Das Merida eOne-Sixty 900E flog bei seiner Veröffentlichung etwas unter dem Radar, ist jedoch definitiv einen Blick wert. Nachdem es Anfangs beinahe unmöglich war, eines von nur drei Testrädern zu ergattern, hatten wir während der Eurobike Media Days am Kronplatz die Möglichkeit, das Top-Modell der eOne-Sixty-Reihe für einen kurzen Test zu entführen. Mit 160 mm Federweg, einer High-End-Ausstattung einem sehr fairen Preis, waren wir mehr als neugierig, wie viel Performance die Merida-Ingenieure diesem E-Enduro in die Wiege gelegt haben.
Merida eOne-Sixty 900E – kurz & knapp
Die Ausstattung des Merida eOne-Sixty 900E ist erwartungsgemäß erstklassig – schließlich handelt es sich um ein High-End-Modell. Der Rahmen wirkt eher unaufregend, allerdings gefallen uns die Grafiken wirklich gut, denn dadurch sieht das Rad selbst im Stand dynamisch und schnell aus. Ein ganz großer Pluspunkt des eMTBs ist das erstklassige Preis-/Leistungsverhältnis. Im Vergleich zu den Top-Modellen einiger Konkurrenzmarken schont das Merida das Portemonnaie, bietet jedoch eine ähnliche Ausstattung und Qualität.
- Prolite 66 Aluminium-Rahmen, Größen: S, M, L
- 160 mm Federweg
- Boost-Standard
- klapperfrei innen verlegte Züge mittels “Smart Entry”-System
- Shimano Steps E8000-Motor, 70 Nm
- 500 Wh Batterie
- Shimano Di2-Schaltung
- Gewicht: 22,10 kg (Größe M, ohne Pedale, selbst gewogen)
- Preis: 5.499 €
Geometrie
Ein E-Bike zu entwickeln, das den Geometrie-Vorlieben Enduro-orientierter Fahrer gerecht wird, ist der Industrie in den vergangenen Jahren nur selten geglückt. Die Zeiten scheinen sich jedoch zu ändern und auch Merida sind auf den Zug aufgesprungen und haben dem eOne-Sixty 900E moderne Abmaße mit einem langen Reach und tiefen Tretlager spendiert. Dadurch, dass es nur drei verschiedenen Größe gibt, fallen die Sprünge dazwischen allerdings relativ groß aus – der Medium-Rahmen beispielsweise weist mit 440 mm einen Reach auf, den man häufig bei Large-Rahmen findet.
Größe | S | M | L |
---|---|---|---|
Oberrohrlänge (TT) | 583 mm | 608 mm | 634 mm |
Sitzrohrlänge (ST) | 410 mm | 430 mm | 470 mm |
Kettenstrebenlänge (CS) | 439,5 mm | 439,5 mm | 439,5 mm |
Lenkwinkel (HTA) | 66,5° | 66,5° | 66,5° |
Sitzwinkel (STA) | 75° | 75° | 75° |
Tretlagerabsenkung (BD) | 12,5 mm | 12,5 mm | 12,5 mm |
Steuerrohrlänge (HT) | 100 mm | 120 mm | 140 mm |
Gabeleinbauhöhe (FO) | 571 mm | 571 mm | 571 mm |
Reach (R) | 420 mm | 440 mm | 460 mm |
Stack (S) | 608 mm | 626 mm | 644 mm |
Radstand (WB) | 1174 mm | 1202 mm | 1230 mm |
Überstandshöhe (SH) | 722 mm | 725 mm | 755 mm |
Ausstattung
Rahmen: Merida eOne-Sixty, Prolite 66-Aluminium
Gabel: Fox Factory 36 Float, 27,5″+, Boost 15 x 110 mm
Dämpfer: Fox Factory Float X2
Schaltwerk: Shimano XT Di2 11-fach
Schalthebel: Shimano XT Di2 11-fach
Bremsen: Shimano Saint
Kurbeln: Shimano cre80-b 34
Kette: KMC x11el
Laufräder: DT Swiss XM1501 Spline One 40, Boost
Kassette: Shimano XT, 11–46 Zähne, 11-fach
Reifen: Maxxis Minion DHR II, 27,5″ x 2,8″, Faltreifen
Vorbau: Merida Expert SS 45
Lenker: Merida Expert 35, 760 mm Breite
Sattelstütze: RockShox Reverb Stealth, 30,9 mm
Sattel: Merida Expert
Batterie: Shimano E8010, 500 Wh
Motor: Shimano Steps E8000
Merida eOne-Sixty 900E – in der Hand
Interessanterweise haben sich Merida dazu entschieden, das eOne-Sixty in lediglich drei verschiedenen Rahmengrößen anzubieten. Da der Medium-Rahmen mit 440 mm Reach vergleichsweise groß ausfällt, zog unser 183 cm großer Testfahrer diesen dem Large-Rahmen vor, der eine etwas größere Überstandshöhe aufweist und mit 460 mm Reach wirklich lang ist. Allerdings sind die Überstandshöhen im Vergleich zu Meridas unmotorisiertem Enduro-Bike One-Sixty durch die Bank weg geringer. Das Tretlager des Merida eOne-Sixty 900E sitzt vergleichsweise tief, was die Taiwanesen mit dem daraus resultierenden besseren Handling begründet.
