Uppsi, schon fast vier Monate sind vergangen seit Anfang April, als der erste Teil von „Und dann kam Hilda“ veröffentlicht wurde. Und jetzt? Wird der Autor etwa vom schlechten Gewissen gepackt, weil er außer dem Piloten bisher nichts zu Stande gebracht hat? Mit Nichten lieber Leser! Vielmehr sind vier Monate in Elternzeit gefühlt so schnell vorbei wie vier Wochen in Vollzeit hinterm Schreibtisch. Und weil ich selbigen gerade lieber als Ablage für allerlei Spielzeug benutze, durftest Du Dich eben in Geduld üben. Nun aber soll es weiter gehen. Hilda liegt neben mir auf der Wiese und schläft, und ich habe am Sonntagmorgen mal wieder den Laptop aufgeklappt, um Dir von den letzten Monaten zu berichten.
Als ich mich Ende Februar an den ersten Text machte, war die Welt fast noch in Ordnung. 27 Corona Fälle in Deutschland. Dann, am Erscheinungsdatum, dem 9. April, sah das Ganze schon anders aus: 113.296 Fälle (statista.com). Aber was bedeutet das für jemanden, der sich eine Auszeit nimmt, um sich um sein Kind zu kümmern?
Zeit und ein E-Mountainbike mit Singletrailer – das ist Glück
Kurz und schmerzlos und ganz ehrlich: NICHTS! Ich kann es mir gar nicht oft genug selbst sagen: „Was habe ich für ein unglaubliches Glück?“ Hand aufs Herz, was fehlt mir denn? Etwas weniger Reisen als gedacht und für den Bruchteil eines Monats ist das Klopapier knapp. Im Gegenteil zu all denjenigen, für die Corona wirklich existenzbedrohend ist, habe ich einfach nur mehr Glück als Verstand – nämlich viel Zeit und ein E-Mountainbike mit Singletrailer. Eine Kombination, die im Lockdown sogar mehr wert ist als eine prall gefüllte Vorratskammer.
Unserem Alltag passen wir so einfach an die Umstände an: Keine Touren mit den anderen frisch gebackenen Eltern aus unserem Bike-Freundeskreis. Kein Eis dazwischen und kein Grillen danach. Stattdessen fahren wir zu dritt mit Singletrailer und viel zu viel Federweg lange Touren auf Forstwegen. „Lang“ nicht wegen der Strecke, welche wir zurücklegen, sondern wegen der vielen Pausen, die Hilda immer wieder deutlich einfordert. Aber wir genießen es. Warum auch stressen lassen, wenn der Biergarten eh zu hat?
Am Anfang sind wir noch etwas zögerlich. Klar fragen wir uns: „Können wir das wirklich machen?“, oder: „Muten wir unsere Tochter zu viel zu, nur damit wir unseren Freizeitspaß haben?“. Laut Hersteller dürfen Babies zwar ab dem ersten Tag im Singletrailer transportiert werden – aber tut ihnen das auch gut? Und welche Wege sind in Ordnung, und wo sind die Erschütterungen vielleicht doch zu stark?
Wir befragen alle, von denen wir denken, dass sie eine Meinung dazu haben, die für uns Gewicht hat. Hebamme, Kinderärzte, Physiotherapeuten, andere Eltern und so weiter und so fort. Die ernüchternde Bilanz: Keiner, der sich professionell mit Neugeborenen beschäftigt, lässt sich wirklich zu einer Aussage hinreißen. Zu groß scheint die Angst davor zu sein, etwas Falsches zu sagen und nachher für ein kaputtes Kind verantwortlich zu sein. In einem Satz zusammengefasst ist die Kernaussage der Profis: „Macht alles am besten so, wie es sich für Euch gut anfühlt.“ Jo, danke!
Aber genau so machen wir es dann auch. Wir gehen raus und fahren. Und wir beobachten Hilda dabei ganz genau. Spoiler: Wir haben mittlerweile ein sechseinhalbmonatiges Baby, das vor Glück mit den Füßen zappelt und laut lacht wenn, es den Singletrailer sieht. Aber wie sind wir da hingekommen und lässt sich das so 1:1 auch auf andere anwenden?
Ich fürchte nicht. Und darum werde auch ich aus dieser Kolumne kein How-To-Singletrailer machen. Sondern eher ein „so haben wir es halt gemacht“. Wie Ihr das dann macht, und ob es zum Erfolg führt ist Eure bzw. die Entscheidung Eures Kindes. Das zeigt sich auch in unserem Freundeskreis. Allesamt Biker mit extrem viel Erfahrung und jeder geht an die Sache ganz anders ran.
Was ich aber sagen kann: Versuch macht Kluch! Und lohnen tut es sich alle mal. Jetzt also endlich ans Eingemachte. Was haben wir gemacht?
Zuallererst: wir sind ab in den Wald. Und zwar nie mit dem klassischen Kinderwagen, sondern von Anfang an mit Hilda im Tragetuch, auf erst kurzen, dann immer längeren Spaziergängen. Unsere Hebamme hatte uns im Laufe der Schwangerschaft mal erklärt, dass in Ländern, in denen die Kinder nur getragen werden, diese viel schneller selbst mobil werden als bei uns. Angeblich sollen die Bewegungen beim Laufen wie ein Mini-Stabi-Übungsprogramm wirken. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber wir hatten tatsächlich das Gefühl, dass Hilda schon vergleichsweise früh einen ziemlich stabilen Eindruck machte. Und so begannen wir nach ein paar Wochen mit dem nächsten Schritt – den ersten Mini-Runden im Singletrailer.
