UCI E-MTB XC World Cup 2021 – WES in BOLOGNA
Nach der Corona-Saison 2020, in der so gut wie keine Rennen stattfinden konnten, beruhigt sich nun die Lage an der E-MTB Rennfront. Im April startete die WES, der UCI E-MTB XC Weltcup, in seine zweite Saison. Damals noch ohne mich. Doch bei der zweiten Station des Weltcups in Bologna Anfang Juni war ich mit von der Partie. Die in 2019 von der UCI, dem Welt-Radsportverband, lancierte Rennserie, wächst langsam aber sicher zu einem festen Wert heran. Da auch die E-MTB-Weltmeisterschaft im Cross Country-Format ausgetragen wird, dient sie für mich als Vorbereitungsrennen – Routine sammeln heisst die Devise. Umso besser, dass an den Rennwochenenden der WES jeweils gleich zwei Rennen ausgetragen werden: Prolog und E-XC-Rennen am Samstag und dasselbe nochmals auf einer anderen Strecke am Sonntag.
Viele internationale Top-Athleten fanden sich für das Rennen in Bologna ein. Im Damenrennen weckt vor allem ein Name auf der Startliste meine Aufmerksamkeit: Melanie Pugin, die amtierende Weltmeisterin aus Frankreich. In einer epischen Schlammschlacht erkämpfte sich Melanie vergangenen Herbst in Leogang das Regenbogen-Trikot und ich «musste» mich der bronzenen Medaille zufriedengeben.
Aber alles der Reihe nach: Meine Eltern im Schlepptau (meine grössten Fans!) reise ich einen Tag vor dem Rennen in Richtung Süden. Knappe fünf Stunden zeigt das Navi an, als wir lostuckern. Vier Stunden später nimmt unsere Reise eine unerwartete Wendung: Rauch steigt aus der Kühlerhaube auf und schlussendlich müssen wir abgeschleppt werden. Anstatt im Hotel nahe dem Renngelände einzuchecken, landen wir in der Industrie von Modena. Der Mitarbeiter der Werkstatt lässt unsere Hoffnungen nicht lange leben: An ein Weiterfahren mit unserem Toyota, der mit 370.000 Kilometer schon fast zum Familienmitglied wurde, ist nicht mehr zu denken. Am nächsten Morgen geht’s also mit dem Mietauto weiter. Genau 30 Minuten vor dem Start des Prologs treffe ich am Rennen ein, an eine minutiöse Vorbereitung ist nicht zu denken. Umziehen, Bike-Check, tief durchatmen und schon geht’s los zum Prolog.
Ohne die Strecke vorher gesehen zu haben, versuche ich, saubere Linien zu fahren und keine Risiken einzugehen. Die Knieschoner lasse ich deshalb lieber an. Die eine Runde des Prologs muss dann auch als Streckenbesichtigung für das Rennen reichen, denn die Trainingszeiten habe ich verpasst. Schon beim Prolog zeichnet sich ab, dass es ein heisser Kampf zwischen Melanie und mir werden wird. Über eine Runde musste ich mich zwar geschlagen geben, doch ohne Streckenkenntnisse soll das nichts heissen.
Da ich weiss, dass sie die bedeutend bessere Abfahrerin ist (so ganz nebenbei gewinnt sie auch ab und zu eine Enduro World Series – mit und ohne Motor notabene!), versuche ich, sie in den Aufstiegen vom Start weg unter Druck zu setzen. Denn da liegt meine eigentliche Stärke. Ich merke aber schnell, dass sie ihre Hausaufgaben über den Winter gemacht hat und ich nicht bedeutend davonkomme. Bereits in der ersten Runde begehe dann ich dann selber einen Fahrfehler in einem Aufstieg und muss vom Bike. Melanie gewinnt einige wertvolle Sekunden, die sie kontinuierlich auszubauen vermag. Mountainbike-Rennen werden auch auf internationalem Top-Niveau meistens durch Fehler entschieden, doch ärgern bringt nichts – konzentrieren und weitermachen ist das Einzige, das man tun kann. Melanie fährt ein sauberes Rennen, doch in der letzten Runde macht auch sie einen entscheidenden Fehler: Sie schaltet in einem steilen, technischen Aufstieg zu spät und reisst unter Druck die Kette. Alles geht so schnell, dass ich gar nicht dazu komme zu realisieren, was passiert. Ich überhole Melanie in der letzten Abfahrt und gewinne das Rennen unerwartet. Melanie schiebt ihr E-MTB über die Ziellinie und sichert sich trotz allem noch den zweiten Rang.
Nach dem Rennen ist vor dem Rennen und so heisst es im Ziel: Beine hochlegen & bereits auf den zweiten Renntag fokussieren. Zeit zum Feiern bleibt keine. Ich bin nicht ganz zufrieden mit meiner Leistung, weil ich im Rennen immer wieder den Fokus verloren habe und ich dadurch zu viele blöde Fehler machte. Das Ziel für den zweiten Renntag ist also klar: Fokus auf das Wesentliche und richtig in den Lenker beissen.
Vom Start weg komme ich gut in meinen Rhythmus. Ich schaffe es, am Berg eine Lücke von 10 Sekunden aufzureissen und fahre tief in den roten Bereich hinein. Doch Melanie schafft es, Ende der ersten Runde die Lücke wiederum zuzufahren & mich stehenzulassen. Ich schaffe es nicht, ein Rezept zu finden, sie zu schlagen. Ich bleibe aber fokussiert und mache kaum Fehler. In den steilen Aufstiegen bin ich stark, doch mir fehlt der Rennrhythmus um die hohen Trittfrequenzen, die meinen Bosch-Motor effizient arbeiten lassen, um die ganze Renndauer über so durchzustehen. Ich verliere Zeit in den Flachpassagen und natürlich auch in den Abfahrten.
Im Grossen und Ganzen bin ich aber sehr zufrieden: Ich musste mich bei der WES in Bologna nur von der Weltmeisterin geschlagen geben, das Rennfieber hat mich wieder gepackt und ich weiss, auf was ich in den nächsten Wochen im Training mein Augenmerk richten muss. Das nächste Rennen der WES findet bereits Mitte Juli in Clermont-Ferrand, Frankreich statt. Und bis zum WM-Ende August werde ich das Fine-Tuning im Training hoffentlich noch hinkriegen.
Nach dem Rennen geht mein eigentlicher Kampf erst los. Da unser Auto in Italien beerdigt wird, reisen meine Eltern mit dem ganzen Material mit einem anderen Schweizer Rennfahrer nach Hause und ich übernehme die Aufgabe, noch bis am Montag in Italien zu bleiben, die ganze Administration zu regeln, das Mietauto zurückzugeben und dann mit dem Zug nach Hause zu reisen. Da scheint Rennen fahren im Vergleich wie ein Spaziergang.
Alle Ergebnisse und viele tolle Fotos findet ihr auf der Homepage der WES – World E-Bike Series.
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