Der Mikrokosmos des E-Racings schreitet in schnellen und großen Schritten voran. Während in Monaco beim Auftakt der WES noch etliche Kinderkrankheiten der jungen Rennserie auszumachen waren, scheinen die Rückmeldungen der Fahrer und Teams anscheinend schnell Früchte zu tragen. Hier ein Erfahrungsbericht von unserer Gastautorin Nathalie Schneitter.
WES #2 – Rennen im schönen Ascona-Locarno
Wie bereits beim Rennen in Monaco erwartete uns Fahrer als erstes der E-Bike-Check. Die E-MTBs werden dabei am Computer angeschlossen für einen Software-Check, denn illegales Tuning muss unterbunden werden. Das heißt konkret, dass eine Motorendiagnostik gemacht und auf verschiedene Parameter geprüft wird. Auch die Motorabdeckung wird weggeschraubt und der Kabelverlauf geprüft – die E-Bikes müssen im Originalzustand sein. Auch der Radumfang wird gemessen und mit der Software abgeglichen. Falls ein zu kleiner Radumfang programmiert ist, dann läuft das E-Bike schneller und das wäre dann E-Doping.
Das Race-Village im Lido von Ascona bildete eine hübsche Kulisse und welch Glück: Auch das Wetter spielte mit. Nach dem E-Bike-Check ging es dann zum Training auf der einwandfrei ausgeschilderten Enduro-Runde. Nach der Odyssee in Monaco, wo ich die Enduro-Runde gar nicht erst gefunden habe, eine echt positive Überraschung!
Etwas überrascht war ich dann aber schon, als wir nach 20 Min Pedalieren die Gondel auf den Monte Bré erreichten. Aber es gilt halt auch auf dem E-MTB, dass gratis Höhenmeter umso mehr Tiefenmeter versprechen! Die Aussicht über die ganze Region vom Old-School Sessellift auf die Ciametta steigerte die Vorfreude auf die bevorstehenden Trails hoch zehn.
Oben angekommen war ich zwar noch nicht im Flow, aber sofort ging’s los – ein echter Schock fürs System! Enge Kurven, spitze Steinplatten, die viele Plattenopfer forderten, rutschige Wurzeln und ab und zu auch knackige Zwischensteigungen machten die Stages zu einem wahren Leckerbissen. Plattgewalzte Flowtrails fuhren wir nur in den Transfers zur nächsten Stage – und zwar aufwärts!
Nach knapp vier Stunden Trailspaß rollten wir zurück zum Lido. Die Zeit war knapp, denn am Nachmittag wartete auch noch das E-Cross-Country-Training. Obwohl ich schon etwas müde war, freute ich mich auf das XC-Training, denn ganz ehrlich: Ich bin im XC groß geworden, da schlägt mein Herz dafür, das ist auch e-powered noch immer so. Ich mag es, mich an meine physischen Grenzen zu pushen, egal ob mit oder ohne Motor.
Die XC-Strecke hatte es voll in sich. Bei der ersten Trainingsrunde musste ich einen großen Teil der Runde zu Fuß bewältigen. Vor allem in den Aufstiegen musste die Linie sitzen, um überhaupt hochfahren zu können. Technische Aufstiege sind aber mein allerliebstes, das war schon im XC-Weltcup so. Drei Runden brauchte ich im Training, bis ich mir alle Linien merken und fahren konnte. Deshalb war die Vorfreunde aufs Rennen umso größer, denn ich bin mir mit Marco Fontana (3. Rang Olympische Spiele London 2012) und Gusti Wildhaber (EWS-Rakete) einig: Der XC-Track hier in Ascona-Locarno ist der beste und spaßigste, den wir je gefahren sind. Ganz nach dem Motto: E-MTB makes XC great again!
Am Renntag hieß es dann bereits um 08.00 Uhr ab die Post! Da das Enduro und das XC Rennen am selben Tag stattfanden, war das Programm gedrängt. Natürlich gibt es auch diejenigen, die meinen, mit dem E-MTB seien zwei Rennen an einem Tag easy zu schaffen. Aber Racing ist Racing und da geht es richtig zur Sache, das musste auch ich am eigenen Körper erfahren.