Warum mit dem Singletrailer?
Noch bevor wir den Thule-Kinderwagen an unsere Stadträder hängen, gingen wir also mit dem Nachwuchs E-Mountainbiken. Das hat mehrere Gründe: Zum einen wirkt die Weber-Babyschale im Singletrailer mit ihrem Alurahmen wesentlich stabiler als die Thule-Baby-Hängematte. Zum anderen haben wir uns mit dem Trailer im Wald aber auch von Anfang an sicherer gefühlt. Nicht, weil wir Angst hatten, dass ein Auto uns den Thule vom Rad fährt, sondern weil es uns weniger wahrscheinlich erscheint, im Wald plötzlich scharf bremsen zu müssen. Genau darin liegt scheinbar nämlich eine der größten Gefahren beim Anhängerfahren. Die Wucht von einer Vollbremsung ist auch für ein noch so stabiles Babygenick einfach krass. Vergleichen lässt sich das wohl am besten mit dem Schütteln eines Kindes. Jeder, der Kinder hat, weiß, wie deutlich einem vor und nach der Geburt eingetrichtert, wird was beim Schütteln passieren kann.
Neben dem Bremsen hat sich auch noch ein anderer Sicherheitsaspekt aufgetan, welcher deutlich für den Trailer spricht. Der Singletrailer kippt nicht um! Und bevor ich jetzt hier als rasender Rabenvater dargestellt werde – fragt mal in Eurem Freundeskreis rum, wem das schon mal passiert ist. Mich hat das überrascht. (Allerdings hat sich auch gezeigt, sowas ist für die Eltern oft schlimmer als für das Kind. Ich bin absolut überzeugt, es gibt keinen sichereren Weg, ein Kind selbst durch die Stadt zu kutschieren, als mit einem Fahrradanhänger. Es sei denn natürlich mit dem Auto. Aber erklär das mal deinem Kind, wenn es alt genug ist, um über den Planeten nachzudenken. Da verliert ihr!)
Und noch einen Punkt gibt es: Die Federung des Singletrailers mit einem ordentlichen Dämpfer sorgt nicht nur für mehr Komfort als die ungedämpften Blattfedern von unserm Thule. Hilda wird auch insgesamt einfach wesentlich weniger starken Wipp-Bewegungen ausgesetzt. Und genau das ist das wirklich tolle am Singletrailer. Während Kopfsteinpflaster den Thule schon richtig ins Wackeln und Wippen bringt, schluckt der ToutTerrain jede Unebenheit einfach weg und ruft nur: „NEXT“!
Also, lieber ab in den Wald! Hier ist es wesentlich unwahrscheinlicher, dass wir spontan eine Vollbremsung hinlegen müssen. Und es macht einfach auch noch viel mehr Spaß. Der Thule ist somit schon früh zum reinen Nutzfahrzeug degradiert worden. Zum Einkaufen perfekt. Aber sobald es um Freizeitgestaltung geht, kommt der Singletrailer zum Einsatz. Statt uns also gegenseitig mit „Babysitten“ abzuwechseln und immer nur alleine mit dem E-Mountainbike loszuziehen, genießen wir unser geliebtes Hobby zu dritt. Mit E-Mountainbikes und Singletrailer lassen wir die überfüllten Parks hinter uns und suchen die Einsamkeit auf den entfernteren Forstwegen.
Radfahren hat so für uns eine ganz neue Qualität bekommen. Hilda ist stabil und der Trailer macht mit seinen 200 mm Federweg aus allem einen Flowtrail. Nur schnell muss noch nicht unbedingt sein.
Unsere Zutaten für einen tollen Biketag sind also:
- Ein Kind, das einigermaßen stabil ist.
- Ein Anhänger, der auch wirklich fürs Biken gemacht ist.
- In unserem Fall ein E-Mountainbike als Zugpferd.
- Und die Bereitschaft, Mountainbiken mit Kind einfach komplett neu zu denken.
Und das Ergebnis?
Wir fahren Singletrails hoch und Forstwege runter. Früher habe ich sowas mal also „falschrum Mountainbiken“ bezeichnet. Heute ist es die perfekte Tour. Langsam, aber mit viel Spaß hoch auf den Berg. Und ohne Schleudertrauma wieder runter. Und das allerbeste dabei: Der Singletrailer setzt die 2-Meter Regel in Baden-Württemberg faktisch außer Kraft. Denn egal wie grantig ein anderer Waldbesucher auch ist, wenn Ihr mit einem Kind, das vor Freude quiekt, um die Ecke kommt, kann sich keiner mehr ein Lächeln verkneifen.
Und genau darum geht es doch im Wald: eine gute Zeit für alle, die sich in ihm aufhalten. Das ist es jedenfalls, was wir selbst so schätzen und was wir unserer Tochter beibringen möchten. Und andersherum habe ich auch schon etwas habe von meiner kleinen Tochter gelernt: öfters mal anhalten und wirklich jeden freundlich grüßen. Und genau dazu brechen wir jetzt auch wieder auf. Ciao!
Mit dem Kleinkind auf Tour – wie sind Eure Erfahrungen damit?
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