chamois
Seht ihr einen Markt für individuelle Rahmengeometrien? Würdet ihr gerne mehr Firmen sehen, die diesen Service anbieten?
Weitere Informationen zum Innata Chamois
Webseite: www.innata-ebike.it
Text & Redaktion: Alex Boyce | eMTB-News.de
Bilder: Alex Boyce, Stefano Bianchi
Chamois
- XC:
- 0 bis 120 mm Federweg (Hardtails und Full-Suspension)
- Trail:
- 100 bis 150 mm Federweg (Hardtails und Full-Suspension)
- All-Mountain:
- 120 bis 150 mm Federweg (Full-Suspension)
- Enduro:
- 150 bis 180 mm Federweg (Full-Suspension)
- Downhill:
- über 180 mm Federweg (Full-Suspension)
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