UCI E-MTB World Cup und WES in Monaco: Nathalie Schneitter, offizielle Weltmeisterin auf dem E-Bike, war beim ersten Lauf der WES in Monaco am Start und berichtet uns, wie das Rennen für sie war und wie sich das Thema generell entwickelt.
Vor knapp drei Wochen startete in Monaco der UCI E-MTB Weltcup in seine erste Saison. Die 2019 lancierte World E-Bike Series WES erhielt dank eines langjährigen Abkommens mit dem Welt-Radsportverband UCI den Weltcup-Status, somit wird in der Saison 2020 erstmals ein offizieller UCI E-Cross-Country-Weltcup ausgetragen.
Wie UCI-Präsident David Lappartient erklärte, ist die Lancierung des «UCI E-Mountain Bike Cross-Country World Cup» ein historischer Moment. Die UCI sei froh, in der Organisation auf das Expertenwissen der World E-Bike Series WES vertrauen zu können, die schon im Jahr 2019 erstklassige Rennen austrug. Die Disziplin habe nun einen Weltcup, der mit den UCI-Weltmeisterschaften einhergehe. Das Vertrauen in die Entwicklung des E-Mountainbike-Sports sei enorm.
In Zeiten des Coronavirus scheint das Rennen in Monaco bereits wie eine halbe Ewigkeit her und tatsächlich war das Rennwochenende vom 7./8. März das letzte, an dem in Europa noch Radrennen durchgeführt wurden. Während in Italien schon alle Events abgesagt waren, durfte man in Frankreich und Monaco noch Rennen fahren. Eine etwas absurde Nebengeschichte hier gleich vorne weg: Internationale Top-Athleten fanden sich für das Rennen zwar in Monaco ein, den italienischen Athleten wurde jedoch von den Hotels deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht willkommen sind. Italienische Sportler waren demnach keine am Start.
Als amtierende E-MTB Weltmeisterin gelte ich in einschlägigen Kreisen als Pionierin des Sports. Auch ich bin zwar erst ein Jahr im E-Rennzirkus mit dabei, bin jedoch bestrebt, die E-Mountainbike-Entwicklung disziplinenübergreifend voranzutreiben. Top motiviert stand ich in Monaco am Start und zum ersten Mal überhaupt konnte ich mein Regenbogen-Weltmeister-Trikot in einem Rennen tragen.
Da ich schon einige Erfahrungen aus dem letzten Jahr mitbrachte, verlief die Vorbereitung für das Rennen relativ entspannt. Bei der Anmeldung musste ich eine Motorendiagnostik einreichen, die weniger als 12 Wochen alt ist, sowie die EC-Deklaration meines Bikes. Vor Ort wurden alles Bikes bei der Registrierung nochmals einem intensiven Check unterzogen. Das ist zwar zeitaufwändig für die Organisatoren, aber meiner Meinung nach ganz wichtig, denn ein Skandal um Motoren-Doping wäre das Schlimmste, was dieser jungen Sportart passieren könnte.
Die Informationen zum Rennen flossen im Vorfeld nur spärlich. So war ich freudig überrascht, Jose Antonio Hermida bei der Startnummernausgabe zu treffen. Hermida ist eine Legende des Cross Country Sports und wurde 2010 in Mont Sainte Anne (CAN) Cross Country Elite-Weltmeister. Als ich ihn fragte, was seine Motivation ist, in Monaco sein erstes E-Bike Rennen zu fahren, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen:
Ich liebe es, dass ich mich nach so vielen Jahren Rennsport nochmals wie ein Junior fühlen kann. Ich habe keinen Schimmer wie E-Racing funktioniert, aber bin hier um zu Lernen.
