„Wenn die WES (World E-Bike-Series) zu ihrem allerersten Rennen nach Monaco ruft, dann läuft das Kopfkino heiß. Monaco kannte ich bisher nur von Autorennen und das, obwohl ich noch nie ein Autorennen gesehen habe – nicht mal im Fernsehen“. So berichtet die Gewinnerin Nathalie Schneitter über das Auftaktrennen. Wie die WES übrigens in bewegten Bildern aussah, könnt ihr im Video von Johannes Fischbach sehen.
Auch E-Mountainbiken gibt es in meinem Mikrokosmos erst seit knapp zwei Jahren. Als ich noch als Cross-Country-Profi auf den Rennplätzen dieser Welt tourte, hätte ich mich nur bei Nacht und Nebel getraut e-powered unterwegs zu sein. Kritisch und neugierig wie ich zugleich bin, hat sich dies aber gewaltig geändert. Für mich bedeutet Radfahren Freiheit & Glück. Und dies egal, ob ich auf dem Rennrad oder dem E-Mountainbike sitze.
In der Welt des Radsportes ist es meistens so, dass Radfahrer für andere Radfahrer Rennen veranstalten und sich diese daher an die immer gleichen ungeschriebenen Gesetze halten. Für die WES gilt das nicht. Hier steht eine PR Agentur an vorderster Front, die zwar viel Erfahrung von Event und Promotion hat, aber eben nicht vom E-Biken. Wohl gerade deshalb überrascht die WES mit ihrer unkonventionellen Art dieses Rennen anzupacken.
Da die WES Rennen in den Disziplinen Enduro und Cross Country veranstaltet, hatte ich die Qual der Wahl. Natürlich könnte ich auch beide Rennen fahren, aber das Programm ist so gedrängt, dass ich mich entschied, nur das Cross Country zu fahren. Warum Cross Country fragt ihr euch? Nun ja, so richtig vorstellen kann ich mir E-Cross-Country noch nicht – Grund genug also, es auszuprobieren.
Das Training am Freitag gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet. Ich fand zwar den Weg zum Rennplatz im Hinterland von Monaco, wo ich meine Startnummer abholte und mein E-Bike einer technischen Kontrolle unterzogen wurde, aber die Start/Ziellinie meines Rennens fand ich erst nach intensiver Suche. Ausschilderungen sind wahrlich keine Stärke der WES.
Dafür wartete am Abend eine faustdicke Überraschung. Zur Fahrerpräsentation und Pressekonferenz wurden wir nach Downtown Monte Carlo eingeladen und in der Bar Stars’N’Bars im Hafen von Monaco von TV-Moderator Anthony McCrossan begrüsst. Zusammen mit Nicolas Vouilloz (10-facher Downhill-Weltmeister) und Marco Fontana (XC-Olympia-Dritter) war ich eingeladen auf dem Podium die neuen Wettkampf-Formate zu diskutieren.
Eine Pressekonferenz im Hafen Monacos und wir mittendrin? Die WES setzt wahrlich andere Massstäbe! Es fühlte sich wirklich so an, als ob wir hier Geschichte schreiben und Teil von etwas Grossem sind.
Ich bin nach Monaco gereist in der festen Überzeugung, dass ein E-Hardtail das richtige Bike für das Country-Rennen wäre. Aber nachdem ich am Freitag im Training drei Runden auf meinem Powerfly 7 E-Hardtail absolvierte, musste ich mir eingestehen, dass es nicht das richtige Gefährt für die Aufgabe ist. Ich sattelte für eine Trainingsrunde auf mein Powerfly LT E-Enduro um und stellte erstaunt fest, dass dieses E-Bike viel schneller auf dieser anspruchsvollen XC-Runde war. Beide Bikes haben den Performance Line CX Motor von Bosch montiert mit einem 500 Wh Akku.
Im Cross Country Rennen hatten wir eine Strecke zu bewältigen, deren Abfahrt gleichzeitig Teil einer der Enduro-Stage war und deren Aufstieg so technisch, dass man 100% fokussiert sein musste um das Ding auf dem E-Bike fahrend bewältigen zu können.
Am Samstagmorgen hieß es dann erstmals noch E-Bike putzen und Material richten. Durch den kurzfristigen Bikewechsel gab es einiges zu tun.