In den Flow fand ich aber den ganzen Morgen nicht wirklich, zu sehr saß das XC-Rennen am Nachmittag im Hinterkopf. Mit angezogener Handbremse fährt es sich halt nicht so lockerflockig. Spaß machte es trotzdem, zumal der Regen der vorherigen Nacht die Trails noch etwas mit zusätzlicher Würze versehen hatte. Wir fuhren 95 % Trailanteil Uphill & Downhill – das traf mich als Singletrail-Enthusiasten direkt ins Herz.
Ich lieferte mir beim Enduro-Rennen am Morgen einen guten Kampf um Rang 3 mit Sofia Wiedenroth (Cube Action Team), den Sofia aber für sich entscheiden konnte.
Vor dem Cross Country wurde ich dann plötzlich so richtig nervös. Ich spürte meinen Herzschlag am ganzen Körper und gähnte auf der Startlinie. Typische Anzeichen von Nervosität, die ich manchmal aber auch in Fokus und Biss umwandeln kann.
Ich hatte mir die Linien genau eingeprägt und da Männer und Frauen gleichzeitig starteten, war ich auf das Chaos beim Start gefasst. Ich hatte mir aber eine Linie zurechtgelegt, die anscheinend kaum jemand anderes entdeckt hatte und fuhr in der zweiten Kurve am halben Feld vorbei. So konnte ich mich in mitten der Jungs bestens positionieren und ließ mich nicht aus der Ruhe bringen.
Mehrere Male wurde ich überholt und konnte kurz darauf wieder zurück überholen. Auf einer technisch so anspruchsvollen Strecke müssen Überholmanöver gut getimt sein.
Sechs Runden hatten wir zu absolvieren. Ich vermutete zwar schon vor dem Start, dass das Batteriemanagement schwierig werden wird, trotzdem raste ich die ersten zwei Runden im Turbo drauflos. Doch nach Rennhälfte war klar: Das könnte heute knapp werden mit der Batterie.
Das hieß einteilen und nur noch in den Turbo-Modus schalten, wenn die Uphill-Passagen so steil und technisch waren, dass ich die volle Motorenunterstützung brauchte. Das Spielen mit dem Motor gefällt mir. Es hat etwas sehr strategisches. Die Kräfte von mir und meiner Maschine aufeinander abstimmen und genau abschätzen, wie viel Power beide von uns bei welcher Passage geben müssen, das ist die Kunst. Zudem muss das Zusammenspiel so aufeinander abgestimmt sein, dass die Power bis zur Ziellinie reicht. Ja, etwas Nervenkitzel ist da natürlich auch dabei!
Auf der letzten Runde musste ich mir immer wieder selber sagen, dass ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren und das Ding einfach nach Hause bringen soll. Die Batterie reichte und die Nerven zum Glück auch. Ich freute mich rieeeeßig über den Sieg!
Fazit @eMTB-News.de
Die WES in Locarno-Ascona hat wirklich Bock auf E-Racing gemacht! Die tollen Strecken waren natürlich das Herz der Veranstaltung, aber auch die Atmosphäre war gigantisch. Eine Siegerehrung in Locarno auf der Piazza Grande?! Ähm, ja, die WES hat auch hier wahrlich neue Massstäbe gesetzt!
Nathalie Schneitter – unsere Starterin und Gastautorin
Nathalie startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Sie ist Messeverantwortliche im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich und seit vergangener Saison spricht sie auf Red Bull TV auch den Deutschen Co-Kommentar des MTB Cross Country Weltcups.
Alle Ergebnisse und viele tolle Fotos findet ihr auf der Homepage der WES – World E-Bike Series.
Hier gibt’s alle Artikel zur WES – World E-Bike Series:
- World E-Bike Series im UCI-Kalender: Erste offiziell anerkannte E-Bike-Rennserie
- Video vom Trainingstag der WES: Johannes Fischbach gondelt durch Monaco
- World E-Bike Series #1 – Monaco: Feuer frei im Fürstentum
- WES – WORLD E-BIKE SERIES MONACO: Ein Erfahrungsbericht von Gewinnerin Nathalie Schneitter
- WES – World E-Bike Series / Ascona-Locarno: Ein Rückblick auf den zweiten Lauf der WES
- WES – Finale in Barcelona/Spanien: Erfolgreiche WES-Saison für Cube Actionteam
- E-Racing 2020: National und international – die spannendsten E-Rennserien der kommenden Saison
- WES & UCI präsentieren: E-MTB Cross-Country World Cup 2020