Der Rahmen baut auf einem Shimano Steps E8000-Motor auf, der wie gewohnt sehr gleichmäßige und kräftige Unterstützung leistet und zudem die ca. 440 mm kurzen Kettenstreben erlaubt. Beim Motor handelt es sich um eine Standard-Version ohne spezifischen Tune, mit einem offen liegenden Akku – die Montage eines Flaschenhalters im Rahmen ist dadurch nicht möglich. An der Verarbeitungsgüte des Rahmens und Auswahl der Ausstattung lässt sich kaum etwas bemängeln: Die Schweißnähte sind sehr gleichmäßig und trotz des offen liegenden Akkus wirkt das Rad sehr stimmig, wofür sich vermutlich die stylischen Grafiken verantwortlich zeichnen.
Beim Fahrwerk setzen Merida auf die Top-Varianten aus dem Hause Fox. Vorne arbeitet eine Fox 36-Federgabel mit Boost-Standard, während ein Fox Float X2-Dämpfer das Heck unter Kontrolle hält. Beide Federelemente lassen sich sehr leicht aufeinander abstimmen und verleihen dem E-Bike ein sehr ausbalanciertes Handling. In der Vergangenheit ist uns oft aufgefallen, dass einige Hersteller zu eher leichten Laufrädern und Reifen greifen, die für ein (zu) breites Einsatzspektrum geeignet sind. Merida hingegen haben mit dem DT Swiss XM1501 Spline-Laufradsatz und Maxxis DHR II-Plusreifen in 2,8″ Breite eine sehr solide Kombination gewählt, mit der wir in der Vergangenheit nur gute Erfahrungen hatten – aggressive Fahrer werden es zu schätzen wissen.
Das Cockpit-Layout hat uns auf Anhieb gefallen, zudem kommen mit Shimano Saint-Bremsen und der elektronischen Shimano XT Di2-Schaltung Performance-orientierte und gut auf den Fahrer anpassbare Komponenten zum Einsatz. Speziell die Schaltung lässt sich über Shimanos E-Tube-App sehr leicht und schnell einstellen und tunen. Die Position des RockShox Reverb-Hebels war uns neu, ist jedoch durchdacht und ermöglichte es alle nötigen Bedienelemente schnell zu erreichen, ohne die Übersicht zu verlieren.
Auf dem Trail
Während der Eurobike Media Days am Tiroler Kronplatz hatten wir Gelegenheit, das Merida eOne-Sixty 900E auf einige Testausfahrten mitzunehmen. Der Testzeitraum war leider begrenzt, reichte jedoch aus, um einige verschiedene Setups zu testen und einen soliden Eindruck der Performance des eMTBs zu bekommen. Schnell wurde klar, dass es sich um einen guten Allrounder handelt, der sowohl in einem sehr sportlichen und rennorientierten – in anderen Worten: straffen – Setup, als auch mit einer eher weichen, für Komfort-Biker angenehmen Abstimmung funktioniert.