Nach Bike-Check und Registrierung galt es, die Strecke unter die Lupe zu nehmen. Wie bei XC-Rennen üblich, konnten wir die Strecke im Training abfahren, Linien studieren und so auch eine Strategie festlegen, wie man im Rennen die Kräfte einteilen will. Solche Streckentrainings sind sehr individuell und jeder Athlet geht die Aufgabe etwas anders an. Ich teile mir das so ein, dass ich bei der ersten Runde einfach mal drauflos fahre, um mir einen Überblick zu verschaffen. Bei der zweiten Runde nehme ich mir dann sehr viel Zeit um jeden Stein, jede Wurzel und jede Linie zu studieren. Entscheidend ist, möglichst viel Schwung aus den Kurven mitzunehmen und direkte Linien zu fahren. Das heißt auch, dass man manche Kurven vier bis fünfmal fährt, bis sie sitzen. Meistens hänge ich dann noch zwei Runden dran, in denen ich versuche, den Flow zu finden und die Linien zu automatisieren. Auch mögliche Überholmanöver überlege ich mir, damit im Rennen dann der Instinkt walten kann und ich weniger denken muss.
Da es im E-XC noch keine Weltrangliste gibt, musste ein Konzept her, wie man die Startaufstellung fair gestalten kann. Die clevere Lösung: Am Vortag des Rennens, also nach dem Streckentraining, wird eine Qualifikation im Stil eines Zeitfahrens über eine Runde gefahren. Im Minutentakt werden die Athleten auf die Runde gelassen und können sich bereits ein erstes Mal messen – ganz ohne Hektik eines Massenstarts. Nach der Rangliste der Qualifikation erfolgt dann auch die Startaufstellung beim XC Rennen am nächsten Tag.
Ich wurde meiner Favoritenrolle gerecht und gewann die Quali mit 35 Sekunden Vorsprung auf die Schweizerin Alba Wunderlin. Melanie Pugin, meine Geheim-Favoritin aus Frankreich, erlitt einen Motorenschaden und beendete die Quali ohne E-Unterstützung – eine bittere Pille für die Französin.
Die Bedingungen für das E-XC am nächsten Tag hätten besser nicht sein können. Strahlender Sonnenschein, die Trails jedoch noch rutschig und feucht. Perfekte Voraussetzungen für ein spannendes Rennen. Ich erwischte einen bombastischen Start und konnte mich im ersten Aufstieg bereits von meinen Gegnerinnen absetzen. Mit rund 20 Sekunden Vorsprung ging ich auf die zweite Runde und wähnte mich bereits in Sicherheit. Doch falsche Sicherheit ist in Rennsport gefährlich! Bereits in der zweiten Runde fing mein Vorsprung an zu schwinden und schon bald befand ich mich in einem Katz und Maus Spiel mit meinen Verfolgerinnen.
Melanie Pugin, eine der besten Enduro-Fahrerinnen der Welt, drückte in den Abfahrten mächtig aufs Gas-Pedal. Mein Vorsprung schmolz in den Downhills jeweils schneller als mir lieb war. In den technischen Aufstiegen konnte ich jedoch immer wieder etwas Distanz zwischen uns bringen, doch der Vorsprung schmolz von Runde zu Runde. Mein Gefühl sagte mir, dass ich in den letzten zwei Runden nochmals richtig aufdrehen konnte, doch die Rundenzeiten sprachen eine andere Sprache. Über das ganze Rennen hinweg fuhr ich konstant wie ein schweizer Uhrwerk.
Nach knapp 50 min Renndauer konnte ich den ersten UCI E-MTB XC Worldcup der Geschichte für mich entscheiden – und dies mit knappen 12 Sekunden Vorsprung. Der Krimi entschied sich in der letzten Runde. Ich konnte einen kühlen Kopf bewahren und machte in der entscheidenden Rennphase keine Fehler. Auch die Schweizerin Alba Wunderlin stellte ihr Talent unter Beweis und schnappte den zweiten Rang der Französin Mélanie Pugin noch vor der Nase weg.
Das Rennen und auch die Siegerehrung fand wegen des Coronavirus mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Champagnerdusche ließ ich mir trotzdem nicht entgehen – wer weiß, wann wir zum nächsten Mal in den Genuss davon kommen dürfen!
Weitere Informationen: www.uci.org / www.worldebikeseries.com
Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr Lust auf E-racing und plant schon eine Teilnahme? Wenn ja, bei welchem Rennen wollt ihr starten?
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