In Lycra stand ich also mit einem 160mm E-MTB am Start und war mir sicher die richtige Materialwahl getroffen zu haben – und wie ihr sicherlich wisst, ist Selbstvertrauen das A und O des Rennsports! Wir Mädels wurden zusammen mit den Jungs ins Rennen geschickt und am Start ging es schon mal hektisch hin und her. Ich hatte ganz vergessen, wie stressig Massenstart-Rennen mit breiten Lenkern sind.
Ich merkte bald, dass ich eine gute Tagesform hatte und fand Fokus im Kopf und Rhythmus in den Beinen. Das Rennen ging über sechs Runden, was eine Renndauer von zirka einer Stunde erwarten ließ. Bereits in der zweiten von sechs Runden konnte ich mich von meiner letzten Verfolgerin Sofia Wiedenroth (GER) absetzen und dann meinen Vorsprung kontinuierlich ausbauen.
Wenn ich mir vor dem Rennen noch Sorgen über das Batterie-Management gemacht habe, merkte ich bald, dass die Renndistanz gut mit einer Batterie zu bewältigen war (zumindest mit dem Gewicht einer Mittelschweren Rennfahrerin!). Knapp 1100 Höhenmeter galt es auf technisch herausfordernden Trails zu bewältigen und technische Herausforderungen sind mein aller Liebstes.
Obwohl ich gegen Ende des Rennens im Vorderrad Luft verloren hatte, konnte ich den Sieg mit einer etwas schonungsvollen Fahrweise ins Ziel retten.
Nach dem Rennen ging die Action aber erst richtig los. Zuerst warten einige Interviews, dann die technische Kontrolle von meinem E-Bike. Das E-MTB wurde an den Computer angeschlossen und die Software auf Herz und Nieren gecheckt. Dann wurde die Motorenabdeckung weggeschraubt und der Motor unter die Lupe genommen. Die weiteren Checks verpasse ich leider, weil ich mich für die Dopingkontrolle parat machen musste. Nicht nur mein Bike, sondern auch ich sollte kontrolliert werden (das finde ich eine super Sache!).
Für die Dopingkontrolle wurde ich nach Monaco gebracht, wo uns eine Horde wilder AS Monaco Fans wie wild begrüssten als wir aus dem Auto steigen. Als diese jedoch bemerken, dass wir nicht Teil der Fussball Mannschaft waren, ließ die Begeisterung schnell wieder nach.
Von der Dopingkontrolle ging es direkt weiter in das E-Village im Hafen von Monaco zur Siegerehrung. Wie es sich gehört, haben wir kräftig die Korken knallen lassen. Schliesslich geschieht es nicht alle Tage, mittendrin zu sein, wenn E-Geschichte geschrieben wird.
Und das Fazit? E-Cross-Country macht total Bock, vor allem dann wenn die Strecken so schwierig sind, das sie ohne E-Unterstützung kaum zu bewältigen wären. Die WES macht sehr vieles sehr gut und bringt neuen Schwung, neue Leidenschaft und neue Kompetenzen in die E-Mountainbike Welt. Aber natürlich gibt es noch einige Baustellen in der Veranstaltung. Da es aber richtig Bock macht, bin ich beim nächsten Rennen der WES Anfang Mai in Ascona/Locarno auf alle Fälle wieder dabei. Ob es dann dort mit der Ausschilderung der Strecke besser funktioniert, lest ihr hier auf eMTB-News.de.
Herzlichen Glückwunsch Nathalie! Würdet ihr auch gerne bei einem WES-Rennen an den Start gehen?
Alle Ergebnisse und viele tolle Fotos findet ihr auf der Homepage der WES – World E-Bike Series.
Hier gibt’s alle Artikel zur WES – World E-Bike Series:
- World E-Bike Series im UCI-Kalender: Erste offiziell anerkannte E-Bike-Rennserie
- Video vom Trainingstag der WES: Johannes Fischbach gondelt durch Monaco
- World E-Bike Series #1 – Monaco: Feuer frei im Fürstentum
- WES – WORLD E-BIKE SERIES MONACO: Ein Erfahrungsbericht von Gewinnerin Nathalie Schneitter
- WES – World E-Bike Series / Ascona-Locarno: Ein Rückblick auf den zweiten Lauf der WES
- WES – Finale in Barcelona/Spanien: Erfolgreiche WES-Saison für Cube Actionteam
- E-Racing 2020: National und international – die spannendsten E-Rennserien der kommenden Saison
- WES & UCI präsentieren: E-MTB Cross-Country World Cup 2020