Franziska Meyer berichtet von der Trans Savoie 50/50. Bei diesem Etappenrennen, das eigentlich gar kein richtiges Rennen mehr ist, geht es über mehrere Tage am Stück über wilde Trails in den französischen Westalpen. Was genau es damit auf sich hat und was Franzi dabei erlebt hat, erfahrt ihr hier!
Trans Savoie 2021 – ein Rennbericht
8 Uhr am Sonntagmorgen. Meine Nachtschicht ist gerade zu Ende. Eigentlich sollte ich jetzt langsam auf dem Weg zur 1. Stage bei der Trans Savoie sein. Da das Event dieses Jahr jedoch kein klassisches Rennen ist, ist es nicht so sehr tragisch, dass ich den ersten Tag nun wohl verpasse.
Nach längerer Fahrt komme ich am Abend in der Unterkunft an, die für diese Woche unser Basislager sein wird. Eine Herberge am Rande des Waldes von Bourg-Saint-Maurice und praktischerweise direkt am Fuße einiger cooler Trails. Meine Mitfahrer*innen sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Großbritannien, Belgien, Deutschland und der Slowakei und anscheinend sind alle nach dem ersten Tag schon etwas geplättet, denn niemand bleibt an diesem Abend lange wach. Ich dagegen bin eventuell nicht optimal vorbereitet und muss am Abend noch schnell mein Specialized Kenevo SL – Test gibt’s hier – aufladen, um am ersten Tag nicht gleich ohne Akku im E-Mountainbike dazustehen.
Am für mich ersten und für die anderen bereits zweiten Tag geht es zunächst mit dem öffentlichen Bus auf den Col du Petit Saint Bernard, wo uns die ersten Stages für diesen Morgen erwarten. Ich kenne die Aufregung bereits sehr gut, die sich bei mir immer einstellt, sobald ich einen Timing Chip am Handgelenk habe. So kann ich mich noch sehr gut an meine erste Trans Savoie vor fünf Jahren erinnern, bei der ich vor der ersten Stage so aufgeregt war, dass ich in der ersten Kurve fast vom Bike gefallen wäre.
Diesmal ist es jedoch komplett anders. Der Timing Chip ist vor allem für die Sicherheit der Teilnehmer*innen und als Checkpoint gedacht, und natürlich auch als Timing, wenn man sich doch mal mit den anderen messen will. Jedoch sind wir alle nicht zum Rennenfahren hier, sondern um coole Trails zu fahren. Da alle wissen, dass es weder Ranglisten noch Sieger*innen oder Preise geben wird, ist die Atmosphäre am Start super entspannt. Der Chip wird einfach selbst eingescannt und schon geht es los auf die erste Stage. Am Vormittag haben wir eine Mischung aus hochalpinen und steinigen sowie kurvenreichen Waldtrails. Bereits auf der zweiten Stage bin ich in der Atmosphäre der Veranstaltung angekommen und tue etwas, was ich in einem Rennen sonst niemals getan hätte: Als Mick, der Fotograf, sich gerade neu positioniert, stoppe ich und warte einfach eine knappe Minute, bis er eine neue Position für den nächsten Shot gefunden hat. Danke für das coole Foto, Mick!
Am nächsten Tag heißt es bereits in der Früh: Tasche packen und abgeben für die zwei Tage Zeltlager in Brides-les-Bains und dann Abfahrt mit dem Shuttle nach La Plagne. Vom Start auf 2730 m am Roche de Mio geht es über den Bergrücken und auf einer 1500 Höhenmeter langen Stage in das nächste Tal, um dann gleich wieder mit der Bahn hochzufahren. Leider zeigen sich schon die ersten Regenwolken am Himmel, sodass wir alle ordentlich auf die Tube drücken, um dem vorhergesagten Regen zu entkommen.
Und so verschlinge ich am Ende des längsten Anstiegs für heute meinen Kuchen am Refugio Mont Jovet sehr schnell und starte direkt in die Stage. Ein bisschen leid tun mir meine Mitfahrer*innen schon, die auf ihren normalen Bikes erst viel später hier oben ankommen werden, als ich auf meinem Kenevo SL, welches mich im Turbo-Modus hier hochgeschossen hat. Aber das nahende Gewitter macht mir Beine. Just in dem Moment, als ich 20 Minuten später aus der Stage auschecke, fängt es an wie aus Eimern zu gießen. Somit sind die letzten zwei Trails für heute wie Bäche und wir alle kommen klitschnass, aber glücklich, im Zeltlager am Campingplatz an. Dass Zelten und Regen jetzt genau zusammenkommen, ist natürlich Pech, aber am nächsten Tag ist auch schon die Sonne zurück und entschädigt für den nassen Nachmittag zuvor.