Uphill
Da unsere Test-Trails über einen Lift zu erreichen waren, bestand ein Großteil unserer Uphill-Zeit auf dem Merida darin, besagte Trails wieder hochzufahren. Für einen detaillierteren Eindruck bräuchten wir offensichtlich mehr Zeit, allerdings konnten wir bereits bemerken, dass das Merida eOne-Sixty 900E auch bergauf keine schlechte Figur macht. Es schwimmt in Kurven nicht auf und lässt sich auch um enge Serpentinen willig bewegen. Leider war es uns nicht möglich, das E-Bike längere technische Uphills hinauf zu scheuchen, allerdings haben wir den Eindruck, dass es auch das gekonnt meistern würde. Ist es eine Bergziege? Aktuell schwer zu beurteilen, wir denken allerdings, die Chancen stehen nicht schlecht.
Downhill
Unsere Test-Trails boten mehr als genug Gelegenheit, die Downhill-Fähigkeiten des eOne-Sixty auf die Probe zu stellen. Neben technischen Sektionen gab es auch eine Menge gebauter Kurven und Sprünge, was für Testzwecke nicht schlecht ist, da sich manche Situationen oft wiederholen und man so schnell einen Eindruck vom Handling des E-Bikes gewinnt und es schneller ans Limit bringen kann. Das Merida eOne Sixty 900E liegt satt und tief auf der Strecke, wodurch es mit gebauten Kurven überhaupt keine Probleme hat und sehr stabil herum zirkelt. Es braucht gar nicht lange, um sich auf diesem eMTB sicher und komfortabel zu fühlen – bereits nach wenigen Trailmetern kann man ihm die Sporen geben.
Das Rad fühlt sich sehr ausbalanciert an und ist auch bei 30–35 % Sag noch lebhaft und poppig, wodurch es sich leicht dorthin setzen lässt, wo man es haben möchte. Das gegen Ende hin überraschend progressive Heck spielt sicherlich eine gewisse Rolle bei diesem Fahrverhalten. In steilen und ruppigen Sektionen lässt sich das Bike sehr “point and shoot”-artig fahren, also: Reinfahren, ausrichten, Vollgas durch. Merida haben sich offensichtlich einige Gedanken über die Geometrie gemacht und es geschafft ein E-Bike zu konzipieren, das sowohl die Bedürfnisse von Einsteigern, als auch von fortgeschrittenen Fahrern zu befriedigen weiß.
Mit einem etwas strafferen Federungs-Setup fliegt das Merida eOne-Sixty 900E beängstigend schnell über den Trail. Die Plusreifen machen jedoch einen sehr guten Job und halten das Rad sicher auf der Strecke – anderes sind wir vom Maxxis Minion DHR II auch nicht gewohnt – ohne es nervös oder zappelig werden zu lassen.
Fazit
Jemand, der aktuell nach einem eMTB sucht und auf seiner Liste Verarbeitungsqualität, Fahrperformance und ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis stehen hat, sollte jetzt ganz genau zuhören. Denn im Fall des Merida eOne-Sixty 900E kann man an jeden dieser Punkte einen schönen kleinen Haken machen. Das Rad kann zudem mit einer erstklassigen Ausstattung punkten, an der sich nicht mehr wirklich viel tunen lässt – insbesondere das High-End-Fahrwerk hat es uns angetan. Zieht man in Betracht, dass Merida über eine eigene Rahmen-Herstellung verfügen, verwundert es uns allerdings, dass das eOne-Sixty nur in drei verschiedenen Rahmengrößen angeboten wird. Dadurch ergeben sich relativ große Sprünge zwischen den Größen, die dazu führen können, dass Fahrer sich genau zwischen zwei Größen wiederfinden und nun vor der Qual der Wahl stehen.
Spricht euch das Merida eOne-Sixty 900E an, oder steht ihr nur noch auf integrierte Akkus?
Weitere Informationen zum Merida eOne-Sixty 900E
Website: www.merida-bikes.com
Text & Redaktion: Alex Boyce | eMTB-News.de
Bilder: Jens Staudt
Merida eOne-Sixty 900E
- XC:
- 0 bis 120 mm Federweg (Hardtails und Full-Suspension)
- Trail:
- 100 bis 150 mm Federweg (Hardtails und Full-Suspension)
- All-Mountain:
- 120 bis 150 mm Federweg (Full-Suspension)
- Enduro:
- 150 bis 180 mm Federweg (Full-Suspension)
- Downhill:
- über 180 mm Federweg (Full-Suspension)
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