Die erste Stage hat es noch ordentlich in sich, denn alle Steine und Wurzeln sind noch flutschnass und so haben die Wandernden am Wegesrand ihren Spaß, uns zuzuschauen, wie wir mehr oder weniger koordiniert auf den Wurzeln rumrutschen. In Méribel gibt es einen Mix aus leichten Bikeparktrails und Naturtrails mit genialer Aussicht, welche mit der Abfahrt über den Roc de Fer auf dem Grat bis hinunter in das Tal gekrönt werden. Die zwei letzten Stages sind schon genial und lassen alle von Ohr zu Ohr grinsend im Ziel ankommen. Für Morgen wird uns direkt das absolute Highlight versprochen.
Ist die erste Stage noch vor allem wegen ihrer guten Ausblicke schön, lässt uns die 2. Stage alle staunen … Ali hat uns gestern nicht zu viel versprochen, als er von den besten Trails der Region schwärmte. Denn wer hätte hier in den Savoyen-Alpen schon riesige Slickrock-Platten, gefolgt von besten, loamigen Trails erwartet? Für mich sicherlich ein neuer Trail auf meiner Top-10-Liste! Auch Stage 3 und 4 an selbigem Hang sind voll mit ebenso schönem, lockerem Waldboden, Wurzeln, kurzen technischen Passagen und moosbewachsenen Steinen. Nach der letzten, langen Stage sammeln sich alle am Shuttleplatz und es wird abgeklatscht. Wenn ich mich so umschaue, haben wohl alle den gleichen Cocktail aus Adrenalin und Endorphin im Blut und würden die ganze Runde am liebsten wiederholen. Aber es ist mal wieder kurz vor Sonnenuntergang, als wir endlich wieder im Basecamp ankommen und ein letzter Tag liegt noch vor uns.
In Vorbereitung auf die Rückreise brauchen am Freitagmorgen noch einige einen Covid-Test, weshalb wir den Tag entspannt und deutlich später als sonst starten. Der Vormittag steht ganz im Zeichen eines entspannten und nicht gezeiteten Rides, mit allen Teilnehmer*innen zusammen, auf einem der schönsten Trails in Les Arcs. Nach einem üppigen Mittagessen mit Montblanc-Blick inklusive geht es dann doch noch mal ordentlich zur Sache mit den letzten drei Stages. Da wir vom Morgen noch alle im Modus des Gruppenrides sind, starten fast alle in einem großen Partytrain in die letzten Stages.
Vor allem die letzte ist noch mal fordernd. Ein Singletrail, teilweise superschnell, teilweise mit technischen Kurven und einem fiesen Gegenanstieg, endet praktischerweise nur wenige hundert Meter von unserer Herberge entfernt.
Nach sechs Tagen Trans Savoie mit ca. einer Stunde Stage-Zeit pro Tag und jeden Tag ca. 10 Stunden unterwegs sind wir alle etwas erledigt, aber super happy mit der coolen Zeit, den netten Leuten und den vielen Trails, die wir entdecken durften!
Das Format
In diesem Jahr ist die Trans Savoie kein reines Rennen, sondern eine Veranstaltung mit Timing, in der der Spaß und die coolen Trails im Vordergrund stehen. Klar, kann man sich mit den Zeiten aus jeder Stage mit seinen Kumpels vergleichen, jedoch sind die Trails nicht wie in einem typischen Rennen gesperrt und abgetapet, sondern nur mit Pfeilen und Sprühkreide markiert. Es ist also mit Wandernden, anderen Biker*innen, Kühen oder auch mal ganzen Schafherden auf den Trails zu rechnen.
Um auf uns aufmerksam zu machen und Überraschungen und Kollisionen mit Wandernden zu vermeiden, bekamen wir alle eine Trailbell für das Bike, welche auf den Stages angeschaltet sein musste (das Geräusch der Glocke ist durchaus nervig, aber man kann sich daran gewöhnen). So hörten uns die Wandernden frühzeitig und es gab keine bösen Überraschungen. Leider haben die Kühe und Schafe das System nicht so gut verstanden …
Die Zeitnahme
Jede*r erhielt einen Timing Chip, welcher am Handgelenk getragen wurde und am Start und am Ende jeder Stage eingescannt werden musste. Dieses System ist natürlich nicht auf die Sekunde genau, da der Zeitnehmer erst vom Boden aufgehoben werden musste, für den freundschaftlichen Vergleich unter Kumpels jedoch völlig ausreichend. Da die Zeitnahme und die Auswertung nicht offiziell waren und eben auch nicht ganz genau gab es über die gesamte Woche kein Ranking und somit auch keinen Gewinner*innen, Verlierer*innen und keine Preise.
Die Trails
Gefahren wurde zu ca. 90 % auf Singletrails, sowohl im Hochgebirge als auch im Wald. Teilweise waren wir im Bikepark unterwegs – jedoch nur auf drei Stages insgesamt bei sechs Tagen Renndauer.
Ausgangspunkt für die ersten drei Tage sowie für den letzten Tag war eine Unterkunft am Rande von Bourg-Saint-Maurice, von dort aus ging es in die Regionen Aime, La Rosière, La Plagne und Les Arcs. Vom Camp in Brides-les-Bains aus ging es nach Méribel, St.-Martin-de-Belleville, Courchevel, Moûtiers und Champagny-en-Vanoise. Mit dem Shuttlebus war es möglich, auch abseits der großen französischen Skiresorts neue Trails zu entdecken, ohne dafür mehrere 1000 Höhenmeter Uphill in Kauf zu nehmen. Vom Anspruch her war diese Edition der Trans Savoie technisch und konditionell etwas leichter als die reinen Rennveranstaltungen bis 2016. Es gibt alles von hochalpinen Trails mit großen Felsblöcken, ausgesetzten Stellen und Spitzkehren, bis hin zu einigen wenigen Bikeparktrails. Ebenfalls sind die Stages recht lang mit Zeiten zwischen fünf und (nicht selten) bis zu 25 Minuten. An Anstiegen ist jeden Tag zwischen 800 und 1400 Höhenmeter selbst zu meistern, der Rest wird mit Shuttels und den Bergbahnen bewältigt.
Die Bikes
Bei der Trans Savoie 50/50 kann man entweder mit dem E-Mountainbike oder mit dem normalen Mountainbike antreten. Es gibt keine separaten Stages für die Fahrer*innen mit E-Bike, sondern das gesamte Event wird gemeinsam absolviert. Da es in den seltensten Fällen auf den Stages eine Uphill-Sektion gab, gab es für die E-Bike-Fahrer*innen keinen Vorteil. Das Fahrer*innenfeld hat sich während des Tages trotz der unterschiedlichen Bikes immer gemischt, sodass es keine separate E-Bike-Gruppe, wie es beispielsweise bei der Enduro One üblich ist, gab.
Ich selbst habe mich für diese Trans Savoie für mein Specialized Kenevo SL entschieden, welches für mich ein guter Kompromiss zwischen den teils technischen Uphills und den langen Abfahrten war.
Die Unterkünfte und die Route
Start der diesjährigen Trans Savoie war in Bourg-Saint-Maurice in einer Herberge, in welcher wir in Mehrbettzimmern untergebracht waren. Nach zwei Tagen ging es per Bike nach Brides-les-Bains, wo zwei Nächte in Zelten anstanden (Zelte etc. organisiert und gestellt durch den Veranstalter). Die letzten zwei Etappen fanden erneut von Bourg-Saint-Maurice aus statt. Im Vergleich zur früheren Trans Savoie, wo die gesamte Woche im Zelt verbracht wurde und das Zeltlager jeden, oder jeden zweiten Tag gewechselt wurde, ist die Unterbringung in einer Herberge ein deutliches Plus an Komfort (außer man ist ein Fan vom Zelten). Gleichzeitig geht bei dieser Version natürlich ein bisschen der „Trans“-Charakter verloren, wenn man am Abend immer wieder in der gleichen Unterkunft ankommt.
Essen und Trinken
Die Trans Savoie ist wie ein All-inclusive-Urlaub und so gibt es täglich drei Mahlzeiten plus teils noch extra Überraschungen wie Kuchen an der Mont-Jovet-Hütte und Bier direkt am Ende der letzten Stage. Je nachdem, wie weit weg wir von der Zivilisation unterwegs waren, gab es mittags entweder ein Sandwich zum Mitnehmen oder Lunch in einem Restaurant, das Abendessen wurde teils durch die Herberge in Bourg-Saint-Maurice gestellt, teils in einem Restaurant serviert.
Für wen ist das Event geeignet?
Besonders Biker*innen, die naturbelassene Singletrails lieben und die Region der Savoyen-Alpen kennenlernen wollen, sind hier genau richtig. Dafür ist eine gute Fahrtechnik und Fitness für mindestens 1000 Höhenmeter Aufstieg und extrem lange Abfahrten essenziell. Wer ein richtiges Rennen mit Ranglisten, Siegerehrung und Kampf um Sekunden sucht, wird nicht auf seine Kosten kommen. Ein internes Battle unter Freund*innen mit Vergleich der Zeiten ist natürlich immer möglich …
Weitere Infos zur Trans Savoie: www.trans-savoie.com
Wer würde bei der Trans Savoie 50 / 50 gerne mal mitfahren?